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Bionik: Neu entdeckter Effekt verbindet Gewebe und Metall

Weiche und harte Stoffe zu verkleben, ist außerordentlich kompliziert. Dabei sind solche Verbindungen in der Natur weit verbreitet. Eine völlig überraschende Entdeckung könnte das nun auch in menschengemachten Maschinen ermöglichen.
Eine Tomate hängt Kopfüber an einem Stück Metall.
Ein wenig Strom reicht, und die Tomate klebt fest am Metall. Eine Möglichkeit, weiche und harte Stoffe stabil zu verbinden, ist die Grundlage dafür, technische und biologische Systeme zusammenzuführen.

Ein neuer Effekt macht es möglich, Metalle dauerhaft mit weichen Gelen und sogar biologischen Geweben zu verbinden. Weiche, wasserhaltige Materialien auf starre Oberflächen zu kleben, war bisher sehr aufwändig oder gar ganz unmöglich. Doch tatsächlich gibt es eine einfache Lösung, berichtet eine Arbeitsgruppe um Srinivasa Raghavan von der University of Maryland. Man kann eine große Bandbreite von weichen Stoffen fest mit Metall- oder Graphitoberflächen verbinden. Dazu muss man zwischen diesen für kurze Zeit lediglich eine Spannung von wenigen Volt anlegen, anschließend haften die Materialien dauerhaft aneinander. Der Mechanismus könnte neue, von der Biologie inspirierte Maschinen ermöglichen.

In der Biologie sind feste Verbindungen zwischen harten und weichen Materialien – zum Beispiel Knochen und Sehnen – weit verbreitet, für die menschliche Technik jedoch sind solche Kontakte ein enormes Problem. Die beteiligten Oberflächen müssen dazu aufwändig chemisch behandelt werden, und auch das funktioniert nicht immer. Umso überraschender ist nun, wie einfach und vielseitig der von den Fachleuten neu entdeckte Effekt ist. Die entstehende Klebewirkung zwischen den Stoffen ist oft so stark, dass das weiche Material eher durchreißt, als sich von der Oberfläche zu lösen. Wie die Verbindung zu Stande kommt, ist noch weitgehend unklar.

Die Arbeitsgruppe platzierte zuerst Graphitelektroden an beiden Seiten eines Zylinders aus Acrylamidgel und legte eine Spannung von fünf Volt an. Nach drei Minuten war das Gel mit der positiv geladenen Anode fest verbunden. Weitere Experimente zeigen, dass das auf der einen Seite auch mit Metallen funktioniert – und auf der anderen Seite mit allerlei biologischen Materialien: Kartoffeln, Äpfel, Bananen, Tomaten, Knoblauch, Hähnchenbrust … Und die Verbindung hält sogar, wie sich zeigte, unter Wasser. Allen gemein ist, dass das harte Material elektrisch leitend sein muss und das weiche ein Ionenleiter, in dem sich in Wasser gelöste geladene Teilchen frei bewegen können.

Außerdem scheint die genaue Zusammensetzung des Ionenleiters eine große Rolle zu spielen, denn nicht jedes Material haftet gleich. Manche Stoffe, wie Tomaten oder Knoblauch, haften an der positiv geladenen Anode, während sich Äpfel mit der negativ geladenen Elektrode verbinden. Einige, wie Bananen, Zwiebeln oder Gelatine, verbinden sich mit beiden Elektroden. Gurken und Birnen dagegen kleben an keiner Seite. Welche Mechanismen hinter alldem stecken, ist unklar. Die Arbeitsgruppe vermutet, dass an der Oberfläche eine elektrochemische Reaktion abläuft. Die Versuche sind einfach genug für ein Schullabor und hätten schon vor Jahrzehnten durchgeführt werden können. »Tatsächlich fragen wir uns, warum man das nicht früher entdeckt hat«, schreibt die Arbeitsgruppe in der Veröffentlichung.

Während die möglichen Anwendungen für auf Metall geklebtes Gemüse eher begrenzt sind, hat der unerwartete Effekt potenziell enorme Auswirkungen für die Technik. Denn aktive Materialien, die sich durch äußere Einwirkungen wie den pH-Wert verformen und Kraft ausüben können, sind meist weich und wasserhaltig. Doch erst in Verbindung mit starren Elementen kann man mit ihnen vielseitige Maschinen nach dem Prinzip biologischer Strukturen konstruieren. Beide Arten von Materialien auf elektrischem Weg zu verkleben, könnte deswegen einen enormen Schritt nach vorn für technische Systeme nach biologischem Vorbild bedeuten.

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  • Quellen
ACS Central Science, 10.1021/acscentsci.3c01593, 2024

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