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Polynesisches Bienenrätsel: Die Lösung schwirrte über den Köpfen der Forscher

Wie war die winzige Tuamotu-Maskenbiene auf den abgelegenen Archipel gelangt? »Michener’s Mystery« trieb die Fachwelt um. Bis sie erkannte, wie groß die Bienenvielfalt von Fidschi bis Tahiti tatsächlich ist.
Hylaeus navai
Hylaeus navai kommt auf den Fidschi-Inseln Viti Levu und Taveuni vor. Benannt wurde sie zu Ehren des Dorfes Navai, das über Jahre hinweg den Bienenforschern Unterstützung leistete.

Im Jahr 1965 warf der Bienenexperte Charles Michener ein Rätsel für die Forschung auf, das erst jetzt, nach fast 60 Jahren, gelöst werden konnte: Wie waren jene winzigen Bienen, auf die er bei seinen Streifzügen durch die Museumsbestände Honolulus gestoßen war, auf die abgelegenen Pazifikinseln des Tuamotu-Archipels gelangt? Die nächsten Verwandten dieser Bienen, so dachte Michener jedenfalls, lebten in Australien, Neuguinea und Neuseeland. Also mehr als 3000 Kilometer westlich von Tuamotu.

Die nur gut vier Millimeter langen Solitärbienen klassifizierte er als neue Art Hylaeus tuamotuensis oder Tuamotu-Maskenbiene. Sie blieben ein Phantom. Weder ließ sich das Woher klären noch das Wo-überhaupt: Micheners Museumsexemplare hatte einst der Insektenkundler Elwood Zimmerman auf Tuamotu gesammelt. Das war in den 1930er Jahren. Seitdem blieb die Art verschollen und galt gar als ausgestorben.

Erst jetzt, genau 59 Jahre nach Micheners Erstbeschreibung, publiziert ein Forschungsteam im Fachblatt »Frontiers in Ecology and Evolution« die Lösung von »Michener’s Mystery«: Die Tuamotu-Maskenbiene ist mitnichten ausgestorben und erfreut sich sogar einer weitläufigen Verwandtschaft. Auch auf Fidschi und anderen Inseln zwischen Tuamotu und dem australischen Kontinent gibt es heute noch nah verwandte Maskenbienenarten.

Auf dem Gipfel des Tomanivi | Der mit 1324 Metern höchste Berg Fidschis liegt auf der Insel Viti Levu. Erst mit besonderen Netzen wurden die Insektenkundler fündig.

Aber alle leben sie so versteckt, dass sie bislang von der Forschung übersehen wurden – »trotz fast eines Jahrzehnts der Bienenforschung in Fidschi«, wundert sich der Erstautor der Studie, James Dorey von der Universität von Wollongong, in einer Mitteilung des Journals.

Dorey: »Die Vorfahren von Hylaeus tuamotuensis erreichten Französisch-Polynesien, indem sie von Insel zu Insel hüpften, über Fidschi und den südwestlichen Pazifik!« Der Tuamotu-Archipel gehört heute zu Französisch-Polynesien, wie auch dessen bekannteste Insel Tahiti.

In der Studie beschreibt das Autorenteam acht neue Hylaeus-Arten, die zwischen 2014 und 2019 im Pazifik entdeckt und mittels DNA-Barcoding und Morphologie als Verwandte der Tuamotu-Maskenbiene identifiziert wurden. Sechs der neu entdeckten Arten stammen aus dem Fidschi-Archipel, eine wurde auf Chuuk in den Föderierten Staaten von Mikronesien entdeckt. Und die neu entdeckte Goldgrüne Hylaeus stammt von Tahiti.

Übersehen wurden diese kleinen Bienen bislang, weil sie nicht wie andere Mitglieder ihrer Familie in Bodennähe herumschwirren, sondern in den Baumkronen. »Erst als wir sehr lange Netze nach Fidschi brachten und anfingen, von den Bäumen zu sammeln, fanden wir unsere geheimnisvollen kleinen Bienen«, sagt Dorey. Jetzt, da sie wüssten, wonach sie zu suchen hätten, stünden die Chancen gut, auch auf den hunderten anderen Inseln zwischen Fidschi und Französisch-Polynesien fündig zu werden – zum Beispiel auf Tonga, Samoa, den Cookinseln und Wallis und Futuna.

Die Ausbreitung der Maskenbienen erfolgte wohl durch schrittweises Inselhopping auf natürlichen Flößen. Die meisten Arten würden in Holz nisten, von dem gerade nach tropischen Wirbelstürmen eine Unmenge ins Meer gespült werde. Möglich sei auch, dass sie von starken Winden über den Ozean verweht wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dabei ausgerechnet auf einer der verstreuten Flecken festen Landes zu landen, ist aber noch geringer als bei einer Reise mittels Treibgut.

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