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News: Schicksalhaftes Gas

In die Schlagzeilen geriet Stickstoffmonoxid insbesondere als Umweltschadstoff und Verursacher des Sauren Regens. In hohen Konzentrationen eingeatmet entfaltet die hochreaktive Substanz auch im menschlichen Körper ihre schädliche Wirkung. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, denn vielen Tieren dient das Gas als unentbehrlicher Botenstoff: Unter seiner Regie pendelt sich nicht nur der Blutdruck auf ein gesundes Mittelmaß ein, sondern offenbar beeinflusst Stickstoffmonoxid auch entscheidend das Schicksal von Gehirnzellen.
Das Gas Stickstoffmonoxid (NO), das unter anderem bei Verbrennungsvorgängen entsteht, genießt keinen guten Ruf. Die Verbindung ist aufgrund eines ungepaarten Elektrons äußerst reaktionsfreudig und trägt entscheidend zur Entstehung des so genannten Sauren Regens sowie des Sommersmogs bei.

Um so überraschter waren Forscher, als sie vor einigen Jahren die große Bedeutung dieses kleinen Moleküls als Botenstoff im Körper entdeckten. Unter anderem stimmt es den Blutdruck auf einen vorgegebenen Sollwert ab, indem sich auf sein Kommando die Blutgefäß-umgebenden Muskeln entspannen und eine bessere Durchblutung der Adern ermöglichen. Außerdem spielt es offensichtlich auch eine Schlüsselrolle in der normalen Entwicklung eines Organismus: Es signalisiert den Zellen, ihren Teilungsprozess einzustellen und gewährleistet somit, dass sich die Grundbausteine zu Spezialisten weiterentwickeln.

Grigori Enikolopov und seine Kollege vom Cold Spring Harbor Laboratory untersuchten nun, wie sich zelluläres Stickstoffoxid auf die Gehirnentwicklung auswirkt. Die Forscher veränderten künstlich den Gehalt dieses Gases in den Gehirnen von Kaulquappen des Südafrikanischen Krallenfrosches (Xenopus laevis). Und tatsächlich beobachteten sie signifikante Veränderungen in der Größe der Gehirne und der Anzahl der jeweiligen Zellen: Bei herabgesetzter NO-Konzentration teilten sich die Zellen ausgiebig – ein Umstand, der sich letztendlich in größeren Gehirnen widerspiegelte. Erhöhten die Wissenschaftler hingegen den Gehalt an Stickstoffoxid, so kam das Teilungsgeschehen verfrüht zum Stillstand, und die daraus resultierenden Gehirne fielen ungewöhnlich klein aus.

Bei näherer Betrachtung entdeckten die Forscher sogar noch einen wichtigen Prozess, mit dem NO im Gehirn das Schicksal der Zellen steuert: Im "Mittelhirn" der Kaulquappen existiert ein bestimmter Bereich, in dem sich die Nervenzellen zunächst ungehemmt vermehren. Erst nach ihrer Wanderung zu den Seiten des Gehirns stoppt der Teilungsprozess, und die frühen Neuronen differenzieren sich weiter zu spezialisierten Zellen, die visuelle Signale der Netzhaut bearbeiten. In der Zellteilungszone selbst konnten die Forscher kein Stickstoffoxid nachweisen, doch sie wurden in der unmittelbaren Nachbarschaft fündig. In einer angrenzenden Zellschicht befand sich der Produktionsort des Gases – perfekt positioniert, um den passierenden Neuronen Signale zu übermitteln, in deren Folge sie ihre Vermehrung einstellen und sich spezialisieren.

Anhand weiterführender Studien an Mäusen will das Team um Enikolopov nun untersuchen, wie sich NO auf die Blutbildung auswirkt, bei dem sich die Stammzellen im Knochenmark zu roten und weißen Blutkörperchen weiterentwickeln. Da von der Taufliege bis zum Menschen viele Tiere mit ähnlichen Enzymen Stickstoffoxid freisetzen, handelt es sich vermutlich um ein allgemeingültiges Prinzip, das vielfältige Vorgänge steuert – von der Entstehung verschiedener Blutzelltypen bis hin zum kompexen Gehirnaufbau.

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