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News: Schlechte Zeiten

Schon bald nach der "Erfindung" der Photosynthese entstanden die ersten eukaryotischen Zellen - und entwickelten sich eine Milliarde Jahre lang nicht weiter. Vermutlich fehlte ihnen Nahrung.
Die ersten Spuren des Lebens auf der Erde reichen bis fast vier Milliarden Jahre zurück. Irgendwann in dieser Zeit – im Archaikum – entstanden die ersten Cyanobakterien und begannen durch ihre Photosynthese die Erdatmosphäre nach und nach mit Sauerstoff anzureichern. Im nachfolgenden Zeitalter, dem Proterozoikum, tauchten vor etwa zwei Milliarden Jahre die ersten eukaryotischen Zellen auf, die sich schließlich zu allen heutigen Pflanzen und Tiere weiterentwickeln sollten. Doch zunächst geschah eine Milliarde Jahre lang – nichts.

Erst vor 800 Millionen Jahren, als sich das Mesoproterozoikum seinem Ende zuneigte, fasste die Evolution der Eukaryota wieder Tritt, und nach den Algen tauchten schließlich auch die ersten tierischen Organismen auf. Warum diese lange Entwicklungspause?

Für Geologen blieb das Mesoproterozoikum, das sie gern als langweiligste Epoche der Erdgeschichte bezeichnen, lange ein Rätsel. Denn eigentlich müssten die Bedingungen für die Eukaryota ideal gewesen sein. Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre war zwar noch deutlich niedriger als heute, die Zeit völlig sauerstofffreier Ozeane sollten sie jedoch überstanden haben. Insbesondere das Verschwinden typischer eisenhaltiger Sedimentschichten – der banded iron formations – vor etwa 1800 Millionen Jahre wird als Hinweis für reichlich Sauerstoff im Meerwasser gedeutet.

Doch der Geochemiker Ariel Anbar von der University of Rochester und der Paläontologe Andrew Knoll von der Harvard University haben da ihre Zweifel. Sie griffen eine Idee auf, die der Geochemiker Donald Canfield von der University of Southern Denmark in Odense bereits 1998 hatte: Demnach war der Großteil des mesoproterozoischen Meeres nicht oxisch, sondern sulfidisch.

Gestützt auf Isotopenuntersuchungen mariner Sedimente entwickelten die Wissenschaftler folgendes Szenario: Die sauerstoffhaltige Atmosphäre verwitterte auf der Landoberfläche schwefelhaltige Gesteine, sodass immer mehr Schwefelverbindungen in die Meere gelangten. Die Ozeane waren jedoch nur dort oxisch, wo Cyanobakterien fleißig Photosynthese betreiben konnten: in den obersten Wasserschichten. Das Tiefenwasser blieb sauerstofffrei, sodass hier der Schwefel hauptsächlich als Schwefelwasserstoff, und nicht wie heute als Sulfat vorlag. Die Bedingungen im mesoproterozoischem Ozean ähnelten damit den Verhältnissen, wie wir sie heute vom Schwarzen Meer kennen.

Schwefelwasserstoff reagierte wiederum mit Eisen zu schwerlöslichen Eisensulfiden, sodass dem Meerwasser Eisen entzogen wurde. Auch andere Metalle, wie Molybdän, Kupfer, Zink, Vanadium und Cadmium teilten dieses Schicksal – mit weitreichenden Konsequenzen. Denn gerade Eisen und Molybdän sind wichtige Bestandteile pflanzlicher Enzyme, die sie für die Aufnahme von Nitrat benötigen. Eisen- und molybdänarmes Meerwasser führte damit zu einem Stickstoffmangel für die Eukaryoten – sie hungerten.

Damit hatten die Eukaryota gegenüber den Cyanobakterien schlechte Karten. Denn gerade mehrzellige Algen sind auf reichlich Nitrat angewiesen, während Cyanobakterien ihren Stickstoffbedarf auch über den atmosphärischen Stickstoff decken können. Erst als zum Ende des Mesoproterozoikums durch zunehmende Gebirgsbildung und der damit verbundenen Erosion immer mehr Metalle ins Meer gespült wurden, verbesserten sich die Bedingungen für die Eukaryota: Nach einer Hungerkur, die eine Milliarde Jahre andauerte, konnten sie sich endlich frei entfalten.

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