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Planetensysteme: Spuren einer kosmischen Katastrophe

Astronomen haben um einen sonnenähnlichen Stern ungewöhnlich nahe ungewöhnlich viel Staub entdeckt. Die Forscher vermuten, dass dort vor nicht allzu langer Zeit zwei planetengroße Körper zusammengeprallt sind.
Planetenkollision
"Es ist, als würden wir unsere eigene Sonne in der Vergangenheit sehen", sagt Inseok Song, Astronom am Gemini-Observatorium auf Hawaii über BD+20 307. Der sonnenähnliche Stern ist ungefähr 300 Lichtjahre von der Erde entfernt und liegt im Sternbild Widder. Er fiel schon 1983 auf, als ihn der Satellit "Iras" beobachtete und einen außerordentlich hohen Infrarot-Anteil im stellaren Strahlungsspektrum registrierte. Solch ein Infrarotüberschuss deutet auf die Anwesenheit einer warmen Staubscheibe hin, die sich um das Zentralgestirn herum erstreckt und von ihm aufgeheizt wird.

"Diese Beobachtungen sind wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen"
Inseok Song
Ausgehend von den früheren Untersuchungen, nahmen Song und seine Kollegen Benjamin Zuckerman, Alycia Weinberger und Eric Becklin den Stern nun noch einmal genauer unter die Lupe. Mit Hilfe der Keck- und Gemini-Teleskope auf Hawaii zeichneten sie neue Infrarotspektren des Himmelskörpers auf. Es stellte sich heraus, dass die dortige Staubscheibe zum großen Teil aus silikathaltigen Körnchen besteht, deren Durchmesser nicht viel größer sein kann als drei Tausendstel Millimeter. Die Scheibe erstreckt sich in enger Nachbarschaft des Sterns und schattet etwa ein Fünfundzwanzigstel seiner Leuchtkraft ab. Dies lässt auf beträchtliche Staubmengen schließen. "Etwas Vergleichbares wurde bisher noch nie beobachtet", erklären die Forscher.

Nun ist Staub in der Umgebung von Gestirnen an sich nichts Ungewöhnliches. Besonders neugeborene Sterne sind in der Regel von mächtigen, den so genannten protoplanetaren Staubscheiben umgeben, aus denen sich später Planeten formieren. Um herauszufinden, ob BD+20 307 ein solcher Kandidat ist, versuchten Song und Kollegen sein Alter zu ermitteln. Dazu bestimmten sie den Lithium-Gehalt in seiner Fotosphäre, untersuchten, wie er sich bewegt, und zogen Messungen des Röntgensatelliten Rosat heran. Alle verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass BD+203 07 geschätzte 300 Millionen Jahre auf dem Buckel hat. Mit anderen Worten: Er ist dem stellaren Säuglingsalter längst entwachsen. Mithin sollte er auch nicht mehr von einer protoplanetaren Staubscheibe umgeben sein, denn diese Scheiben verschwinden in der Regel nach wenigen Millionen Jahren, hauptsächlich durch Verdichtung in große Planeten.

"Astronomen haben nur wenige Systeme wie dieses bisher gesehen, nur eine kleine Handvoll"
Benjamin Zuckerman
Bleibt die Frage, woher der viele Staub kommt. Die Forscher diskutieren drei Möglichkeiten: Entweder er ist von der protoplanetaren Scheibe übrig geblieben, wurde über die 300 Millionen Jahre hinweg kontinuierlich durch Asteroiden-Kollisionen nachgeliefert – oder entstand vor kurzer Zeit im Zuge eines gigantischen Zusammenstoßes zwischen zwei riesigen Himmelskörpern. Und für Letztes gibt es gute Hinweise: Da sich die Staubteilchen offenbar in einer typischen Distanz von einer astronomischen Einheit vom Zentralstern (eine astronomische Einheit entspricht der Entfernung Erde-Sonne) befinden, können sie noch nicht sehr alt sein, denn in dieser Entfernung werden die Teilchen entweder binnen weniger Jahrhunderte vom Strahlungsdruck fortgeblasen oder stürzen in den Zentralstern stürzen.

Das bedeutet, die feinen Körnchen der Staubscheibe im BD+20 307-System müssen einem nicht mehr als 1000 Jahre zurückliegenden Ereignis entstammen. Song und Kollegen vermuten eine ähnliche Katastrophe, wie sich in unserem Sonnensystem zu dessen Frühzeit zugetragen hat. Damals prallte die junge Erde mit einem etwa marsgroßen Himmelskörper zusammen. Aus der dabei entstandenen Unmenge von Trümmern formte sich später der Mond. Sollte sich im BD+20 307-System, eine astronomische Einheit vom Zentralgestirn entfernt, etwas Vergleichbares zugetragen haben, so bedeutete dies, dass sich dort Planeten auf erdähnlichen Bahnen bewegen könnten. "Ich schätze", sagt Zuckerman, "dass dieser Stern künftig durch und durch erforscht werden wird."

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