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Sternenkinder: Geburt als Abschied

Wenn ein Baby noch vor der Geburt stirbt, leiden seine Eltern oft im Stillen. Das erhöht ihr Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Doch es gibt Wege, den Verlust zu verarbeiten.
Kleiner gestrickter wollweißer Babybär mit traurigen Knopfaugen
Manchmal endet eine Schwangerschaft nicht wie erhofft. Dann bleibt das Babybett am Ende leer.

Ayla und Chris* hatten eigentlich nicht geplant, Eltern zu werden. Aber die Freude war groß, als sie erfuhren, sie würden ein Kind bekommen. In den Wochen nach Aylas positivem Schwangerschaftstest wuchs das Paar allmählich in die Elternrolle hinein, richtete sein Leben neu aus, machte Pläne und ging zu den notwendigen Vorsorgeuntersuchungen. Zunächst sahen die Werte und Ultraschallbilder allesamt gut aus – bis zu dem Kontrolltermin, der alles veränderte.

Ein Arzt teilte den jungen Eltern mit, dass ihr Kind mehrere schwerere Entwicklungsstörungen habe und deshalb nicht lebend zur Welt kommen werde. »Die Nachricht traf mich wie eine Faust ins Gesicht«, erzählte mir Chris einige Wochen später im Krankenzimmer, als ich das Paar in der Berliner Charité kennen lernte. Ayla und er waren der Empfehlung der Ärzte gefolgt und hatten die Schwangerschaft beenden lassen. Einen Tag vor Heiligabend kam ihr Sohn Eduardo in der 16. Schwangerschaftswoche tot zur Welt. Er ruhte auf der Brust seiner Mama, lag wie ein verletzter kleiner Vogel in den zu einer Mulde geformten Händen seines Papas, eingewickelt in ein selbst gehäkeltes blaues Tuch, das ein Verein dem Krankenhaus gespendet hatte. Eduardo war nun ein Sternenkind – und ich war als Sternenkindfotografin gekommen, um Abschiedsbilder von ihm zu machen. Bilder, an denen sich die frischgebackenen und direkt verwaisten Eltern festhalten konnten, die ihnen bei ihrer Trauer helfen würden und mit denen sie ihren Sohn später einmal ihrer Familie vorstellen würden, wenn sie so weit waren.

Den meisten Menschen bleibt ein Schicksal wie das von Eduardos Eltern erspart. Im Jahr 2020 kamen in Deutschland 773 144 Kinder lebendig zur Welt, 3162 wurden in den offiziellen Statistiken als Totgeborene festgehalten. Zu Letzteren zählen Föten, die nach der 23. Schwangerschaftswoche sterben, sowie jene, die schon mehr als 500 Gramm wiegen. Kommt das Baby früher oder mit geringerem Gewicht tot zur Welt, spricht man von einer Fehlgeburt. Diese sind in den offiziellen Bevölkerungsstatistiken nicht aufgeführt, es gibt jedoch auch für sie Zahlen: Etwa jede sechste Schwangerschaft endet mit einer Fehlgeburt, weltweit sind das 23 Millionen Fälle pro Jahr.

Für Betroffene sind solche Erfahrungen meist ein einschneidendes Erlebnis. In der Öffentlichkeit sowie im Familien- und Freundeskreis wird allerdings kaum über Tot- und Fehlgeburten gesprochen. Wenn man bei älteren Verwandten gezielt nachfragt, erfährt man nicht selten, dass es Cousins und Cousinen oder gar Geschwister gab, von denen man noch nie gehört hatte. Früher war es üblich, solche Verluste zu verschweigen. Nach der Geburt wurde den Eltern das verstorbene Kind meistens nicht einmal gezeigt, der kleine Körper wurde »der Entsorgung zugeführt« – ein hartes Schicksal für Betroffene. Ich kenne Frauen, die vor 50 oder 60 Jahren eine Totgeburt hatten und bis heute nicht verwinden können, ihr Kind nie gesehen zu haben.

Das hat sich mittlerweile geändert. Immer stärker verbreitet sich auch in der medizinischen Fachwelt das Bewusstsein dafür, dass Tot- und Fehlgeburten nicht nur fehlgeschlagene Schwangerschaften sind, sondern dass es dabei um ein verstorbenes Kind geht. Kliniken stellen in diesen Fällen Seelsorger und Psychologen bereit, die betroffene Eltern vor und nach der Geburt betreuen. Sternenkindfotografinnen wie ich werden kontaktiert, um Erinnerungsbilder von den Kleinen zu machen. Oft halten die Kliniken hierfür hübsche Tücher und Körbchen bereit. Den Eltern wird die Möglichkeit gegeben, sich ganz in Ruhe von ihrem Kind zu verabschieden; in vielen Krankenhäusern stehen dafür spezielle Ruheräume zur Verfügung. Viele Kliniken arbeiten mit Vereinen oder Beratungsstellen zusammen, die Auskunft zu Selbsthilfegruppen, Therapiemöglichkeiten und Bestattungen geben können.

Auch das private Umfeld ist wichtig

Obwohl sich schon viel verbessert hat, sind die Ressourcen sehr begrenzt. Es gibt nicht immer genug seelsorgerisches Personal, um alle Fälle mit der benötigten Aufmerksamkeit zu betreuen, die sie verdienen. Die Suche nach Therapieplätzen bei Psychologinnen oder Psychologen, die Eltern bei der Trauerarbeit begleiten können, gestaltet sich in Deutschland ebenfalls schwierig. Umso wichtiger ist es, dass betroffene Familien die Möglichkeit haben, im privaten und beruflichen Umfeld ebenfalls Unterstützung zu suchen. Doch selbst das ist nicht leicht, denn in der Öffentlichkeit ist das Thema weiterhin tabuisiert. So ist es noch immer üblich, mindestens zwölf Wochen zu warten, bevor man von einer Schwangerschaft erzählt. Vorher ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt nämlich vergleichsweise hoch: Bei Schwangeren, die jünger als 35 sind, liegt das Risiko bei bis zu 15 Prozent. Bei jenen im Alter von 35 bis 39 Jahren steigt es auf ungefähr 25 Prozent und ab 40 beträgt es rund 50 Prozent. Wenn die werdenden Eltern vorab niemanden eingeweiht haben, trauern sie nach einer Fehlgeburt im ersten Trimester häufig im Stillen und allein um ihr Baby. Das erweckt bei vielen den Eindruck, schnell mit dem Ereignis abschließen und wieder »funktionieren« zu müssen. Deshalb verstecken Betroffene ihre Gefühle mitunter, was sie zusätzlich zur Trauer seelisch unter Druck setzt. Beides erhöht das Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln.

Den Zusammenhang zwischen psychischen Beschwerden und einer Totgeburt untersuchte 2021 ein Forschungsteam um Cèline Lossius Westby vom Zentrum für Krisenpsychologie der norwegischen Universität Bergen. Die Fachleute werteten dazu 13 zwischen 1995 und 2019 durchgeführte Studien aus. Insgesamt deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass Eltern nach einer Fehl- oder Totgeburt vermehrt eine Angststörung, Depression oder Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Laut der Analyse waren zudem die Symptome dieser Erkrankungen kurz nach dem traumatischen Erlebnis stärker ausgeprägt. Im Lauf der Zeit nahm ihre Intensität in der Regel ab.

Eine Totgeburt kann psychologisch dieselben Folgen haben wie der Verlust eines älteren Kindes

Es gibt Fälle, in denen Betroffene langfristig unter psychischen Beschwerden leiden. Die Folgen des Erlebten können durchaus bis in die nächste Schwangerschaft und darüber hinaus spürbar sein. Das belegt etwa die 2018 veröffentlichte Studie einer Arbeitsgruppe um Ida Kathrine Gravensteen vom Institut für klinische Medizin der Universität Oslo. An ihr hatten 174 Frauen teilgenommen, die nach einer Totgeburt erneut schwanger geworden waren. Im letzten Trimester der Folgeschwangerschaft erkrankten 22,5 Prozent von ihnen an einer Angststörung und 19,7 Prozent an einer Depression. Dem gegenüber standen 362 Frauen, die zuvor ein Kind lebend geboren hatten. 4,4 Prozent von ihnen entwickelten eine Angststörung und 10,3 Prozent eine Depression. Etwa jede achte Frau, deren Baby verstorben war, litt an beiden psychischen Störungen, in der Kontrollgruppe war es nur eine von 28.

Während Familien, die ein Kind an eine Krankheit wie Krebs verlieren, oft stark von ihrem Umfeld unterstützt werden, berichten Eltern, deren Baby schon vor der Geburt gestorben ist, eher von Isolation und Einsamkeit. »Betroffene von Fehlgeburten haben oft das Gefühl, mit ihnen stimme etwas nicht, weil es so schwierig für sie ist, den Tod des Kindes zu überwinden«, sagt die Psychotherapeutin Anja Gutmann, die sich auf die Betreuung von Eltern mit Fehl- oder Totgeburterfahrung spezialisiert hat. »Je früher der Verlust im Schwangerschaftsprozess passiert, umso weniger wird dieser Trauer- und Unterstützungsbedarf gesellschaftlich zugestanden.«

Schmerz kennt keine Schwangerschaftswoche

Dabei haben mehrere Untersuchungen belegt, dass eine Fehl- oder Totgeburt psychologisch dieselben Auswirkungen haben kann wie der Verlust eines älteren Kindes. 2012 führte ein Team um Pernilla Avelin am Karolinska-Institut in Stockholm eine Studie mit 55 Elternteilen – 33 Frauen und 22 Männern – durch, deren Kind kurz zuvor tot geboren worden war. Die Wissenschaftlerinnen befragten sie unmittelbar nach dem Verlust und mehrmals im Lauf der folgenden Jahre zu ihrer psychischen Situation, dem Fortschritt der Trauerarbeit und der Stabilität der Beziehung. Es zeigte sich, dass Eltern schon in frühen Schwangerschaftsstadien eng an ihr Kind gebunden sind und nach dessen Tod stark trauern.

Die Schwangerschaftswoche sagte eher wenig darüber aus, wie groß das Verlustgefühl sein würde. Wichtiger war die Frage: Wie weit hat sich eine Person schon mit der Elternrolle identifiziert? Das kann nach der 4. Schwangerschaftswoche geschehen oder nach der 30. Vor allem Paare, die schon länger versuchen, ein Kind zu bekommen, nehmen die Elternrolle rasch an, erzählt Anja Gutmann. »Ab dem Moment, wo diese Identifikation stattgefunden hat, geht es nicht um etwas Abstraktes wie eine fehlgeschlagene Schwangerschaft, sondern um Eltern, die ihr Kind verloren haben«, fügt sie hinzu.

Ayla und Chris hatten zum Zeitpunkt der Diagnose noch niemandem von ihrer Schwangerschaft erzählt. Als sie für die Geburt im Krankenhaus waren, gaben sie vor, im Urlaub und deshalb zwei Wochen schlecht erreichbar zu sein. Die Vorstellung, ihrer Familie von einem toten Kind zu berichten, dessen Existenz ihr noch gar nicht bewusst war, überforderte sie. Und sie stellten sich eine Frage, vor der viele betroffene Eltern stehen: Wie trauert man um ein Kind, das niemand kennen gelernt hat?

Zur Vereinsamung verwaister Eltern trägt bei, dass Freunde und Bekannte meist nicht wissen, wie sie den Trauernden begegnen sollen. Viele haben Angst, etwas Falsches zu sagen oder die Situation zu verschlimmern. Deshalb wahren sie eher Distanz und warten darauf, dass die Betroffenen auf sie zukommen – und lassen sie so mit ihrem Kummer allein. Dabei haben die Eltern in der Regel das Bedürfnis, über das Erlebte zu sprechen, selbst wenn sie anfangs ihre Gefühle nicht in Worte fassen können.

In der Trauerberatung gibt es viele Strategien, wie man Betroffene und ihre Angehörigen unterstützen kann. Die Wichtigste ist ziemlich simpel, nämlich ihnen Gesprächsangebote machen. Wenn man ein Paar im Freundeskreis hat, das ein Baby verloren hat, kann man etwa fragen: Möchtet ihr von eurem Kind erzählen? Habt ihr Fotos? Wollt ihr reden, oder soll ich euch erst einmal in Ruhe lassen? Was braucht ihr? Frisch verwaiste Eltern berichten, ihnen helfe besonders, wenn ihr Schmerz gesehen und akzeptiert wird. Dabei ist es essenziell, dass kein unnötiger Druck aufgebaut wird, so dass sie nicht das Gefühl bekommen, sich mit ihrer Trauer beeilen zu müssen.

Abschied nehmen hilft beim Trauern

Rituale können dazu beitragen, einen bewussten Verarbeitungsprozess in Gang zu setzen. Diese müssen nicht religiös oder spirituell sein. Die Eltern können zum Beispiel eine als kleiner Sarg dienende Holzkiste bemalen, in der das Kind beigesetzt wird. Für die meisten Hinterbliebenen ist das Grab ihres Sternenkindes ein wichtiger Trauerort, unabhängig davon, ob es ein einzelnes oder ein Gemeinschaftsgrab ist. Zudem richten betroffene Familien gern eine kleine Gedenkecke bei sich zu Hause ein. Dort arrangieren sie etwa Fotografien gemeinsam mit Blumen und kleinen Erinnerungsstücken, um das verstorbene Kind im Familienalltag präsent zu halten. Manchen hilft es, sich ein ganz persönliches Ritual zum Abschiednehmen zu überlegen. Einmal habe ich eine Familie begleitet, die eine kleine Feier am errechneten Geburtstermin abgehalten hat. Die verwaisten Eltern sind mit ihren Freunden und Angehörigen wandern gegangen, oben auf dem Gipfel haben sie mit guten Wünschen beschriebene Steine für das verstorbene Kind abgelegt. Andere Familien pflanzen einen Baum für ihr Baby, manche gestalten eine kleine Schatzkiste mit Erinnerungsstücken wie Ultraschallbildern oder legen sich ein Schmuckstück zu, das sie an ihr Kind erinnert und das sie immer bei sich tragen können. Die Möglichkeiten für hilfreiche Rituale sind ganz individuell, doch haben sie alle eine Funktion: die Trauer nicht zu verdrängen, sondern sie bewusst zuzulassen. Nur so können Betroffene das Geschehene gesund und nachhaltig verarbeiten.

Als Paar zu trauern, stellt für viele eine besondere Herausforderung dar, da die beiden Partner häufig unterschiedliche Bewältigungsstrategien haben. Vor allem Männer meinen nicht selten, sie müssten für die Frau stark sein, dürften keine Gefühle zeigen und hätten sofort wieder zu funktionieren. Sie unterdrücken eher ihre eigenen Emotionen und ihre Trauer, was sie einerseits krank machen kann und andererseits auch zu Belastungen in der Paarbeziehung führt. Mitunter entstehen dadurch Konflikte, weil die Partnerin das Verhalten so liest, als würde der Tod des Kindes den Mann nicht berühren.

Die Eltern verarbeiten zudem den Verlust nicht im selben Tempo. Anja Gutmann erzählt, dass Mütter nach der Geburt erst all das bewältigen müssen, was ihnen im Kreißsaal widerfahren ist, während bei ihrem Partner schon der eigentliche Trauerprozess anfängt. Er ist deshalb bereits mittendrin, wenn sie gerade erst zu trauern beginnt – und das kann Probleme mit sich bringen. »Wenn das Paar im Verarbeitungsprozess an unterschiedlichen Stellen steht, führt das mitunter zu Komplikationen oder Missverständnissen in der Beziehung«, erklärt die Psychotherapeutin.

Die Strategien, mit dem Erlebten umzugehen, unterscheiden sich ebenfalls zwischen den Geschlechtern. Generell würden Männer sich in ihrer Trauerbewältigung leichter tun, wenn sie sich ablenken, so Gutmann. Sie treffen sich deshalb bald wieder mit Freunden und stürzen sich in die Arbeit. Das Alltägliche gibt ihnen eine Struktur und den Halt, den sie für ihren Trauerprozess brauchen. Anders bei den Frauen. »Meine Klientinnen wollen sich eher erst einmal in einem ganz kleinen Rahmen bewegen.« Sie bräuchten viel Ruhe für sich und den Aufarbeitungsprozess.

Diese Unterschiede finden sich ebenso in Studien wieder. Die Untersuchung von Pernilla Avelin und ihren Kolleginnen offenbarte etwa, dass Mütter gern aktiv über die Geschehnisse sprechen wollen und den Austausch mit ihren Partnern suchen, während betroffene Väter dazu tendieren, das Erlebte still zu verarbeiten. Der Großteil der befragten Eltern gab an, das Erlebnis hätte sie zusammengeschweißt, selbst wenn der Anfang schwierig war. Die meisten Paare zeigten Verständnis für den Trauerstil des anderen, nachdem sie darüber gesprochen hatten. Auch Anja Gutmann gibt fast allen Paaren eine günstige Prognose. Wichtig sei es, sich auszusprechen, berichtet sie. »Die Eltern müssen miteinander reden und dem anderen jeweils die eigene Position erklären. Wenn die Partnerin oder der Partner einen versteht, tut es nichts mehr zur Sache, an welchem Punkt man jeweils ist. Dann darf jeder so verarbeiten, wie er möchte.«

Die Beziehung leidet mit

Als ich mich ein paar Monate nach Eduardos Geburt mit seinen Eltern in einem Berliner Café traf, um ihnen die Bilder ihres kleinen Jungen persönlich zu überreichen, sprachen wir unter anderem über ihre Erfahrungen seit der Geburt. Sie erzählten sie mir, wie überrascht sie gewesen waren, dass dieses Ereignis ihre Beziehung so unter Druck gesetzt hatte. Chris war es wichtig gewesen, für Ayla stark zu sein und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn die Erlebnisse belasteten. Er versuchte, sich den klassischen Rollenvorstellungen des männlichen Beschützers zu fügen und sich und seine Gefühle zurückzunehmen. Er dachte dabei an seine Partnerin, die ihr Kind tot zur Welt bringen musste, und war der Meinung, er als Vater solle sich nicht so anstellen.

Ayla las sein Verhalten allerdings erst als Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod ihres gemeinsamen Kindes. Es kam zu Konflikten. Es belastete sie, dass Chris körperliche Nähe suchte, während das für sie definitiv noch keine Option war. »Bei Frauen dauert es oft länger als bei Männern, bis Sex wieder gut und lustvoll möglich ist«, so Anja Gutmann. »Dass es zu Fehlinterpretationen kommt, wenn Männer früher wieder Sex möchten – auch um emotionale Nähe herzustellen –, ist naheliegend«, so die Therapeutin. Das sei jedoch nichts, das man nicht in den Griff kriegen könne. Wichtig sei es, ehrlich über die eigenen Gefühle zu sprechen und dem Partner Empathie entgegenzubringen.

Um das gegenseitige Verständnis zu stärken, nutzt Gutmann eine einfache Übung in ihrem Praxisalltag: »Ein Partner sagt etwas, die andere Person darf erst antworten, wenn sie wortgetreu wiederholt hat, was der andere gesagt hat.« Erst wenn Letzterer sagt: Ja, du hast mich jetzt verstanden, darf der andere darauf antworten. »Damit kann man jeden Konflikt besprechen«, so die Therapeutin.

Auch Eduardos Eltern haben professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Sie wandten sich an eine psychologische Beratungsstelle, um das Trauma gemeinsam aufzuarbeiten und das Verhalten des Partners besser nachvollziehen zu können. Die durch eine Therapeutin geleiteten Gespräche haben die beiden wieder enger zusammengeschweißt: »Das hat unsere Beziehung gerettet«, erzählt mir Ayla später.

* Die Namen der Protagonisten wurde zum Schutz ihrer Privatsphäre geändert. Sie sind der Redaktion bekannt.

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  • Quellen

Avelin, P. et al.: Parental grief and relationships after the loss of a stillborn baby. Midwifery 29, 2013

Gravensteen, I. K. et al.: Anxiety, depression and relationship satisfaction in the pregnancy following stillbirth and after the birth of a live-born baby: A prospective study. BMC Pregnancy and Childbirth 18, 2018

Westby, C. L. et al.: Depression, anxiety, PTSD, and OCD after stillbirth: A systematic review. BMC Pregnancy and Childbirth 21, 2021

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