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Treibhausgas: Chinas illegale Emissionen sorgten für Unmut auf Ozongipfel

Das starke Treibhausgas HFC-23 wird bei der Herstellung eines Kältemittels für Klimaanlagen freigesetzt und ist weltweit verboten. Trotzdem wird es in einigen Ländern noch immer verwendet.
Ein Windrad steht neben einem Kohlekraftwerk
Seit die Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW beziehungsweise FKW) im Zuge des Montrealer Protokolls 1987 verboten wurde, hat Lachgas (Distickstoffmonoxid) deren Rolle als bedeutendste Ursache des Ozonabbaus übernommen. Die Stoffe dienen als Katalysator für die Reaktion von Ozon zu gewöhnlichem Sauerstoff (Symbolbild).

Die Bemühungen, die Emissionen eines besonders starken Treibhausgases einzudämmen, sind möglicherweise unzureichend. Fluoroform (CHF3 Trifluoromethan, auch HFC-23) fällt häufig als Nebenprodukt bei der Herstellung von Kältemitteln an, und es scheint, dass Ostchina einer der Hauptverursacher ist. Unmut darüber stand im Fokus des 35. Meeting of the Parties (MOP), für das Vertragsstaaten, die das Wiener Abkommen von 1985 und das Montrealer Protokoll von 1987 unterzeichnet haben, Ende Oktober in Nairobi zusammenkamen. Bei dem Treffen beraten sich die Unterzeichner der Abkommen über Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht. Der globale ›Ozongipfel‹ findet jährlich an wechselnden Orten statt.

Trifluoromethan (CHF3) erwärmt die Erde etwa 14 700-mal so stark wie Kohlenstoffdioxid und ist seit Langem Gegenstand nationaler und internationaler Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels. Diese Bestrebungen erhielten vor fast einem Jahrzehnt neuen Auftrieb, als China und Indien – die weltweit größten Produzenten dieser Chemikalie – sich bereit erklärten, ihre Emissionen zu verringern. Neue Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass die Emissionen in den Folgejahren weiter angestiegen sind, und eine Analyse der Daten von Luftüberwachungsstationen deutet darauf hin, dass Fabriken im Osten Chinas für fast die Hälfte der Gesamtemissionen von HFC-23 verantwortlich sein dürften.

»Die Wissenschaft spielt bei der Bewertung der Einhaltung des Abkommens eine wichtige Rolle«Megan Lickley, Klimawissenschaftlerin

Die illegalen Emissionen sind eine von mehreren Quellen der Luftverschmutzung, die auf der jüngsten Sitzung des Montrealer Protokolls diskutiert wurden. Das 1987 unterzeichnete Abkommen gilt allgemein als die wirksamste internationale Vereinbarung zum Umweltschutz in der Geschichte, da es die Zerstörung der Ozonschicht aufgehalten und gleichzeitig die globale Erwärmung verlangsamt hat. Forschende haben dabei oft eine wichtige Rolle gespielt, indem sie die Atmosphäre nach Chemikalien wie ozonschädigenden Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) absuchten, deren Verbot die Regierungen vereinbart haben. »Die Wissenschaft spielt bei der Bewertung der Einhaltung des Abkommens eine wichtige Rolle«, sagt Megan Lickley, Klimawissenschaftlerin an der Georgetown University in Washington, D.C.

Illegale Emissionen: Spur führt nach Ostchina

HFC-23, das auch in der Industrie verwendet wird, hat eine kontroverse Geschichte. Im Jahr 2007 schlugen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wegen Fluoroform-Transaktionen Alarm, die aus einem Programm der Vereinten Nationen stammten. Es ermöglichte wohlhabenden Ländern, CO2-Gutschriften von ärmeren Ländern abzukaufen. Die Zerstörung der Chemikalie war eine einfache Quelle für Kohlenstoffgutschriften. Zudem war es für Fabriken in einkommensschwächeren Ländern enorm profitabel. Die Befürchtung war jedoch, dass einige Werke ihre Fluoroform-Produktion erhöhten, um mehr Emissionsgutschriften zu verkaufen.

Die großen HFC-23-Hersteller erklärten sich schließlich bereit, die Emissionen der Chemikalie einseitig einzustellen. Im Jahr 2020 meldeten Atmosphärenforscher jedoch Nachweise für einen Anstieg der Emissionen des Treibhausgases, der dem erwarteten Rückgang von 87 Prozent zwischen 2014 und 2017 zuwiderlief. Ein zweites Team legte im August 2023 mit einer detaillierteren Analyse von Luftproben nach, die auf einer Insel vor der Südspitze Südkoreas im Windschatten Chinas gesammelt wurden. Sie bestätigten den Anstieg und identifizierten Ostchina als Quelle für fast die Hälfte der Trifluoromethan-Emissionen, die zwischen 2015 und 2019 in der Atmosphäre gefunden wurden. Dies steht im Widerspruch zu der von China behaupteten Reduktion der Emissionen um 99 Prozent.

Insgesamt deutet die Analyse darauf hin, dass sich der Trifluoromethan-Ausstoß in China von etwa 5000 Tonnen im Jahr 2008 auf rund 9500 Tonnen im Jahr 2019 fast verdoppelt hat, wobei die Emissionen zu diesem Zeitpunkt nicht unter das Montrealer Protokoll fielen. Im Jahr 2016 wurde es geändert: Die Regierungen stimmten zu, Fluoroform »im Rahmen des Möglichen« zu vernichten, allerdings erst ab 2020.

Die Überwachungsstationen, die Forschende nutzen, um globale Trends bei Spurengasen wie Trifluoromethan zu verfolgen, sind zu spärlich und zu weit voneinander entfernt, um genau zu bestimmen, woher die verbleibenden Emissionen der Chemikalie stammen. Ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington, D. C., lehnte es ab, Fragen zu den Trends der Fluoroform-Emissionen zu beantworten. Das chinesische Ministerium für Ökologie und Umwelt war für einen Kommentar nicht zu erreichen.

In Anbetracht der Beweislage »kann es sein, dass China ein Problem hat«, sagt Durwood Zaelke, Präsident des Institute for Governance and Sustainable Development, einer Interessengruppe mit Sitz in Washington, D. C. Zaelke ergänzt jedoch, dass Wissenschaftler in der Vergangenheit ähnliche Beweise vorgebracht haben und die Regierungen schließlich im Rahmen des Abkommens Maßnahmen ergriffen haben. »Die Geschichte legt nahe, dass [die Vertragsstaaten] sich der Sache weiter annehmen werden.«

Kleinere Fische

Der Fall von HFC-23 weist Parallelen zu dem von Trichlorfluormethan oder FCKW-11 auf, einer Ozon zerstörenden Chemikalie, die in Sprühschaumisolierungen verwendet wurde, bevor man sie 2010 verbot. Ein Team unter Leitung von Forschenden der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) entdeckte 2018 eine mysteriöse Emissionsspitze, rund ein Jahr danach wurden diese Emissionen zu Fabriken im Nordosten Chinas zurückverfolgt. Später bestätigten die Wissenschaftler, dass die FCKW-11-Emissionen in den Jahren 2019 und 2020 stark zurückgingen, wodurch sich die Auswirkungen der Chemikalie auf das stratosphärische Ozon begrenzen ließen.

»Es war klar, dass es eine große Reaktion [auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse] gab, und die Emissionen gingen zurück«, sagt Steve Montzka, Atmosphärenchemiker bei der NOAA in Boulder, Colorado, der das Problem entdeckte.

Die Länder hatten im Rahmen des Treffens in der letzten Oktoberwoche 2023 zum ersten Mal Gelegenheit, etwas gegen die kürzlich veröffentlichte anhaltende Trifluoromethan-Emissionen zu unternehmen. Vor Ort gab es Diskussionen über neue Nachweise laufender Emissionen mehrerer Fluorkohlenwasserstoffe – darunter einige, die wohl als Bausteine oder Ausgangsstoffe für andere Chemikalien hergestellt werden und daher von den Kontrollen im Rahmen des Montrealer Protokolls nach jetzigem Stand noch ausgenommen sind.

Notwendigkeit für Überwachung der Ausgangsstoffe

Lickley sagt, dass die Ausnahmeregelung ursprünglich in der Annahme geschaffen wurde, dass sie nicht zu erhöhten Emissionen führen würde, da die meisten Ausgangsstoffe bei der Synthese neuer Chemikalien verbraucht und nicht in die Umwelt freigesetzt würden. Die neuesten Erkenntnisse über FCKW deuten jedoch darauf hin, dass sich einige dieser Stoffe bereits in der Atmosphäre anreichern. »Dies unterstreicht die Notwendigkeit für die Vertragsparteien des Montrealer Protokolls, die Kontrollen der Ausgangsstoffe zu verschärfen«, sagt sie.

Für Montzka kann die derzeitige Konzentration auf diese geringeren Restemissionen von HFKW und FCKW als Zeichen für einen allgemeinen Erfolg gewertet werden. Die im Rahmen des Montrealer Protokolls ergriffenen Maßnahmen haben bereits zu einer Stabilisierung der Ozonschicht geführt, indem der Großteil der Fluorkohlenwasserstoffe schrittweise aus dem Verkehr gezogen wurde. Die 2016 beschlossene Änderung zur Begrenzung der Emissionen könnte allein bis zum Jahr 2100 eine Erderwärmung von bis zu 0,5 Grad Celsius verhindern, wie aus einer wissenschaftlichen Bewertung der Weltorganisation für Meteorologie und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2022 hervorgeht. »Wir haben alle großen Fische aus dem Teich geholt, und jetzt schwimmen da noch ein paar kleine Fische herum«, sagt er. Die kleinen Fische zu fangen, fügt er hinzu, »wird noch einiges an Arbeit erfordern«.

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