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Ukrainische Kliniken : Antibiotikaresistenz in erschreckendem Ausmaß entdeckt

Überlastete Krankenhäuser und Materialmangel: Eine »alarmierend hohe Zahl von Proben« aus der Ukraine enthielt Bakterien, die gegen alle gängigen Antibiotika resistent waren.
Mikrobiologische Proben in der Petrischale
Typische Krankenhauskeime sind in der Ukraine offenbar besonders resistent gegen gängige Antibiotika. Das zeigt eine Analyse von Proben aus drei Kliniken des Landes.

Bei Stichproben in drei ukrainischen Krankenhäusern sind schwedische Fachleute auf eine Vielzahl multiresistenter Erreger gestoßen. Das Ausmaß des Problems übersteige »alles, was wir bisher gesehen haben«, sagt der Leiter der Studie, Kristian Riesbeck, in einer Pressemitteilung der Universität Lund. »Ich habe nie zuvor Bakterien gesehen, die derart resistent waren.«

Offenbar gelingt es den Kliniken des vom Krieg schwer getroffenen Landes nicht, die Verbreitung dieser Erreger unter Kontrolle zu halten. Bei multiresistenten Erreger handelt es sich um Bakterien, gegen die gleich mehrere Antibiotika wirkungslos geworden sind.

Wie das Team um Riesbeck im Fachmagazin »Lancet Infectious Diseases« berichtet, fanden sich in sechs Prozent der Proben sogar Bakterien, die gegen sämtliche getesteten Antibiotika resistent waren, darunter auch gegen neu entwickelte Antibiotika, die auf bakterielle Enzyme wirken. Zehn Prozent waren immun gegen Reserveantibiotika, die für den Einsatz bei besonders widerstandsfähigen Erregern zurückgehalten werden.

Bei den Erregern handelte es sich um typische »Krankenhauskeime«, mit denen sich Patienten während des Klinikaufenthalts infizieren. So auch in Riesbecks Studie, der auf die Bitte des ukrainischen Mikrobiologen Oleksandr Nazarchuk von der Uniklinik Winnyzja hin tätig wurde und dazu Proben von 141 Kriegsopfern aus drei Kliniken des Landes analysierte. Acht der Patienten waren Kleinkinder, die wegen einer Lungenentzündung künstlich beatmet wurden, bei den übrigen handelte es sich um erwachsene Notfallpatienten mit schweren Verletzungen oder Verbrennungen.

Insbesondere Bakterien der Art Klebsiella pneumoniae, die hinter vielen im Krankenhaus erworbenen Lungenentzündungen stecken, würden ihm Sorgen bereiten, erläutert Riesbeck. Sie könnten auch Individuen infizieren, die nicht geschwächt sind und über ein voll funktionsfähiges Immunsystem verfügen. Solche hochgradig widerstandsfähigen Erreger könnten sich auch außerhalb der Ukraine verbreiten. In seiner Studie waren beispielsweise 100 Prozent der untersuchten K.-pneumoniae-Erreger gegen die Antibiotikakombination Ceftolozan-Tazobactam resistent und 24 Prozent gegen das Reserveantibiotikum Colistin.

In seiner Pressemitteilung fordert das schwedisch-ukrainische Team Riesbecks den Westen dazu auf, die Ukraine bei der Bewältigung dieser Situation zu unterstützen. Auslöser der Krise sei der kriegsbedingte Mangel an Personal und Ressourcen bei einer gleichzeitigen hohen Auslastung durch die Opfer des russischen Angriffskrieges. Bereits seit Beginn des Konflikts im Osten der Ukraine im Jahr 2014 mehren sich die Berichte von einer Häufung antibiotikaresistenter Erreger bei Krankenhausinfektionen. Als Maßnahmen zu ihrer Eindämmung gelten unter anderem die strikte – und sehr zeit- wie arbeitsaufwändige – Einhaltung von Hygienemaßnahmen, die Kontrolle der Luftqualität und die Isolation erkrankter Patienten.

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