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News: Verkehrsregeln für den Kerntransport

Eine wichtige Voraussetzung für das Leben von Eukaryoten ist ein unaufhörlicher und kontrollierter Stoffaustausch zwischen dem Zellkern und dem umgebenden Zellplasma. Deutsche Wissenschaftler haben jetzt die Struktur eines für diesen Kerntransport zentralen Molekülkomplexes aufgeklärt. Die Forschungsergebnisse liefern neue Erkenntnisse über die Funktion von Proteinen, die eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung in Zellen spielen.
Ran-abhängiger Kerntransport
Die Zellen von Eukaryoten unterscheiden sich von einfachen Bakterienzellen durch ihre Unterteilung in Kompartimente. Diese ermöglichen es, Lebensvorgänge geordnet und effizient in der Zelle ablaufen zu lassen. Im Zellkern, dem Steuerungszentrum der Zelle, befindet sich die chromosomale DNA, deren Information als Boten-RNA kopiert und in das Cytoplasma transportiert wird. Neben diesem Export aus dem Zellkern ist aber auch die umgekehrte Transportrichtung, der Import von Signalmolekülen aus dem Zellplasma in den Zellkern, von Bedeutung.

Insgesamt sind bis zu 200 verschiedene Proteine am kontrollierten Ablauf von Kernexport und -import beteiligt. Allein 30 bis 40 verschiedene Proteine bilden etwa 4000 Kernporen, durch die jeweils etwa 400 Moleküle pro Sekunde transportiert werden. Dabei verläuft sowohl der Import wie der Export durch ein und dieselbe Kernpore. Als Torwächter fungiert ein Protein namens Ran, das in zwei Zuständen vorliegen kann: Im Kerninnern bindet es als RanGEF (guanine nucleotide exchange factor) das energieübertragende Molekül Guanosintriphosphat (GTP) und gelangt als Ran*GTP in das Cytoplasma. Hier wird es vom Gegenspieler des RanGEF, dem so genannten GTPase-aktivierenden Protein (GAP), gebunden. Die Folge dieser Reaktion ist enorm: In wenigen Sekunden wird das gebundene GTP zu GDP hydrolysiert, im Ergebnis liegt Ran dann in seinem zweiten Zustand vor – als Ran*GDP.

Die molekulare Ebene dieses Wechselspiel hat Michael Seewald vom Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund zusammen mit seinen Kollegen mithilfe der Röntgenstrukturanalyse jetzt aufgeklärt. Hierfür mussten die Forscher zunächst in die chemische Trickkiste greifen. Denn die Bindung von Ran*GTP an GAP ist nur kurzlebig, sodass sie diesen Proteinkomplex nicht ohne weiteres für die Röntgenstrukturanalyse kristallisieren konnten. Erst als die Wissenschaftler an Stelle des Guanosin-triphosphates nicht-hydrolysierbare Ersatzstoffe eingesetzt haben, blieb der Proteinkomplex über Tage stabil und erlaubte eine Kristallisation.

Die Beobachtung des Proteinkomplexes zeigte, dass das GAP ein in Ran schon weitgehend vorhandenes enzymatisches Zentrum vervollständigt. Überraschend war, dass Ran und ein weiteres Aktivator-Protein namens RanBP1 völlig unabhängig von RanGAP miteinander reagieren. Offenbar fördert RanBP1 die Interaktion zwischen Ran und RanGAP ohne direkten Kontakt mit dem GAP. Dabei weist die Aminosäuresequenz von RanGAP zwei Besonderheiten auf: Während das eine Ende als alpha-Helix und als beta-Faltblatt strukturiert vorliegt und durch eine Häufung der Aminosäure Leucin gekennzeichnet ist, zeigt das entgegengesetzte Ende – mit einem hohen Anteil saurer Aminosäuren – keine definierte Struktur.

Doch die Forscher wollten auch verstehen, wie die Hydrolyse des GTP funktioniert. Sie vermuteten, dass GAP den Reaktionskomplex aktiviert, indem es die positiv geladene Aminosäure Arginin in das enzymatisch aktive Zentrum einfügt. Doch auch in dieser Hinsicht hat sie der Proteinkomplex überrascht – in der Nähe des aktiven Zentrums konnten sie einen derartigen Arginin-Finger nicht finden. Die Wissenschaftler vermuten, dass andere Aminosäuren bei der elektrostatischen Stabilisierung des aktiven Zentrums eine Rolle spielen.

Die erreichten Forschungsergebnisse liefern nicht nur Einblicke in die Transportmechanismen zwischen Zellkern und Cytoplasma, sondern ermöglichen auch ein besseres Verständnis von Guaninnucleotid-bindenden Proteinen. So werden bestimmte Mitglieder dieser Proteinfamilie mit den verschiedenen Krankheitsbildern in Verbindung gebracht. Das prominenteste Beispiel ist das Ras-Protein: Es wird bei der Hälfte aller Darmtumoren und bei etwa 90 Prozent aller Bauchspeicheltumoren – somit bei einem Drittel aller menschlichen Krebserkrankungen – in veränderter Form gefunden. Die Analyse der Funktionsweise dieser Proteine könnte zu einem besseren Verständnis der Krebsentstehung und einer effizienteren Wirkstoffsuche beitragen.

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