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H5N1: Vogelgrippe springt von Kuh auf Mensch über

Das Vogelgrippe-Virus H5N1 scheint sich bei Rindern in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich zu verhalten. Nun hat sich ein Mensch angesteckt. Das Ausmaß der Gefahr ist noch unklar.
Eine Reihe Rinder beim Fressen durch ein Metallgatter. Ein Tier blickt in die Kamera.
Die Vogelgrippe H5N1 scheint sich in den USA unter Rindern zu verbreiten. Das ist gleich aus mehreren Gründen untypisch.

Die weltweit zirkulierende Vogelgrippe H5N1 ist vermutlich erstmals von Milchkühen auf einen Menschen übergesprungen. Nach Angaben der US-Seuchenschutzbehörde CDC hatte die betroffene Person jedoch lediglich Symptome einer Bindehautentzündung; sie werde mit einem antiviralen Medikament behandelt und ist auf dem Weg der Besserung, schreibt die Behörde in einer Mitteilung. Vogelgrippeviren lösen immer mal wieder Bindehautentzündungen bei Menschen aus, weil bestimmte Zellrezeptoren in unseren Augen denen in den Atemwegen von Vögeln ähnlich sind.

In den USA zirkuliert H5N1 derzeit in mindestens fünf Bundesstaaten unter Milchkühen. Die infizierte Person hatte wohl Kontakt zu infizierten Tieren. Das Virus gehört zu der Viruslinie 2.3.4.4b, einer Variante, die seit Anfang 2021 weltweit verheerende Epidemien unter Wildvögeln verursacht und auch immer wieder Säugetiere infiziert. Das Virus wurde bereits bei vielen unterschiedlichen Säugetierarten entdeckt, darunter Hunde, Katzen, Bären und Seehunde.

Dass sich die Infektion unter Kühen ausbreitet, ist allerdings eine Überraschung. Rinder infizieren sich zwar immer mal wieder mit Grippeviren, allerdings mit Influenza D, einem eigenen Erreger. Für Influenza A, wozu auch H5N1 gehört, sind Rinder normalerweise kaum empfänglich. Außerdem waren die allermeisten mit 2.3.4.4b infizierten Säugetiere bisher Fleischfresser, die sich höchstwahrscheinlich ansteckten, als sie kranke Vögel fraßen. Das ist bei Rindern eher nicht anzunehmen; die Tiere infizierten sich wohl über kontaminiertes Futter oder Wasser. Ob sich die Infektion auch direkt zwischen Rindern ausbreitet, ist bislang unbekannt, gilt aber als möglich.

Dass Menschen sich mit dieser spezifischen Viruslinie anstecken, ist extrem selten, insbesondere angesichts der starken Verbreitung. Bisher sind bei Menschen mindestens 13 Infektionen mit 2.3.4.4b bekannt, drei Menschen starben. Das Risiko größerer Ausbrüche oder gar einer Pandemie gilt als sehr gering, auch weil bisher keine Übertragung von Mensch zu Mensch bekannt ist. Allerdings deuten die Ergebnisse einer Studie auf Geflügelmärkten in Ägypten darauf hin, dass es weit mehr Infektionen bei Menschen geben könnte, als bekannt ist. Dort hatten doppelt so viele Menschen Antikörper gegen 2.3.4.4b wie gegen frühere Varianten von H5N1, was darauf hindeutet, dass das Virus für Säugetiere ansteckender ist.

Die Gefahr durch H5N1 gilt weiter als gering

Auch dass das Virus jetzt in domestizierten Tieren auftaucht, könnte eine größere Gefahr für Menschen signalisieren. In landwirtschaftlichen Betrieben haben potenziell mehr Menschen Kontakt zu infizierten Tieren, als es bei erkrankten Wildvögeln der Fall ist. Und während bei Vogelgrippe-Ausbrüchen in Geflügelbetrieben der gesamte Bestand getötet und vernichtet werden muss, ist das bei Rindern nicht vorgeschrieben. Dabei können auch hier bei der Reinigung von Anlagen ansteckende Aerosole entstehen, ebenso wie beim Schlachten und Verarbeiten infizierter Tiere.

Außerdem besteht die Möglichkeit, dass das Virus in die menschliche Nahrungskette gelangt. Bei kontaminierter Milch ist das sehr unwahrscheinlich, weil Pasteurisieren das Virus zerstört. Bisher ist jedoch nicht bekannt, ob und in welchem Ausmaß Mastrinder ebenfalls mit H5N1 infiziert sind. Während sich bei Milchkühen die Infektion an der Qualität der Milch zeigt, könnten die Symptome in Mastbetrieben zu subtil sein, um entdeckt zu werden.

Wie gefährlich die Situation insgesamt ist, ist jedoch noch völlig ungewiss. Die US-Seuchenschutzbehörde sieht die Gefahr für die Allgemeinbevölkerung weiterhin als gering an. Bislang ist das größte Problem, dass sich Menschen in der Tierhaltung selbst mit dem Virus infizieren könnten – so wie im aktuellen Fall. Mit Milchkühen haben Menschen sehr viel engeren Kontakt als mit Geflügel. Ob man nun das Risiko für die Allgemeinbevölkerung neu bewerten muss, hängt auch davon ab, über welchen Weg sich die Tiere anstecken.

Normalerweise verbreitet sich H5N1 nur selten dauerhaft unter Säugetieren. Die weite Verbreitung unter Milchkühen und der Umstand, dass die Tiere überhaupt durch ein für Rinder normalerweise harmloses Influenza-A-Virus krank werden, deutet zumindest darauf hin, dass sich H5N1 hier anders verhält als bisher. Sollte das daran liegen, dass sich eine Viruslinie mit anderen Eigenschaften gebildet hat, würde das auch die Gefahreneinschätzung für den Menschen verändern.

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