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News: Weise durch Obacht

Warum immer erst aus Schaden klug werden - reicht doch, andere in ihr Unglück rennen zu lassen und daraus zu lernen. Hilft Second-hand-Erfahrung denn gar nichts?
ERP
Manchmal, bevor wir etwas tun oder lassen, ist da diese innere Stimme. Sie flüstert: "Tu's nicht!" Und: "Lass es einfach sein." Und ja doch, oft hat sie am Ende recht mit ihrem: "Wirst schon sehen, was Du davon hast." Aber ganz offensichtlich müssen manche Fehler erst selbst gemacht werden – obwohl man schon vorher wusste, es würden Fehler sein.

Hein van Schie und seine Kollegen von der Universität Nijmegen versuchen den Ursprung solcher inneren Stimmen herauszufinden. Welche messbaren Gehirnprozesse entsprechen einem "Tu's nicht"? Bislang die Antwort der Gehirnforschung: Ein "Lass es sein" ist ein negatives Rückkopplungssignal vor einer möglichen Aktion, ein Filter, der programmiert wurde, als ähnliche Handlungen bei vergleichbarer Situation in der Vergangenheit negative Ergebnisse nach sich zogen.

Auch ganz einfache Fertigkeiten werden mithilfe solcher Filter erlernt: Antwortet etwa eine Testperson falsch bei der Aufgabe, ein kurz aufflackerndes, optisches Signal einzuschätzen (zeigte der Pfeil nach links oder rechts?), dann wird nach Auflösung des Ergebnisses (falsch, war doch links, nicht rechts) eine bestimmte Partie des Gehirns, der vordere cinguläre Cortex (ACC) aktiv – er sagt uns, grob vereinfacht: "Mist, daneben." Derartige Gehirnsignale sind als Handlungsfilter für Lernvorgänge wichtig – sie fungieren im Prinzip als "Peitsche", neben den ebenso bedeutsamen "Zuckerbroten", einer positiven Bestätigung bei richtigen Antworten.

Signale wie jene im ACC lassen sich mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) aufzeichnen – hierbei können Reaktionen des Gehirns auf Handlungen und deren Ergebnisse als ereigniskorrelierte Potenziale (ERP) sichtbar gemacht werden. In Tests wie dem oben beschriebenen Einschätzen der Pfeilrichtung sinkt der gehirneigene ERP-Normalwert kurz ins Negative ab, sobald die Testpersonen einen eigenen Fehler bemerken.

Van Schie und Kollegen gingen nun aber einen Schritt weiter: Sie beobachteten Beobachter von Versuchspersonen. Diese anderen Probanden zuschauenden Kandidaten hatten die Aufgabe erhalten, während des Experiments Fehler jener aktiven Versuchspersonen zu protokollieren, die den Pfeil-Einschätzungstest gerade absolvierten. Den Beobachtern wurde dabei jeweils das richtige Ergebnis übermittelt. Zugleich wurde ihr eigenes ERP während des Versuchs ebenso aufgezeichnet wie jenes der aktiven Kandidaten.

Ergebnis der Tests: Die Beobachter gingen mit, als würden sie selbst das Einschätzungsexperiment absolvieren müssen – auch bei ihnen reagierte der ACC des Gehirns bei falschen Entscheidungen der handelnden Kandidaten. Dies lasse, so van Schie, einen eindeutigen Schluss zu: Ob eigenständig durchgeführte oder nur beobachtete fehlerhafte Aktion – für die Programmierung der lernrelevanten Handlungsfilter des ACC ist das offensichtlich nicht von entscheidendem Belang.

Das gilt zumindest für vergleichsweise simple Gehirnprozesse, bei denen höhere Denkfunktionen und Kontrollebenen gar nicht erst bemüht werden müssen – also die eher alltägliche Routinearbeit des Gehirns. Immerhin: Lernen durch die Fehler anderer scheint zumindest in der Hardware unseres Kopfes prinzipiell angelegt zu sein. Somit sollte man auch durch den Schaden anderer eigentlich klug werden können. Bleibt wohl nur die Schwierigkeit, im Ernstfall auf innere Stimmen auch zu hören.

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