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News: Wir müssen leider draußen bleiben

Hunde im Haus sind oft unerwünscht - nicht nur aus hygienischen Gründen. In ländlichen Gebieten Lateinamerikas sind die hauseigenen Vierbeiner sogar ein recht großes Gesundheitsproblem, da sie allerhand Parasiten mit sich herumschleppen, die auch für den Menschen gefährlich werden können. Dazu gehören auch die Erreger der Chagas-Krankheit. Ein mathematisches Modell zeigt nun, dass allein das Verbannen der Hunde vor die Tür die Gefahr einer Ansteckung der menschlichen Bewohner beinahe auf Null senken würde.
Fünf Menschen, drei Hunde, maximal eine Katze und acht bis 27 Hühner und Enten – das war 1993 die durchschnittliche Besiedlung eines Hauses in drei Dörfern Nordwest-Argentiniens. Und, nicht zu vergessen, Raubwanzen, die nachts in die Hütten kommen, um dort ihre Blutmahlzeit abzuhalten. Sie bringen allerdings noch unliebsame Begleiter mit: Parasiten der Art Trypanosoma cruzi, die Erreger der Chagas-Krankheit.

Seit einigen Jahren versuchen die Regierungen der Staaten Mittel- und Südamerikas, die Erreger in Schach zu halten, indem sie deren Überträger – die Raubwanzen – mit Insektiziden abtöten. Denn eine Impfung existiert nicht, und die Krankheit kann auch nur in der akuten Phase einigermaßen gut diagnostiziert und behandelt werden. 16 bis 18 Millionen Menschen gelten als infiziert, und weitere 100 Millionen Menschen, etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung, sind davon gefährdet. Gerade in ländlichen Gebieten ist die Erkrankung, die vor allem das Herz, den Darm und das Gehirn schädigt, noch immer weit verbreitet.

Joel Cohen vom Laboratory of Populations der Rockefeller University und Columbia University sowie Ricardo Gürtler von der Universidad de Buenos Aires näherten sich dem Problem von der mathematischen Seite: Anhand von Freilanddaten aus drei argentinischen Dörfern erstellten sie ein Modell der Erregerübertragung. Dabei berücksichtigten sie alle Bewohner der Häuser – einschließlich der Raubwanzen und der darin enthaltenen Parasiten – sowie die Jahreszeit. Denn im Frühjahr schlafen Menschen wie Tiere meist unter einem Dach, um die Hühner und ihre Eier vor Diebstahl zu schützen. Im Sommer jedoch ziehen alle Bewohner nachts ins Freie.

Das wirkt sich entscheidend auf das Risiko für die Menschen aus, angesteckt zu werden. Die Raubwanzen bevorzugen für ihre Blutmahlzeit an erster Stelle die Hühner, danach die Hunde und erst zum Schluss die Menschen. Die Parasiten können die Hühner zwar nicht befallen, aber die Zahl der Raubwanzen, die im Frühjahr im Hausinnern nun ausreichend Futter finden, steigt – und damit auch die Gesamtzahl an infizierten Überträgern.

Viel wichtiger aber ist die Zahl der im Haus schlafenden Hunde. Denn sie können, einmal angesteckt, den Erreger auch leichter wieder an eine noch nicht infizierte Raubwanze übertragen. Damit wächst der Anteil befallener Raubwanzen in der Population drastisch an – und somit auch die Gefahr einer Infektion der menschlichen Bewohner.

Dem Modell zufolge ist das Schlimmste, was ein solcher "durchschnittlicher" argentinischer Dorfbewohner tun kann, im Frühjahr zwei infizierte Hunde unter demselben Dach schlafen zu lassen. Dann nämlich findet Trypanosoma cruzi die optimalen Bedingungen vor, um sich auszubreiten und die Bewohner – Menschen wie Tiere – zu befallen. Werden die Hunde jedoch nach draußen verbannt, reicht das beinahe aus, um die Übertragung der Erreger zu verhindern. Es sei denn, andere infizierte Tiere oder auch Kinder tragen die Parasiten wieder ins Haus.

Entsprechende Unterweisungen in den Dörfern sollten zusammen mit den Spritzkampagnen und alternativen Baumaterialien, welche die Zahl der Raubwanzen mindern, die Neuinfektionsrate für die Chagas-Krankheit senken, meinen die Forscher. Das würde auch das Finanzierungsproblem lösen. Denn die Länder haben meist nicht genug Geld, um die Insektizide langfristig zu sprühen. Und die Uhr läuft für den Erreger, erklärt Cohen: "Es mag zehn Jahre dauern, in allen ländlichen Dörfer zu spritzen. Aber für die Wanzen reichen drei bis fünf Jahre, um die Häuser wieder zu besiedeln."

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