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Warum Tiere Künstler sind

Wäre ein Termitenhügel nicht wie ein Schlot geformt, herrschte in seinem Innern keine konstante Temperatur von etwa 30 Grad Celsius. Und Hohltiere wie Korallen würden ohne ihre feste Behausung in starker Strömung zerreißen. Die beiden Beispiele verdeutlichen: Tierbauten erfüllen wichtige Funktionen. Zugleich können sie atemberaubend schön auf uns wirken. Wie schön, zeigt der deutsche Tierfotograf Ingo Arndt in dem Bildband "Architektier". Die Begleittexte stammen vom deutschen Verhaltensforscher Jürgen Tautz.

Zwei Jahre lang hat Arndt Tierbauten fotografiert – in Australien, Asien, Nordamerika und Deutschland. In seinem Band stellt er sie thematisch sortiert vor. Der inhaltliche Bogen erstreckt sich von Korallen, Muscheln und Schnecken über Gliedertiere und Vögel bis hin zu den Säugern. Die ausgewählten Tiere bauen Nester, Burgen und sonstige Behausungen und bedienen sich dabei zahlreicher Materialien, von dünnen Gräsern über Schilfhalme und Äste bis hin zu "eigens hergestellten" Bindemitteln, etwa Speichel und Kot. Insbesondere filigrane Wesen wie Köcherfliegenlarven oder Korallentiere bringen herausragende Werke zustande. Denn sie sind ganz besonders auf den Schutz ihrer Behausung angewiesen.

Der Band enthält 120, oft großformatige Fotografien mit überwiegend kurzen Bildtexten. Damit möchte der Fotograf einem "möglichst hohen ästhetischen Anspruch" gerecht werden. Das gelingt auch, vor allem wenn er Tierbauten im Studio ablichtet – herausgelöst aus ihrer natürlichen Umgebung, so dass sie scheinbar frei schweben. Arndt lässt den Betrachter ganz nah an die Behausungen herantreten, etwa an das imposante Nest eines Webervogels oder den kunstvollen Kugelbau der Zwergmaus.

Zudem präsentiert das Werk beeindruckende Naturaufnahmen. Arndt zeigt etwa die Liebeslaube des Hüttengärtner-Vogels, der unter anderem auf der Insel Neuguinea beheimatet ist. Das Tier baut die Laube um einen dünnen Baumstamm herum und legt bunte Früchte sowie grüne Blätter vor den Eingang, drapiert mit vielerlei farbigen Fundstücken – alles, um Weibchen zu beeindrucken. Sogar Coladosen und Plastikplanen verwendet der Vogel als Zierrat.

Arndt hat auch Gemeinschaftsbauten fotografiert, zu denen einzelne Tiere nicht in der Lage sind. Dazu gehören Ameisen- und Termitenhügel. Diese haben, verglichen mit der Körpergröße ihrer "Konstrukteure", enorme Abmessungen. Bis zu zwei Meter hoch baut die Rote Waldameise ihre Hügel. Noch beeindruckender fallen die drei Meter hohen Erdtürme der Kompasstermiten aus, mit denen im Norden Australiens ganze Felder übersät sind. Von weitem ähneln sie Grabsteinen auf einem Friedhof, da sie alle exakt nach dem Sonnenstand ausgerichtet sind.

"Architektier" ist ein empfehlenswerter Band für alle, die sich für Natur und Architektur begeistern. Bei all den Formen und Farben der runden Nester, länglichen Köcherbauten oder sechseckigen Wabenzellen kommt manchmal die Frage auf: Ist das wirklich von Tieren errichtet? Und falls ja, von welchen? Die Antwort fällt oft überraschend aus.

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