Direkt zum Inhalt

»Die Energielüge«: Ein Klimabuch für »realistische Optimisten«?

Bernd Spatzenegger schafft es, technische Zusammenhänge der Energiewende gut zu erklären, verliert dabei aber den Fokus.
Ein Windrad steht neben einem Kohlekraftwerk

Während die Klimakrise angesichts der weltweiten Extremwetterereignisse zunehmend greifbar wird, schwanken viele Menschen zwischen zwei konträren Wahrnehmungen: Entweder sie befürchten pessimistische Dystopien, in denen durch mangelnden Klimaschutz das Klima und soziale Systeme völlig außer Kontrolle geraten – oder sie flüchten sich in unbegründete Utopien, in denen Techniken der Zukunft alle Probleme lösen werden. Dieses Buch richtet sich an »realistische Optimisten« und versucht, einen Mittelweg einzuschlagen.

Die Einhaltung der aktuellen Klimaziele sei eine unmögliche Illusion. Mit Andeutungen, die aktuelle Politik der »Klimaschauspieler« basiere auf Lügen und dem Verschweigen dieser unbequemen Tatsache, holt das Buch anfangs sicher auch Querdenker und Leugner ab. Spatzenegger stellt aber schnell klar, dass der Klimawandel real und bedrohlich ist, daher sei die Energiewende nötig und zum Glück auch umsetzbar – nur eben nicht so schnell, wie es für die hoch gesteckten politischen Ziele erforderlich sei. Individuelle Anstrengungen seien zwar lobenswert, vor allem aber in Form von Konsumentscheidungen wirksam – und im Vergleich zu politischen Entscheidungen und Marktlogiken wenig bedeutend für das Gelingen der Energiewende. Dabei favorisiert er eine liberale Politik mit wenig konkreten Vorgaben, um die konkrete Ausgestaltung »dem Wettbewerb der besten Ideen, Konzepte und Projekte zu überlassen«.

Der Autor beschäftigt sich als Projektmanager und Berater für Energieinfrastruktur europaweit mit der Energiewende. Bei der Lektüre wird seine Expertise vor allem in der Beschreibung technischer Funktionsweisen und Zusammenhänge deutlich. Nach einer groben Einführung in die grundlegenden Fakten zum Thema Klimawandel erklärt er beispielsweise gut nachvollziehbar, wie sich Residuallast und Winterlücke berechnen – wichtige Knackpunkte bei der ausschließlichen Versorgung mit erneuerbaren Energien.

Manche Abschnitte, wie etwa die sehr ausführliche Beschreibung unterschiedlicher Batteriekonzepte, sind dabei fast zu detailreich geraten. Kapitel zu den gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen kommen hingegen oberflächlich daher – nicht nur durch Quellenangaben wie »verschiedene Quellen«, sondern auch durch teils vereinfachte Darstellungen.

Einerseits betont der Autor die Ungenauigkeit von Klimaszenarien. Zu viele Parameter würden beeinflussen, wie sich das Klima der Zukunft entwickeln wird. Andererseits ist er selbst sich offenbar sicher, insbesondere in politischen und sozialen Fragen genaue Prognosen abgeben zu können, ohne hierfür überzeugende Belege zu liefern. So bietet das Buch zwar anschauliche Erklärungen und gute Denkanstöße, ihm hätte jedoch eine stärkere Fokussierung auf die Kernthemen gutgetan.

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Der Umbau der Chemieindustrie

Täglich entstehen in riesigen Fabriken zahllose Stoffe, die wir in unserem Alltag nutzen – allerdings nur dank fossiler Rohstoffe und eines extrem hohen Energieverbrauchs. In dieser »Woche« geht es um den Umbau der Chemieindustrie hin zur Klimaneutralität. Außerdem: Gibt es sie, die »Zuckersucht«?

Spektrum Kompakt – Landwirtschaft im Wandel

Klimafreundliche Landwirtschaft hängt von vielen Aspekten ab. Neben Tierhaltung und Herbizideinsatz steht auch die Bodennutzung und -beschaffenheit im Fokus des Umbruchs. Doch auch elektronische Traktoren, Grüne Gentechnik, Paludikulturen und Regenwürmer sollen eine Rolle beim Umweltschutz spielen.

Spektrum - Die Woche – Wo Bäume mehr schaden als nützen

Drei Milliarden neue Bäume in der EU, zehn Milliarden in den USA, 70 Milliarden in China. Doch die ambitionierten Ziele für Aufforstungen könnten lokale Ökosysteme und Tierbestände gefährden. Außerdem in der aktuellen »Woche«: wieso der Hype um ultradünne Halbleitermaterialien berechtigt ist.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.