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»Nicht ohne meine Eltern«: Ohne schlechtes Gewissen und Schuldgefühle

Eine Systemische Therapeutin erklärt, wie uns die emotionale Abnabelung von den Eltern zu glücklicheren Beziehungen und einem eigenständigen Leben verhilft.
Geschwindelt?

Eine Systemische Therapeutin erklärt, wie erwachsene Kinder sich von ihren Eltern abgrenzen

Jeden Sonntagvormittag erfüllt Stefan seine Pflichtaufgabe. Er telefoniert eine halbe Stunde mit seiner Mutter, damit sie ihm Banalitäten aus ihrem Alltag erzählen kann. Jedes Mal ist er dabei innerlich genervt und beendet das Gespräch nach ihren üblichen Vorwürfen. Stefan glaubt, es müsse so sein: Er erfüllt seine vermeintliche Pflicht, indem er den Kontakt hält und sie so nicht vor den Kopf stößt.

Solche und ähnliche Szenen begegnen der Systemischen Therapeutin Sandra Konrad in ihrem Praxisalltag häufig. Schon in ihrem Vorgängerbuch thematisierte sie den Einfluss der Familie auf den Einzelnen. In ihrem neuen Sachbuch »Nicht ohne meine Eltern« richtet Konrad den Blick auf die Eltern-Kind-Beziehung – eine besonders erwartungsbeladene Verbindung. Verstrickungen wie bei Stefan sind häufig und das Setzen von Grenzen sowie Begegnungen auf Augenhöhe fallen schwer. Viele erwachsene Kinder übernehmen Verantwortung für die Gefühle ihrer Eltern oder der Kontakt ist geprägt von schlechtem Gewissen und sogar Schuldgefühlen. Eigene Bedürfnisse durchzusetzen ist für viele eine große Aufgabe.

Die Autorin macht Mut, aus diesen Verhaltensmustern auszusteigen. Im besten Fall habe man danach eine ehrlichere und authentischere Beziehung zu seinen Eltern. Die eigenen Bedürfnisse zu spüren und sich nach diesen auszurichten, dient zudem der psychischen Gesundheit – und davon profitiert man nicht nur im Kontakt mit den Eltern. Abgelöste Kinder können sich »liebevoll auf die Eltern einlassen und sich gleichzeitig abgrenzen«.

Anhand zahlreicher anschaulicher Fallbeispiele zeigt Konrad, wie sie die Abnabelung ihrer Klientinnen und Klienten in einem therapeutischen Prozess begleitet. Dabei ist es hilfreich, Klarheit darüber zu gewinnen, ob man die ausgesprochenen oder unausgesprochenen »Aufträge« der Eltern wirklich annehmen möchte, etwa: »Bleib bei mir und versorge mich!«. Es gilt auch, jene Bedürfnisse zu betrauern, die Eltern nicht gestillt haben, und sich von der Hoffnung zu verabschieden, dass sich das noch ändern könnte. Ohne zu moralisieren werden verschiedene Handlungsoptionen aufgezeigt.

Um das Verhältnis zu den Eltern neu zu definieren, muss man Trauer sowie Wut zulassen und mit der eigenen Kindheit Frieden schließen. Nur dann ist es möglich, die Eltern und deren Biografie empathisch zu betrachten. So entsteht ein realistischeres Bild der Eltern, das integriert werden kann. Die Autorin widmet sich auch den Konzepten »Verzeihen« und »Versöhnen«. Sie motiviert ihre Leserinnen und Leser, sich aus der vermeintlichen Opferrolle zu lösen.

Menschen die die Beziehung zu ihren Eltern als kompliziert und erwartungsträchtig empfinden oder unter Schuldgefühlen leiden, finden in diesem Buch eine Menge hilfreiche Anregungen, um sich aus dieser Dynamik zu lösen. Der kurzweilige Schreibstil von Sandra Konrad macht die komplexe Thematik leicht zugänglich. Auch professionell Helfende können Erkenntnisse gewinnen und erhalten interessante Einblicke in die Arbeit einer Kollegin.

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