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Konsens im Kopf

Warum genügt uns ein schlichtes Plastikkärtchen als Legitimation dafür, mit Vollgas über die Autobahn zu rasen? Den Philosophen John R. Searle, seit mehr als 50 Jahren Professor an der University of California in Berkeley, treibt in seinem neuen Werk die Frage um, wie aus der physikalischen Welt unsere soziale Wirklichkeit entsteht. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Sprache, denn auf ihr fußen die gesamte gesellschaftliche Ordnung und ihre Institutionen. Ob Führerschein, Geldverkehr oder jener demokratische Konsens, der Angela Merkel zur Bundeskanzlerin macht – die Realitäten unserer sozialen Welt sind keineswegs naturgegeben, sondern von Menschen gemacht. Allein dadurch, dass die Mehrheit ihnen zustimmt, werden sie zu unserer kollektiven Wirklichkeit.

Schon in seinem 1995 erschienenen Buch "Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit " verfolgte der Autor ein ähnliches Ziel – in Anlehnung an das Werk "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit" der Soziologen Peter L. Berger und Thomas Luckmann aus dem Jahr 1966. Searle scheint nun das Wesen der sozialen Welt aus Sicht der Philosophie noch einmal von Neuem erklären zu wollen.

Sein Hauptanliegen: die so genannten Entitäten zu untersuchen – "Einheiten" des Seins wie Objekte und Eigenschaften. Dabei kritisiert der heute 80-jährige Searle ausgiebig jene sozialwissenschaftlichen Ansätze, die zwar betonten, wie wichtig etwa Sprache für das gesellschaftliche Miteinander ist, jedoch nirgends erklären, was Sprache denn nun eigentlich ist.

Searle scheut sich nicht, seine Thesen am Beispiel etwa von Geschlechterrollen und islamistischen Fundamentalisten zu veranschaulichen. Stellenweise erscheint das reichlich gewagt, aber der Autor holt damit seine philosophischen Ausführungen immer wieder auf den Boden gesellschaftlicher Tatsachen zurück. Welchen Nutzen seine Theorie für die Sozialwissenschaft hat, beantwortet er nicht: Sein Bauchgefühl sage ihm, dass es wichtig sei, sich mit Grundfragen der menschlichen Gemeinschaft zu beschäftigen. Wer dieses Gefühl auch verspürt, bekommt von Searle spannende, wenn auch nicht ganz neue Anregungen.

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  • Quellen
Gehirn und Geist 11/2012

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