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Kolloidchemie: Softe Sachen suchen

An der Uni Wien erforscht ein interdisziplinäres Team die Grundlagen der Kolloidchemie. Zwar sind Kolloide schon vielfach in der industriellen Anwendung, noch aber fehlt eine allgemeingültige Theorie dieser reichlich heterogenen Trenddisziplin der Chemie. Mit ihr soll es künftig möglich werden, solche molekularen Strukturen maßgeschneidert für unterschiedlichste Anwendungen zu entwerfen.
© hyperraum.TV
Kolloide zwischen Grundlagenforschung und industrieller Anwendung

Veröffentlicht am: 22.11.2015

Laufzeit: 00:13:08

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.

Kolloide sind chemische Mischstoffe, die in allen drei Aggregatzuständen – fest, flüssig oder gasförmig vorliegen können. Sie finden sich vielfältig in der Natur: Wolken und Opale, aber auch Milch oder Blut gehören zu dieser Kategorie. Ihre Besonderheit: Mindestens eine der an der Mischung beteiligten Substanzen besteht aus Teilchen, die größer als die meisten Moleküle sind und eine Größe von einem Nanometer bis zu einem Mikrometer haben. Diese gravierenden Größenunterschiede der Teilchen führen zu ungewöhnlichen chemischen Eigenschaften der Kolloide. Die Industrie nutzt sie seit langem: Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetika, Anstrichfarben und Nahrungsmittel sind heute ohne Kolloidchemie kaum noch vorstellbar. Sie beeinflussen das Aroma und den Geschmack, dienen aber auch der Haltbarkeit von Produkten.

Bis heute gibt es noch keine umfassende Theorie der sehr vielfältigen Wirkungsmechanismen der Kolloidchemie. Nur durch Simulationstechniken besteht die Möglichkeit, die theoretischen Grundlagen des komplexen Zusammenwirkens unterschiedlicher Stoffe systematisch aufzuklären. In der Forschung ist sie deshalb weltweit eine ziemlich angesagte Disziplin. Weltweit gibt es zahlreiche Großprojekte, die sich mit Makromolekülen im Besonderen, mit der Kolloidchemie im Allgemeinen und den dafür erforderlichen Simulationstechniken befasst. Gefördert wird das wissenschaftliche Interesse von der chemischen Industrie, die für die Produktentwicklung nach neuen Kolloiden sucht und damit auch eine Vielzahl potenzieller Abnehmer neuer Erkenntnisse aus der Industrie hat.

In Wien wurde Anfang 2015 das internationale Projekt Colldense – es steht für COLLoids with DEsigned respoNSE – ins Leben gerufen. Forscher unterschiedlicher Herkunft – aus der experimentellen Biochemie, Simulationsexperten und Theoretiker aus der Physik – arbeiten hier in 15 ganz unterschiedlichen Projekten zusammen, um den Grundlagen den Kolloide auf die Spur zu kommen. Mit Unilever und Solvay sind auch zwei Forschungsabteilungen der Industrie Mitglieder des Projektes. Susanne Päch hat Sofia Kantorovich, Initiatorin und Projektleiterin von Colldense, in Wien besucht. Die smarte Wissenschaftlerin ist fasziniert vom komplexen Innenleben der trendigen "Soft Matter Physics"; ihr System zu verstehen, ist ihr großes wissenschaftliches Ziel. Sofia Kantorovich arbeitet in der Forschungsgruppe Computergestützte Physik an der Uni Wien. Sie stammt aus dem russischen Jekatarinburg und hat sich schon vor fast fünfzehn Jahren in ihrer Dissertation mit der Theorie einer speziellen Klasse von Kolloiden, den Metallkolloiden, befasst. Sie finden sich in der Natur in bestimmten Zelltypen. Die magnetischen Kolloidkristalle richten sich entlang der irdischen Magnetfeldlinien aus und sind so für den Magnetsinn von Vögeln und anderen magnetisch sensitiven Tieren verantwortlich. Synthetisch erzeugt wurden sie erstmals von der NASA, die damit in den Anfängen der Raumfahrt Treibstoffe mit magnetisch-kolloiden Beimischungen entwickelte, die sich in der Schwerelosigkeit steuern lassen.

Die aufstrebende, junge Physikerin ist Vertreterin des modernen Typs kosmopolitischer Wissenschaftsnomaden. In unserer Reportage berichtet sie nicht nur darüber, was Kolloide so besonders macht, sondern gibt auch Einblicke in die moderne Arbeitswelt der Wissenschaft. Sie spricht über ihre Projekterfahrungen, insbesondere den unterschiedlichen Zielvorstellungen in Wissenschaft und Industrie, aber auch darüber, dass die Simulation ein methodisch grundlegend neues Werkzeug der Wissenschaft ist. Zuletzt erzählt sie, wie aus ihrer Sicht Kommunikation in der Ausbildung dabei hilft, das "wissenschaftliche Erbe" weiter zu entwickeln und jungen Forschern ein hervorragendes Sprungbrett für ihre Karriere gibt.

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