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Wir Werden Alle Sterben: Warum Verbrecher für Sand töten

Sand gibt es zwar fast überall - aber meistens ist es der falsche. Und das ist ein Problem, denn die Nachfrage nach dem richtigen Sand für Beton ist gigantisch.
Der Tod der Strände

Heute geht es bei uns um eine besondere Form von organisiertem Verbrechen, nämlich die Sand-Mafia. Kriminelle Banden stehlen Sand aus Flüssen, Seen und von Stränden und schmuggeln ihn illegal rund um die Welt. Aber warum sollte man ausgerechnet Sand klauen?

Es gibt zwei Gründe, weshalb Sand für Verbrecherorganisationen interessant ist: zum einen nämlich braucht die Welt sehr, sehr viel davon. Sand ist der wichtigste Bestandteil von Beton, und weltweit wird seit Jahren immer mehr gebaut. Tatsächlich ist Sand die Ressource, von der weltweit am meisten gefördert wird. Der Bedarf ist immens und steigt immer mehr. Zum anderen ist Sand nicht gleich Sand. Nicht jeder Sand ist geeignet für Beton. Es wäre schön, wenn man einfach die Wüsten der Welt nach und nach leer baggern könnte, aber leider ist das Zeug, das zum Beispiel in der Sahara rumliegt, zum Bauen ungeeignet.

Avocados, Katzen, Supervulkane – die Welt ist voller Gefahren. In dieser Videoserie stellen die Spektrum-Redakteure Lars Fischer und Mike Zeitz regelmäßig spannende, ungewöhnliche oder einfach kuriose Dinge vor, die auf die eine oder andere Art zum unerwarteten Frühableben führen können.

Die übrigen Folgen der Serie finden Sie auf dieser Sammelseite.

Das liegt an der Form der Sandkörner. Der beste Sand zum Bauen besteht aus ziemlich eckigen Körnern, die sich im Beton ineinander verhaken können und so dem Material Standfestigkeit geben. Wüstensand allerdings besteht aus Körnern, die über tausende Jahre vom Wind und und glatt geschliffen worden sind, wie winzige Marmeln. Damit kann man im Beton wenig anfangen.

Eckigen Sand findet man dort, wo die Körner relativ frisch angekommen sind und noch nicht jahrzehntelang glattgeschliffen wurden: zum Beispiel in Flüssen und Seen, oder im Meer nahe den Mündungen großer Flüsse. Vom Meersand muss aber noch das Salz abgewaschen werden, und das kostet natürlich. Deswegen kommt der beste Sand vom Boden und den Ufern großer Flüsse, und diese Quelle ist, relativ zum immensen Sandbedarf der weltweiten Bauindustrie, ziemlich knapp.

Der beste Sand kommt aus Flüssen

Zumal man nicht einfach überall aus Flüssen und Seen den Sand rausbuddeln kann – einerseits natürlich wegen der Ökosysteme, andererseits aber auch, weil der Ufersand entscheidend für den Wasserhaushalt der Umgebung ist, Er ist porös, speichert Wasser und lässt es ins Grundwasser versickern. Ohne Sand sinken die Grundwasserspiegel und trocknen Flüsse leichter aus. Ein Fall, wo das schon passiert, ist das Mekong-Delta in Vietnam.

Weltweit versuchen Regierungen deswegen, den Sandabbau einzudämmen und zu regulieren. Deswegen wird legaler Sand immer knapper und teurer. Und da kommt die »Sand-Mafia« ins Spiel. Tatsächlich verbirgt sich dahinter eine große Bandbreite von Firmen und Organisationen, die illegal Sand ernten, meist mit Hilfe korrupter lokaler Behörden. Berüchtigt ist das Problem besonders in Indien, wo mehrere Morde auf das Konto solcher Sandräuber gehen – aber tatsächlich ist das Problem global. Das Marktvolumen des kriminellen Handels mit Sand wird auf bis zu 350 Milliarden Dollar geschätzt – mehr als illegaler Goldbergbau, Holzdiebstahl im Regenwald und Piratenfischerei zusammen.

Neben der Zerstörung ganzer Landschaften verursacht dieser unregulierte Sanddiebstahl ein weiteres, potenziell folgenschweres Problem. Der Sand stammt oft nicht nur aus Flüssen und Seen, sondern oft von leichter zu erreichenden Stränden und Dünen. Das hat einerseits den Effekt, dass der Küstenschutz zerstört wird und bei Stürmen das Hinterland leichter überschwemmt. Andererseits ist dieser Sand zum Bauen nicht so gut geeignet. Die Körner sind älter und runder, und oft enthält solcher Sand außerdem übermäßig viel Salz. Dadurch ist Beton mit diesem Sand weniger stabil, Gebäude daraus sind weniger haltbar und weniger belastbar.

Das war zum Beispiel einer der Gründe, weshalb beim schweren Erdbeben 2023 in der Türkei und Syrien so viele Gebäude eingestürzt sind, die theoretisch hätten stehen bleiben sollen. Und das Problem wird in Zukunft zunehmen, denn der Bedarf steigt weiter, während die Versorgung nicht so einfach zunehmen kann. Es gibt einige Ansätze, nachhaltig Sand zu ernten und so die Umweltfolgen zu verringern, und sogar Techniken, Wüstensand so zu bearbeiten, dass man ihn in Beton einsetzen kann. Aber all das ist ziemlich teuer und kann bis auf Weiteres nicht mit gestohlenem Sand mithalten. Das bedeutet, bis auf Weiteres werden für den globalen Bauboom immer mehr Flüsse und Küsten zerstört und auch immer mehr ungeeignete Materialien im Beton eingesetzt werden.

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