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Kommentare - - Seite 1012

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Moonshine-Vermutung

    04.06.2009, J. Brehe, Pollhagen
    In der Rezension wird erklärt, dass der Zusammenhang zwischen den Symmetrien und dem Mondschein noch unklar ist.

    Hat nicht Richard Borcherds die "moonshine“-Vermutungen von John McKay mittels einer Vertex-Algebra beweisen können?
    Stellungnahme der Redaktion

    Das ist richtig. Gleichwohl scheinen die Beteiligten mit dem Ergebnis noch nicht glücklich zu sein. Der Buchautor du Sautoy schreibt auf S. 403: "Obwohl er [Borcherds] den Zusammenhang zwischen der Zahlentheorie und dieser riesigen Symmetrie bewiesen hat, herrscht sonderbarerweise immer noch der Eindruck vor, dass wir diese Verbindung nicht wirklich verstehen." Ein paar Zeilen darunter zitiert du Sautoy den berühmten Zahlentheoretiker John Conway: "Er hat die Verbindung zwar bewiesen, jedoch nicht erklärt."


    Wolfgang Blum

  • Offene Fragen

    03.06.2009, Josef Mittendorfer, Vöcklabruck
    Ihr sehr interessanter Artikel ist leider an einigen Stellen etwas unpräzise. So ist die Aussage, dass aus einem Molekül Glukose - zumindest theoretisch - je zwei Moleküle Essigsäure und Kohlendioxid sowie vier Moleküle Wasserstoff entstehen, in dieser Form unvollständig. Stellt man eine Reaktionsgleichung auf, fehlen auf der Seite der Edukte zwei Wassermoleküle. Es ist interessant, dass zumindest auf indirektem Weg eine Spaltung von Wasser stattfindet.

    C6H12O6 + 2 H2O -> 2 Ch3COOH + 2 CO2 + 4 H2

    Die Ausbeute bezogen auf diese Reaktionsgleichung beträgt etwa 56 Prozent.

    Betrachtet man die Reaktion unter thermodynamischen Aspekten, so ergibt sich ein Energiebedarf von 92 kJ/mol. Das Ergebnis mag zwar wegen der Verwendung von Daten für Reinstoffe statt wässriger Lösungen für Essigsäure und Glukose unpräzise sein. Ein großer Energiegewinn für die Mikroorganismen ist aber auf dieser Basis sicher nicht möglich.
  • Druckverbreiterung

    03.06.2009, H. Sextl
    ... Druckverbreiterung der Absorptionsbanden ...

    Was ist denn das? Eine Fehlfunktion des Druckers?

    H. Sextl
    Stellungnahme der Redaktion

    Sehr geehrter Herr Sextl,



    hierbei handelt es sich um einen Effekt, der die natürliche Linienbreite eines Atoms oder Moleküls verändert. Emissions- oder Absorptionslinien haben bei den jeweiligen Stoffen festgelegte Energien und Lebensdauern (gegeben durch die quantenmechanischen Übergangswahrscheinlichkeiten).



    Über die heisenbergsche Unschärferelation ist aber zu der von Null verschiedenen Lebensdauer eines angeregten Zustands auch eine Energieunschärfe verbunden, dies ergibt die "natürliche Linienbreite".



    Dies gilt genau so für Emissions- oder Absorptionsbanden, die bei Molekülen durch angeregte Rotation oder Schwingungen entstehen.



    Liegt ein Ensemble aus Teilchen vor, die über die brownsche Molekularbewegung, Stark-Effekte oder Van-der-Waals-Kräfte gegenseitig in Wechselwirkung treten, hat das ebenfalls Auswirkungen auf die Lebensdauer der angeregten Zustände, man spricht dann von Linienverbreiterung.



    Je nach spezifischer Ursache unterscheidet man zwischen (thermischer) Doppler-Verbreiterung oder mehreren Arten der Druckverbreiterung, die meist nicht oder weniger stark temperaturabhängig sind.



    Im hier vorliegenden Fall führt die Verbreiterung der Absorptionsbanden der Treibhausgase dazu, dass diese vom Erdboden Richtung All abgegebene Photonen mit einer größeren Vielfalt von Energien - und damit schlicht mehr Lichtquanten - aufnehmen und in alle Richtungen, also auch wieder zurück zur Erdoberfläche, abstrahlen können.



    Mit freundlichen Grüßen


    Oliver Dreißigacker


    Redaktion spektrumdirekt

  • KEINE Panik!

    03.06.2009, Klaus Gehring, Tegernbach
    Ich möchte den Versuch unternehmen, gegenüber dem Hauptartikel und der Stellungnahme von Herrn Maresch eine möglichst unpolemische Meinung abzugeben:

    Im Interview-Beitrag von Herrn Wiedenfeld sind nach meiner Meinung einige Aspekte überzeichnet. Ein gewisses Eigeninteresse des Autors möchte ich hierbei nicht komplett verneinen. Von Massenvermehrung und Monokulturen der Killerpflanzen zu sprechen, ist einfach zu hoch gegriffen. Es ist richtig, dass in einigen Regionen Deutschlands das Jakobskreuzkraut (JKK) sich auffällig stark vermehren konnte. Hierfür gibt es plausible Erklärungen. Es kommt immer wieder in der Natur vor, dass sich ein bestimmter Organismus durch temporär günstige Bedingungen im Vorteil sieht. Für das JKK kann es, wie in anderen Fällen, auch wieder zu einer Rückregulierung kommen. JKK kann zwar als anspruchslose Pionierpflanze für die Besiedelung neuer Standorte bezeichnet werden, auf der anderen Seite hat sie keine besonders hohe Konkurrenzkraft und kann wieder verdrängt werden.

    JKK ist eine einheimische Giftpflanze wie viele andere Wild- und Zierpflanzen auch. Das Humanrisiko kann praktisch auf Null geregelt werden, indem man keine obskuren Kräuterherkünfte konsumiert. Der theoretische Transferweg über die Nahrungskette als indirekte Toxinaufnahme ist praktisch nicht relevant. Hier greift das zitierte Dosis-Wirkungsprinzip effektiv. Anstelle der giftigen Alkaloide aus bzw. von JKK wären ganz andere natürliche Toxine sinnvoll in den Fokus zu nehmen.

    Noch haarsträubender ist das skizzierte Human-Risiko durch den Ackerbau bzw. die Getreideproduktion. JKK kann sich unter einer Ackernutzung nicht entwickeln und das artverwandte Gemeine Kreuzkraut (Senecio vulgaris) ist weder im konventionellen noch im ökologischen Landbau ein nennenswertes Unkraut. Die Belastung von Erntegut ist aus rein technischen Gründen unrealistisch.

    Dagegen ist JKK in der Tierernährung klar zu bewerten - es gibt faktisch nur eine Null-Toleranz. Daraus resultiert ein klares Ziel zur Beseitigung der Giftpflanze aus Wiesen und Weiden. In der professionellen landwirtschaftlichen Produktion gibt es sehr effiziente kulturtechnische und chemische Regelungsmöglichkeiten. Problematischer sind aus naturschutztechnischen Gründen extensivierte Grünlandflächen, auf denen naturgemäß JKK ein natürlicher Bestandteil der standortspezifischen Flora sein kann. Damit ist der Aufwuchs dieser Flächen nicht in der Tierfütterung verwertbar, was faktisch ein wirtschaftlicher Schaden für den jeweiligen Flächenbewirtschafter darstellt (kein Ertrag, aber Entsorgungsaufwand).

    Aus Vorsorgegründen wäre es wünschenswert, in Nahbereich von Wirtschaftsgrünland keine größeren Bestände von JKK aufkommen zu lassen, da diese als potenzielle Samenquellen für die Besiedelung von Wiesen und Weiden fungieren. Hierzu wäre ein Schnitt vor der Samenbildung ausreichend. Chemie ist nicht notwendig und wäre auf naturräumlichen Flächen äußerst kontraproduktiv, abgesehen von den fachrechtlichen Hinderungsgründen. Alleine aber diese einfachen und umweltverträglichen Regelungseingriffe durch gezielte Mahd sind arbeits- und damit kostenaufwändig für den Flächeninhaber (i.d.R. Kommunen).

    Das Vergiftungsrisiko für Sport- und Hobbytiere auf deren Standweiden ist problematischer, weil die notwendige Sachkenntnis häufig weniger ausgeprägt ist. Hier nach staatlicher Fürsorge zu rufen, ist aber ebenfalls übertrieben und konterkariert den mündigen Bürger und dessen Eigenverantwortung vollständig. Im Futtermitteleinkauf müssen einfache Regelungen der Qualitätssicherheit und Haftung nur beachtet und umgesetzt werden.

    Abschließend möchte ich noch die scharfen Attacken von Herrn Maresch zum Herbizideinsatz und dem unterstellten Lobbyismus ansprechen. Richtig, der Aufruf zum Herbizideinsatz auf Natur- und Freiflächen ist überzogen, hieraus die böse Chemie im Hintergrund zu vermuten, ist aber genauso unrealistisch. Ich kenne keinen Pflanzenschutzmittelhersteller, der aus wirtschaftlichen Interessen an einem solchen Einsatzgebiet interessiert wäre. Vollkommen unsachgemäß wäre ein Einsatz des nicht selektiven Glyphosat auf natürlichen Standorten des JKK. Also bitte nicht immer gleich den Teufel ("Monsanto") an die Wand mahlen.

    Mein Fazit: Es muss halt medial immer wieder eine "neue Sau durch´s Dorf getrieben" werden.

    K. Gehring aus Bayern
  • Totale Verwaltung des Menschen

    03.06.2009, Dr. Dieter Spies, Egmating
    Die teils schon realisierten Zukunftsvisionen werden anschaulich geschildert, und ebenfalls gut ausgeführt wird die Problematik des Datenschutzes dabei, aber das eigentliche Hauptproblem ist m. E. nicht – die freilich wichtige – Frage des Datenschutzes, sondern die resultierende totale Verwaltung des Menschen. Zu Grunde liegt die Vision einer elektronischen Maschinerie, die dem Menschen alles – angeblich – Lästige fehlerfrei abnimmt: Im angeführten Beispiel meldet der Kühlschrank, dass die Milch zur Neige geht, sie wird gleich automatisch nachbestellt, womöglich auch gleich frei Haus geliefert (trinken muss man sie voerst noch selbst!) etc., natürlich mit dem Hintergedanken nicht nur der Arbeitserleichterung, sondern auch eines riesigen Konsumpotentials. Übersehen wird dabei aber, dass die Freiheit des Menschen mit der Fähigkeit beginnt, Fehler zu machen! Elektronische Maschinen machen keine Fehler (nur der programmierende Mensch) und ebenso gibt es bei instinkthaftem Verhalten keine Fehler, nur der mündige Mensch kann sie machen.
    Leider sehen offensichtlich die meisten Menschen nicht, dass sie mit den – durchaus oft lästigen – Arbeiten auch das Denken und ihre Mündigkeit an die elektronische Maschinerie übergeben.


  • Gedanken zum „Problem mit der Art“

    03.06.2009, Andreas Schlüter, Berlin
    Zum eindrucksvollen Spezialheft „Die Evolution der Evolution“ möchte ich ein paar Gedanken insbesondere das Kapitel „das Problem mit der Art“ betreffend vorbringen:
    Unabhängig von der letztlichen Klärung der Definition des Artbegriffes gibt es in der dynamischen Betrachtung eine eindeutige Artbarriere. Es stellt in der geschlechtlichen Fortpflanzung eine Mutation der Chromosomenzahl eine Barriere für die Erzeugung von Nachwuchs mit „Nicht-Mutanten“ dar. Gleichzeitig stellen wir in der Evolutionsgeschichte eine erhebliche Tendenz zur Veränderung der Chromosomenzahl fest. Diese findet sowohl durch Zerbrechen von Chromosomen wie durch Verschmelzen statt. Dies stellt uns auf den ersten Blick vor ein scheinbar unlösbares Problem: Wie kann so eine Mutation zum Merkmal einer neuen Art werden, wenn diese Mutation sich kaum vermehren kann.

    Es scheint so, dass das Schema des Baumes – das für die Art-Evolution das angemessene Paradigma ist – vor der Stelle seiner Astbildung zum Verstehen das Paradigma des Wurzelwerks braucht. Es ist nahezu eine Voraussetzung für die Fortpflanzung der Chromosomen-Mutation, dass ein mutiertes Individuum ein anderes mit der gleichen Mutation zur Fortpflanzung findet. Das setzt eine relativ hohe Dichte dieser Mutation voraus. Es muss also in einer Art durch die molekulare Situation an einer Stelle eines Chromosoms oder an den Enden zweier Chromosomen eine besondere „Neigung“ zum Zerbrechen bzw. zum Verschmelzen geben. Da dies aber grundsätzlich eher von Nachteil ist, ist unter „normalen“ Umständen diese Entwicklung in einer Population nicht zu erwarten. Wie kann sie großflächig zustande kommen?

    Dies könnte das Ergebnis der Zusammenführung zweier über längere Zeit getrennter Entwicklung unterworfener Unterarten sein, deren nun häufig einsetzende Vermischung durch eine zufällige Disposition vermehrt diese Mutation hervorbringt. So eine Situation ist zum Beispiel dadurch vorstellbar, dass eine großflächige klimatische Veränderung vorher in Nischen isolierte Populationen sich ausbreiten und in Kontakt treten lässt. So würde am Beginn der Ursprungsstelle zur Chromosomensatz-bedingten Artaufspaltung eine Zusammenführung und Vermischung verschiedener Unterarten stehen.
    Zur Humanevolution: Der Mensch hat verglichen mit den großen Menschenaffen ein Chromosomenpaar weniger, was durch Verschmelzung zweier Paare zustande gekommen ist. Wäre die oben vertretene Annahme richtig, dann wäre die Frage zu stellen, ob so eine beschriebene Ausgangssituation sich deutlicher vor dem Auftauchen der Australopithecinen oder vor dem Auftauchen von Homo findet. Die Vermutung liegt nicht ganz fern, dass die relative Vielfalt der Australopithecinen und ihre Aufspaltung in Unterarten (sowie deren mögliche Vermischung) so eine Ausgangslage bilden könnte.

    Die Tendenz, die genetische Ähnlichkeit zwischen den Menschen und den großen Menschenaffen zu betonen, ist derzeit aus nicht unverständlichen Gründen recht groß. Der wirkliche Sprung und Unterschied scheint aber in dieser Veränderung des Chromosomensatzes zu liegen.
  • Stromheizung im Elektroauto?

    03.06.2009, Gerd Zelck, Seevetal
    Folgende Punkte bzw. Gedanken möchte ich anmerken:

    - Wie sieht es mit der Heizung des Innenraums in der kalten Jahreszeit aus. Wurde diese bei Ihren Aussagen, z.B. bei den Reichweitenangaben oder dem Strombedarf pro 100 Kilometer berücksichtigt?

    - Bei den Überlegungen zu einem "smart grid", auch die Autobatterien bei erhöhter Stromnachfrage als Stromspeicher mit zu nutzen, ist zu bedenken, dass hierbei die Lebensdauer der Batterien beansprucht wird und kostenseitig zu berücksichtigen ist.
  • Grenzen der Mathematik

    03.06.2009, Philipp Wehrli, Winterthur, Schweiz
    Mathematiker tun im Allgemeinen so, als wären alle ihre Begriffe eindeutig definiert. Lange dachte ich, jeder geschulte Mathematiker könne eine sinnlose Ansammlung mathematischer Zeichen von einer Definition unterscheiden. Ich denke, die folgende Überlegung zeigt, dass dies nicht möglich ist.

    Meine Überlegung basiert auf Cantors Beweis mittels Diagonalverfahren, dass die Menge der reellen Zahlen überabzählbar ist. Ich habe mich gefragt, woher denn die überzählbar vielen Zahlen kommen? Sicher gehören die natürlichen Zahlen und die Brüche zur Menge der reellen Zahlen. Aber diese sind bekanntlich abzählbar. Weiter kommen die Wurzeln dazu. Auch von diesen gibt es unendlich viele, aber auch die Wurzeln sind abzählbar. Wenn ich abzählbar viele abzählbare Mengen vereinige, so muss die Vereinigung wieder abzählbar sein. Was gibt es noch für reelle Zahlen? Irgendwo müssen doch die überabzählbar unendlich vielen Zahlen sein! Die Kreiszahl Pi und die Eulersche Zahl e fielen mir noch ein. Ach, so: Alle Zahlen, die sich irgendwie durch Reihen beschreiben lassen. Wie viele gibt es davon wohl? Gibt es noch andere Möglichkeiten, eine reelle Zahl zu definieren?

    Da fiel mir plötzlich folgendes auf: In der Mathematik wird nur eine endliche Anzahl verschiedener Zeichen verwendet. Eine mathematische Definition besteht aus einer endlich langen Folge dieser endlich vielen Zeichen. Diese endlich langen Folgen kann ich aber der Länge nach sortiert und alphabetisch geordnet auflisten. Zuerst kommen alle Folgen, die aus nur einem Zeichen bestehen, dann alle mit zwei Zeichen usw. Alle endlich langen Sätze, die mit den mathematischen Zeichen formuliert werden können, sind in dieser Liste enthalten! Die Liste enthält zwar auch ziemlich viel sinnloses Zeugs, aber alle sauberen mathematischen Definitionen sind in der Liste drin!

    Wenn aber alle Definitionen in der Liste enthalten sind, dann sind auch alle Definitionen von reellen Zahlen in der Liste drin. Kein noch so brillanter Mathematiker kann eine reelle Zahl definieren, die nicht schon längst in meiner Liste definiert ist. Denn meine Liste enthält alle Definitionen. Cantor behauptete, er könne zu jeder Liste von reellen Zahlen eine reelle Zahl definieren, die nicht in der Liste enthalten sei. Kann gar nicht sein bei meiner Liste! Denn in meiner Liste steht alles drin, was Cantor in seinem ganzen Leben gesagt und geschrieben hat. Und irgendwo, sagen wir an Stelle X, steht da auch: "Nimm Philipp Wehrlis Liste und wende Cantors Diagonalverfahren an." Was geschieht dann an dieser Stelle? Nach Cantor definiert der Satz X eine reelle Zahl, die nicht in der Liste ist. Der Satz X steht aber in der Liste! Wo ist der Haken?

    Meine Idee war: Jede reelle Zahl, die sauber definiert werden kann, ist in meiner Liste enthalten. Jede reelle Zahl, die überhaupt je in einer mathematischen Formel auftauchen kann, kommt in der Liste vor. Denn alle endlich langen mathematischen Formeln stehen in der Liste. Weshalb sollen wir uns mit überabzählbar vielen reellen Zahlen herumschlagen, die mit absoluter Sicherheit nie in der Praxis auftauchen? Streichen wir einfach alle weg, die nicht in der Liste stehen! Nur die Zahlen sollen "reell" heißen, die in einem endlich langen Satz definiert werden können.

    Dies hätte zwei Vorteile: Erstens wären dies nur abzählbar viele. Denn sie sind ja in meiner Liste der endlichen Zeichenfolgen enthalten. Zweitens könnte sicher niemand eine reelle Zahl definieren, die nicht schon in der Liste der Definitionen enthalten ist. Dies scheint ein Widerspruch zu Cantors Satz zu sein. Ich hätte eine Liste von reellen Zahlen, und niemand könnte eine reelle Zahl nennen, die nicht schon in der Liste steht.

    Einen kleinen Haken hat die Sache noch. Ich habe ja nicht eine Liste von reellen Zahlen! Ich habe nur eine Liste von Zeichenfolgen. Viele dieser Zeichenfolgen haben überhaupt nicht mit reellen Zahlen zu tun, sie sind völlig bedeutungslos. Ich muss also zuerst die bedeutungslosen Zeichenfolgen wegstreichen.

    Ich habe angenommen, dies sei möglich. Aber wenn ich die bedeutungslosen Zeichenfolgen wegstreichen könnte, dann ergäbe sich ein Widerspruch. Dann hätte ich nämlich wie beschrieben eine Liste von reellen Zahlen, zu der niemand eine reelle Zahl hinzufügen könnte. Aber wie Cantors Satz zeigt, ist dies nicht möglich. Meine Annahme ist also falsch:
    *Es ist nicht möglich, die bedeutungslosen Zeichenfolgen von den sauberen mathematischen Definitionen zu unterscheiden.* Das ist ungeheuerlich!!! Wie können wir exakte Mathematik betreiben, wenn wir nicht einmal wissen können, ob ein Textabschnitt eine mathematische Definition oder ein unsinniger Buchstabensalat ist?

    Erst lange nachdem ich diese Idee hatte, merkte ich, dass sie eng verwandt ist mit einem Satz und einem Beweis, den Turing schon vor 70 Jahren entdeckte (Satz von Turing).


    Stellungnahme der Redaktion

    Sehr geehrter Herr Wehrli:



    In Ihrem Brief haben Sie eine Reihe von begrifflichen Fragen angeschnitten, die in der Tat auch in der Geschichte der Mathematik eine bedeutende Rolle gespielt haben und z. T. heute noch in der Kontroverse stehen.



    Wo die Zahlen überhaupt herkommen und welchen existentiellen Status sie besitzen, wird je nach metamathematischer Schulrichtung beantwortet: Für den Realisten sind sie präexistente formale Objekte, für den Formalisten Zeichenketten, für den Intuitionisten bewusste Konstruktionen. Aus den natürlichen Zahlen, deren Heuristik vermutlich in den diskreten Objekten unseres Gesteinsplaneten verankert ist, lässt sich eine Hierarchie immer neuer Zahlentypen mit den ihnen eigenen Gesetzen aufbauen. Man kann hier von einer Art begrifflicher Emergenz sprechen. Mit den einfachsten Zahlen, der geordneten Menge der natürlichen Zahlen, kann man Operationen vornehmen, die aber über die zugrundeliegende Zahlklasse hinausführen. Zumeist entstand dann eine begriffliche Diskussion, ob die dabei notwendig gewordenen neuen formalen Gebilde genuine mathematische Objekte bilden und ob sie in die Gegenstandswelt der Mathematik aufgenommen werden sollen. Dies war bei den negativen, bei den irrationalen und bei den imaginären Zahlen der Fall.



    Mit dem Aufkommen der Mengenlehre trat dann auch die Frage auf, wie viele Zahlen es von einem Typus geben kann, aber dazu mussten erst einmal die Beweisverfahren geschaffen werden, wie man die Stufungen im Unendlichen überhaupt unterscheiden kann. Cantors neue Begrifflichkeit erlaubte es, den Begriff der Äquivalenz von Zahlenmengen einzuführen und über die Herstellbarkeit von Bijektionen den Mächtigkeitsbegriff für unendliche Mengen zu definieren, eine Verallgemeinerung des Begriffes der Größe von endlichen Mengen. Für die rationalen Zahlen, aber auch für die algebraischen konnte Cantor beweisen, daß ihnen die kleinste abzählbare Unendlichkeit zukommt, aber die reellen Zahlen erwiesen sich von höherer Mächtigkeit. Eine besondere Rolle kam nun jenen reellen Zahlen zu, die nicht die Wurzeln einer Reihe vom Typus &sqrt;2 bilden und für die Leibniz in Zusammenhang mit dem Problem der Quadratur des Kreises den Namen transzendent, wohl in Anklang ihres besonderen Charakters, vorgeschlagen hatte.



    Zuerst befasste man sich mit dem Nachweis der Transzendenz bestimmter reeller Zahlen. Liouville, Hermite und Lindemann zeigten, daß die Liouville - Zahl, e und π transzendent sind. Danach konzentrierte man sich auf die Frage, wie viele transzendente Zahlen es überhaupt gibt, und es zeigte sich, dass fast alle reellen Zahlen transzendent sind. Alan Turing bewies dann, dass die algebraischen Zahlen berechenbar sind, aber die übrigen reellen Zahlen dem unberechenbaren Typ angehören. Man kann das Verhältnis der beiden Klassen von Zahlen auch unter Verwendung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs charakterisieren (siehe G. Chaitin: Meta Math! The Quest for Omega, New York 2005). Wenn man nach dem Zufallsprinzip eine reelle Zahl herausgreift, wird man so gut wie sicher eine nicht berechenbare transzendente Zahl treffen. Auch bei der Benennung zeigt sich der überabzählbare Charakter der reellen Zahlen. Namen sind immer bestimmte endliche Ketten von Zeichen aus einem Alphabet einer Sprache, die nach einer algorithmischen Regel gebildet werden. Von diesen Ketten kann es immer nur abzählbar unendlich viele geben, genau so wie dies auch für alle Algorithmen gilt. Deshalb sind die meisten reellen Zahlen nicht nur nicht berechenbar, sondern auch nicht benennbar. Diese Situation wird noch deutlicher, wenn man zu umfassenderen Mengen aufsteigt, etwa die Menge aller eindeutigen reellen Funktionen betrachtet, welche eine noch höhere Mächtigkeit als die des Kontinuums besitzt. Diese können erst recht nicht mehr mit individuellen Namen ausgestattet werden. Da nach dem Satz von Cantor sich zu jeder Menge M die Potenzmenge P(M) bilden läßt, die von höherer Mächtigkeit als M ist, erscheint es einsichtig, daß der elementare intuitive Vorgang des expliziten Benennens und individuellen Charakterisierens aus dem elementaren Bereich der abzählbaren Mengen nicht auf Mengen höherer Mächtigkeit übertragbar ist.



    Dennoch kann der Körper der reellen Zahlen, unabhängig von diesen begrifflichen Fragen der Bezeichnung, ausgehend vom Körper der rationalen Zahlen exakt definiert werden. Dies kann nach der Methode des Dedekindschen Schnittes oder als Konstruktion mit Cauchy-Folgen oder mittels des Verfahrens der Intervallschachtelung axiomatisch geschehen. Es ist also nicht so, dass es in der Mathematik nicht klar wäre, was eine reelle Zahl ist. Nur zeigen sich, wie bei vielen Axiomensystemen, unerwartete dem Alltagsverstand zuwiderlaufende Folgerungen. Die Idee, die reellen Zahlen auf die algebraischen einzuschränken, würde starke Nachteile bei den praktischen Anwendungen der Mathematik mit sich bringen, da viele wichtige Funktionen, wie die trigonometrischen Funktionen, die Exponential- und Logarithmusfunktion, als Werte reelle Zahlen besitzen.



    Den kontraintuitiven Charakter der reellen Zahlen hat übrigens Émile Borel 1927 demonstriert, indem er gezeigt hat, dass man das gesamte Wissen der Menschheit, ja sogar eine unendliche Menge von Information in eine reelle Zahl hineinstecken kann und dass diese dann, als ein Art Orakel, sämtliche in einer Sprache stellbaren Fragen beantworten können müsste. Er sah dies damals vom Standpunkt des Konstruktivismus als eine absurde Konsequenz der Verwendung reeller Zahlen an, aber der Hauptstrom der mathematischen Forschung ist ihm nicht in dieser Einschätzung gefolgt.



    Bernulf Kanitscheider

  • Kontinuumsproblem ein Scheinproblem

    02.06.2009, Prof. a. D. Dr. F. Ischebeck, Münster
    In meinen Augen ist das Kontinuumsproblem ein Scheinproblem, geboren aus der Unschärfe des Begriffs der Menge aller reellen Zahlen, sowie dem der Menge aller ihrer Teilmengen und der Menge aller Abbildungen zwischen diesen. Mit einem endlichen Alphabet kann man schließlich nur abzählbar viele dieser Objekte beschreiben, und es bedarf selbstbezüglicher (imprädikativer) Begriffsbildungen – deren Gefährdung, Widersprüche zu erzeugen, des öfteren im "Spektrum" diskutiert wurde –, um über diese grundsätzliche Abzählbarkeit hinauszukommen.

    Das Prinzip des ontologischen Maximalismus ist nun wirklich Glaubenssache. Ein Prinzip, mit dem sich die Existenz Gottes beweisen lässt, ist doch per se verdächtig. Auf diesem Prinzip ein mathematisches Universum zu errichten, ist sicher nur eine von mehreren Möglichkeiten. Es gibt auch ein Prinzip der "pragmatischen Bescheidenheit": Man beschränke sich auf das mathematische Universum der im gödelschen Sinne konstruktiblen Mengen.

    Der gödelsche Beweis der relativen Konsistenz der Kontinuumshypothese zeigt gerade, dass in diesem Universum die Kontinuumshypothese gilt. Warum ist dieses Prinzip sinnvoll, und zwar für mich in gleichem Maße wie das des ontologischen Maximalismus? Antwort: Ich kenne keinen mathematischen Satz (der sich nun nicht gerade mit der Kontinuumshypothese oder großen Kardinalzahlen beschäftigt), der sich in diesem Universum nicht aussprechen und beweisen ließe. (Oliver Deiser schreibt in seinem schönen Buch "Reelle Zahlen" (Springer 2007) im Kleingedruckten auf Seite 392, er könne sich durchaus vorstellen, dass die Mathematik den Weg dieses Prinzips historisch gegangen wäre.)

    Darüber hinaus möchte ich folgende Wette eingehen: Es werden irgendwann auch "gute" Axiome der Mengenlehre gefunden werden, auf Grund derer sich zeigen lässt, dass es unendlich viele Kardinalzahlen zwischen ℵ 0 und 2 0 gibt, und nicht nur eine.

    Dies soll kein Angriff gegen Delahaye sein, dessen Artikel ich mit Interesse gelesen habe. Schon gar nicht möchte ich gegen Cantor polemisieren, dessen Beweis der Überabzählbarkeit der Menge der reellen Zahlen zu meinen beeindruckendsten Jugenderlebnissen zählt. Ihm musste sich das Kontinuumsproblem doch ganz natürlich stellen.
  • Weit hergeholt

    31.05.2009, Liane Mayer, Wien
    Also, dass man diese Methode auch verwenden kann, um Alibis zu überprüfen, scheint mir doch sehr weit hergeholt!
    Welches Alibi besteht denn darin, dass jemand sagt: "Ich bin zwei Wochen im Ausland gewesen!"? Im Allgemeinen lauten schwer überprüfbare Alibis doch eher "Hab in meinem Zimmer geschlafen" oder "Bin ganz allein spazieren gegangen" und beziehen sich auf einen eng begrenzten Zeitraum von wenigen Stunden. Wie will man einem Haar die Information entlocken, dass der Verdächtige genau während dieser Stunde(n) an einem nur wenige Kilometer (oder wenige 100 Meter) vom Tatort entfernten Ort war?
    Allenfalls könnte man die Haaranalyse forensisch einsetzen, um herauszufinden, in welchem Land ein Mordopfer seine letzten Lebenswochen verbracht hat. Aber Alibis - eher nein!
  • Massenfehler

    29.05.2009, Daniel Schiller, Köln
    Auf S. 27 im Kasten steht für die Masse: "1,08x1020 Kilogramm", gemeint ist bestimmt 1,08x1020Kilogramm.
  • Tierischster Leser

    29.05.2009, Dr. Wilfried Stoll, Möhnesee
    Von der "Allerjüngsten Leserin" war unser Leser Dr. Wilfried Stoll so amüsiert, dass er uns ein Bild von seinem Spektrum-lesenden Dackel geschickt hat - eine, wie er sagt "recht simple Fotomontage, die den Witz der Zuschrift unterstreichen soll":



    Er schreibt dazu:


    "Auch unser vierjähriger Dackel lasst es sich seit zwei Jahren nicht nehmen, allmonatlich das "Spektrum der Wissenschaft" zu lesen. Fragen gestellt hat er noch nie. Vermutlich weiß er schon alles."
  • "Prof, do you really believe this?"

    28.05.2009, J. Brehe, Pollhagen
    Einen interessanten Beitrag zum Thema haben Carlo Rovelli und Co-Autoren verfasst: "A Dialog on Quantum Gravity", als kostenloser Download zu finden unter arxiv.org/abs/hep-th/0310077.

    Im Original heißt es dort:
    "The debate between loop quantum gravity and string theory is sometimes lively, and it is hard to present an impartial view on the issue. Leaving any attempt to impartiality aside, I report here, instead, a conversation on this issue, overheard in the cafeteria of a Major American University."
    Stellungnahme der Redaktion

    Der amüsante und lesenswerte Text - ein fiktives Gespräch eines Professors für Stringtheorie mit einer Studentin, die sich stattdessen für "loops" interessiert - kam laut Rovelli unter anderem mit Hilfe von Lee Smolin, Abhay Ashtekar und Juan Maldacena zustande.


    Rovelli, der für Spektrum bereits über "Fluch und Segen spekulativer Theorien" schrieb, lehrt am Centre de Physique Theorique de Luminy der Universität Marseille.

  • Behauptung stimmt nicht

    28.05.2009, B. Schupp, Petris/Rumänien
    Die Behauptung von Herrn Braun stimmt nicht, "ohne Pflug könne man der Unkräuter nicht Herr werden". Hier nun als Allheilmittel gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und Totalherbizide ins Spiel zu bringen, ist empörend.
    Anstatt bereits seit langem bekannte mechanische Maßnahmen (früher gab es sogenannte "Hackfrüchte") oder Mulch, Untersaat etc. zu nutzen, soll hier ein für die Ökosysteme schädliches System durch die Hintertür eingeführt werden, dessen einziges Ziel die Mehrung des Profits der Hersteller ist.
    Außerdem sollte man auch über den (Un-)Sinn großflächiger Monokulturen nachdenken, die Schädlingsausbreitung im großen Maßstab erst ermöglichen. Auch hier hat die biologische Landwirtschaft Alternativen anzubieten, die durchaus praktikabel sind.
  • Spannender Richtungsstreit in der Volkswirtschaftslehre

    27.05.2009, Dr. Uwe Stroinski
    Für die Karrieren der in Deutschland praktizierenden Volkswirte wird wahrscheinlich das am 27.04.2009 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienene Pamphlet „Rettet die Wirtschaftspolitik an den Universitäten!“ durchaus richtungsweisend sein.

    Aus diesem „Aufruf von 83 Professoren der Volkswirtschaftslehre“ wider die Mathematisierung der ökonomischen Theorie zitiere ich:

    „In der volkswirtschaftlichen Theorie herrscht die Tendenz vor, aus jeweils gewählten Annahmen logische Schlussfolgerungen abzuleiten. Das jeweilige Ergebnis ist bereits vollständig in den Annahmen enthalten. Diese Methodik garantiert formale Rigorosität, ist aber für die Analyse realweltlicher Wirtschaftspolitik wenig geeignet.“

    Mit anderen Worten, die Anwendbarkeit der axiomatischen Methode auf real existierende ökonomische Problemstellungen wird gänzlich in Abrede gestellt. Damit wird natürlich ein Tabu gebrochen, denn wie sonst außer axiomatisch-reduktionistisch sollten theoretische Wissenschaften denn betrieben werden? Diese Alternativlosigkeit ist schließlich moderner Konsens und somit wird ein Kompromiss zwischen den Parteien vollkommen ausgeschlossen.

    Das ist der Richtungsstreit, dem sich eine junge, angelsächsisch geprägte, Generation von deutschen Ökonomen ausgesetzt sieht. Econophysics spielte dabei bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Ob sich das ändert? Bitte bleiben Sie für uns am Ball, Herr Springer.

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