Direkt zum Inhalt

Kommentare - - Seite 1014

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Fehlentwicklungen bei Elektromobilität von vornherein vermeiden

    18.05.2009, Dipl.-Ing. Gottfried Heumesser, Wien
    Der Bedarf an Regelleistung bzw. an ausgebauter Regelleistung ist eigentlich historisch schwankend. In den Jahren bis 1960 waren Dampfkraftwerke sehr schlecht regelbar und erforderten daher viel Regelleistung, die von Mittel-und Hochdruck-Wasserkraftwerken aufgebracht werden musste. Aus dieser Zeit stammte z.B. die Kooperation zwischen RWE und den Vorarlberger Illwerken (VIW).

    Ich kannte auch ein Dampfkraftwerk aus den 1950er Jahren, das eine Kaltstartzeit von 72 Stunden hatte. Man konnte es daher nicht einmal über das Wochenende abschalten und musste die erzeugte Überschussenergie verpumpen.

    Ab den 60er Jahren wurde die Dynamik von Dampfkraftwerken wesentlich erhöht, die Anfahrzeiten liegen teilweise unter 4 Stunden. So wurde vor einigen Jahren in Wien ein (soeben planmäßig umgebauter) Kombiblock täglich angefahren und abgestellt. Dadurch ist natürlich der relative Bedarf an Ausgleichs- bzw. Regelenergie im Netz gesunken.

    Nunmehr ist aber wieder der Bedarf gestiegen, weil die alternativen Energieerzeuger vielfach eine kaum planbare Einspeisung darstellen. Ein Hydrologe kann sehr gut für den nächsten Tag die Wasserfracht eines größeren Flusses angeben, ein Meteorologe hat mit dem Wind viel mehr Schwierigkeiten. Solcherart haben vor wenigen Jahren RWE und EON infolge einer unerwartet hohen Windkrafterzeugung in Norddeutschland das UCTE-Netz "zerlegt". Einige Millionen Leute saßen kurzzeitig im Finsteren, und Kontinentaleuropa ist knapp am großen Blackout vorbeigeschrammt. Ähnlich schaut es mit Solarenergie aus, da muss Energie für die Nachtzeiten gespeichert werden. Da sieht man, wie "schlau" die von Brüssel verordnete Trennung zwischen Erzeugung und Netzbetrieb ist. Sie war ja auch am "Italien-Blackout" nicht ganz unbeteiligt.

    Jedenfalls sind derzeit in Österreich ca. 1,5 GW Pumpleistung in Bau bzw. in Planung, wobei nahezu ausschließlich vorhandene Stauseen verwendet werden. Eine weitere Möglichkeit zur Vergleichmäßigung des elektrischen Energiebedarfs wurde durch die Tonfrequenz-Rundsteuer-Anlagen (TRA) geschaffen. Dabei werden Verbraucher zentral gesteuert zu- und abgeschaltet. Das erfolgt heute in zahlreichen Gruppen und wird mittels Prognoseprogrammen zentral geplant. Dem Verbraucher wird eine bestimmte Einschaltdauer garantiert, wofür er einen geringeren Arbeitspreis zahlt. Solcherart ist es heute möglich, z.B. den Verbrauch im Bereich von Wienstrom (über 2 Millionen Einwohner im Versorgungsgebiet) über den Tag auf wenige Prozent gleichmäßg zu halten.

    Probleme machen natürlich Sonderfälle, wie verhält sich z.B. der Verbrauch während eines Fußball-EM-Endspiels, da gibt es zu wenig vergleichbare Ereignisse. Früher war das anders: Da gab es bis in die 70er Jahre einen Stromliefervertrag zwischen Verbund und Wienstrom, der starre Tag- und Nachttarife vorsah. Mit dem Erfolg, dass Wienstrom um 6 Uhr fast ein GW an Verbrauch nahezu schlagartig ausschaltete. Daher musste der Verbund vorher einige Speicherkraftwerke anfahren, um den negativen Laststoß; auffangen zu können.

    Ihre Idee, die Akkumulatoren von Elektroautos zur Energiespeicherung zu verwenden, ist daher verständlich. Wenn die Ladezeiten entsprechend kurz sind, kann man natürlich auch mit TRA arbeiten. Wenn ich das Auto für den oft kurzen Weg zur Arbeit verwende, ist das kaum ein Problem. Will ich aber eine große Reise antreten, wäre ein voller Akku durchaus wünschenswert. Und wenn ich an einer Raststätte auch elektrisch tanken will, soll das Auto nach der Essenspause wieder voll sein, ich will ja in einem Tag von Wien nach Köln oder gar Paris kommen.

    Zukünftige Akkus sollen ja derartig kurze Ladezeiten ermöglichen, das bewirkt natürlich entsprechende Laststöße im Verbrauch. Rechnen Sie einmal die im Schlauch bei einem normalen Tankvorgang übertragene Leistung nach! Ich kam auf größenordnungsmäßig 10 MW. Gruselwerte für einen "Privaten".

    Auch bei bei zukünftigen Akkus wird das Laden natürlich nicht in einer Minute gehen, aber auch bei 30 bis 60 Minuten kommen schöne Leistungen zustande, und die will ich nicht irgendwann haben, sondern während einer erweiterten "Pinkel-Pause".

    Auch bezweifle ich sehr, dass sich tarifliche Maßnahmen zur Laststeuerung eignen: Fällt der Strompreis unter ein Limit, würden sich sofort zahlreiche Verbraucher "ans Netz knallen", und wir hätten sofort eine herrliche unkontrollierte Lastspitze. Wie mathematisch instabil unser Kapitalsystem ist, bekommen wir ja gerade vorgeführt. Und auch die Börsen haben erkannt, dass sie ihre Kurse verzögert online bekannt geben müssen, sonst springen sofort die "Heuschrecken".

    Dass die Verteilnetzbetreiber interessiert sind, einerseits das Ablesepersonal einzusparen und andererseits die Tarife flexibler zu gestalten, ist klar. Als Extremwerte sind mir Spotpreise zwischen 0,5 und 2 Euro pro Kilowattstunde bekannt. Auch der letzte Ölpreis-Schock zeigte, dass die elektrische Energieversorgung zu langsam auf die Preise reagieren kann. Aber es sind auch Leute reich oder arm geworden, weil ihr Tanker so lange auf dem Ozean geschwommen ist. Um die neuen "Smart Meters" durchzusetzen, die natürlich teurer als die alten Ferraris-Zahler sind, wird mit den tollsten Argumenten geworben.

    Generell hätte ich mir bei dem Artikel gewünscht, dass er in Zusammenarbeit mit erfahrenen Netzbetriebs-Technikern entstanden wäre. Die können sich mitunter an Probleme und Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte erinnern und manches vermeiden, was sie schon ähnlich einmal erlebt haben.
  • Diesel ist die Zukunft des Straßenverkehrs

    16.05.2009, Christian Bartsch, Dieburg
    Wenn Herr Löser das schöne, neue Elektroauto- Zeitalter beschreibt, schießt er an der Praxis vorbei. Natürlich wird an den Komponenten geforscht, das ist für jeden Automobilhersteller und Zulieferer außerordentlich wichtig. Und zwar nicht nur fürs Elektroauto!

    Aber die Praxis ist ernüchternd. Opel Ampera und BMW X3 benutzen keine Lithiumionenbatterie, sondern Nickel-Metallhydrid. Wann solche Batterien auch mit Li-Technik zu haben sein werden, wissen wir noch nicht. Für die Automobilindustrie weitaus wichtiger ist die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors. VW etwa hat beim Internationalen Wiener Motorensymposium zwei neue Motoren vorgestellt, die zunächst im neuen Polo, später auch in anderen Modellen quer durch den Konzern verwendet werden. Gegen Anfang des kommenden Jahres kommt ein weiterer hinzu, der im Polo nur noch 3,2 Liter pro 100 Kilometer verbraucht.

    Hier ist mit dem Polit-Schlagwort "Hybrid" nichts mehr zu holen, aber auch ein reines Elektroauto hat dagegen nicht die geringste Chance: Bei Energieverbrauch (auch elektrischer Strom ist Energie!), Gewicht, Reichweite, Fahrbarkeit und Sicherheit im täglichen Umgang ist der Diesel nicht zu schlagen. Auch in 20 Jahren nicht, denn dann ist der Diesel noch besser geworden.

    Herrn Löser scheint zudem entgangen zu sein, dass die Mineralöl- und Automobilhersteller synthetische Kraftstoffe entwickelt haben, die nicht in die Nahrungskette eingreifen wie etwa BTL, das den Diesel verbessert und seine Weiterentwicklung begünstigt. Hier liegt die Zukunft des Straßenverkehrs, nicht etwa beim Elektroauto.
  • Ist das logisch zulässig?

    15.05.2009, Peter Kühn, Bremen
    "... das von uns beobachtete Universum (muss) für die Entwicklung intelligenten Lebens geeignet sein, da wir sonst nicht existierten, um es zu beobachten."

    Wahrscheinlich wiederhole ich hier nur einen schon längst vorgebrachten Einwand. Also erinnere ich nur an ihn, erinnere zugleich an einen alten RUSSELLschen Satz. Das "Prinzip" besteht aus zwei Sätzen: 'das von uns beobachtete Universum ist für die Entwicklung intelligenten Lebens (d. i. Leben, das seine Umwelt beobachten kann) geeignet' (Antezedens, A); und: 'wir existieren (als intelligentes Leben), um das Universum zu beobachten' (Konsequens, K).

    Übergehen wir das Problem des in dieser Formulierung des anthropischen Prinzips versteckten teleologischen Ansatzes - wir existieren, "um" es zu beobachten; warum nicht: "... und es beobachten"? - und fragen nach seiner logischen Möglichkeit. Wir bemerken: Das anthropische Prinzip schließt vom Konsequens zurück auf das Antezedens, wir leiten aus der Tatsache, dass wir die Welt beobachten (und demnach intelligentes Leben sind/sein sollen?), nach dem Paradigma der Evolutionstheorie ab, dass ein Element im Beobachteten für die Entwicklung des Beobachters "geeignet" sein müsse. Ist es aber logisch zulässig zu sagen: Weil K, darum A, oder: wenn K, dann A?

    Gemäß der Wahrheitstafel der Konditionalsätze folgt aus einem wahren Antezedens (etwa der empirisch überprüften Tatsache: es regnet) das wahre Konsequens (etwa: die Straße ist naß); dieser Schluss ist nach der Definition der als Implikation bezeichneten Folge zweier Sätze wahr.
    Nicht wahr, also falsch ist nach ebenderselben Wahrheitstafel die Folge der Sätze: aus einer wahren Feststellung (die Straße ist naß), als Konsequens gesetzt, folgt ein als früher angenommenes wahres Antezedens (es hat geregnet)!

    Der - logische! - 'Rück'-schluss von einem Sachverhalt auf einen ihn bedingenden Grund ist unzulässig! Irgendjemand hätte z. B. ja auch eine Badewanne auskippen, ein Wasseerrohrbruch hätte die Straße überschwemmen können usw. usw. Dass es irgendeinen Grund für die nasse Straße geben müsse, verlangt nur unser Verstand, der trotz aller HEISENBERGschen Warnungen mit dem obsoleten Kausalitätsprinzip hantiert.

    Wenn wir gegenwärtig das Universum beobachten 'können', besagt das über ein unsere Beobachtungsfähigkeit bedingendes Universum gar nichts, weil alles Mögliche! Aus der Tatsache, dass wir die Fähigkeit haben, das Universum zu beobachten, lässt sich weder eine Aussage deduzieren, wie sein früherer Zustand beschaffen gewesen sein müsse, noch überhaupt eine Aussage über die Existenz eines vorausgehenden Zustandes.

    So plausibel das anthropische Prinzip erscheint, es ist doch kein logisches. Es ist nur Erfahrungsgrundsatz oder Ausdruck einer empirischen Allgemeinheit, von der man allerdings, sollte sie von wissenschaftlicher Relevanz sein, angeben müsste, wie sie falsifiziert werden könnte ...
    Aufgrund des Verbots, logisch von einer Feststellung einer Tatsache auf ein ihr Vorausgehendes zu schließen, formulierte B. RUSSELL Anfang des 20. Jh. die Hypothese, dass die Welt nicht älter als 5 Minuten (für die Zeit etwa, in der noch frische Erinnerungen in unserem Gedächtnis vorhanden sind) sei.

    RUSSELL ist sogar so konsequent, aus der Wahrheitstafel der Konditionalsätze zu folgern, dass wir noch nicht einmal behaupten könnten, unserer jetzigen Existenz ginge irgendetwas voraus! (Wenn wir nichts definieren können, können wir auch nicht von irgend-'etwas' sprechen!) Alle logisch deduzierten Sätze über die Vergangenheit sind unzulässig.

    Dies interpretiert WITTGENSTEIN so: unsere Rede von der Vergangenheit ist ein Element des Grundmusters oder des Paradigmas unseres Sprachspiels. In unserer Sprache gehen wir immer schon davon aus, dass ein sprachlicher Ausdruck mit anderen vermittelt sei, von ihnen abänge.

    Und als solches Paradigma muss wohl auch das anthropische Prinzip aufgefasst werden. Mit KANT kann man es auch eine regulative Idee nennen, ein heuristisches Prinzip, das fordert, zu jedem 'gegenwärtigen' Ereignis eine vorausgehende Ursache zu suchen. Meint man aber mit PLATON, OCKHAMs "razor" ins Futteral steckend, es sei selbst ein 'objektives', die 'Wirklichkeit' ontologisch fundierendes Prinzip, dem unser Denken strukturell entspreche - auch die scholastische Theorie der Hinordnung des Verstandes auf die Wirklichkeit -, wiederholt man ein altes, längst totgesagtes metaphysisches Spiel, für das Bestehende einen gedachten Grund zu konstruieren, - letztendlich einen Gott.
  • So lange war er nicht in Leningrad

    15.05.2009, Harald Henkel
    Auf Seite 76 (mittere Spalte) findet sich ein kleiner Fehler in Gromovs Lebenslauf.
    Es klingt so, als sei er nach seinem ersten Abschluss weitere 15 (4+4+7) Jahre in Leningrad/Sankt Petersburg gewesen. Dann wäre er ja erst im Jahr 1980 (1943+22+15) ausgewandert.
    Nach seiner Habilitation war er aber dort nicht weitere 7 Jahre als Assistenzprofessor, sondern diese 7 Jahre fingen 1967 an, 2 Jahre nach seiner ersten Promotion, und endeten ein Jahr nach seiner Habilitation, als er nach USA auswanderte.

    Nachzulesen übrigens auf Wikipedia.
  • "Ich will das gar nicht ausschließen" - Dieter Lüst antwortet auf Leserbriefe

    15.05.2009, Professor Dr. Dieter Lüst, München
    Die Stringtheorie ist die bisher einzige Theorie, die alle in der Natur beobachteten Kräfte in einem vereinheitlichten Gebäude beschreiben kann. Insbesondere macht sie eine ganz generische und wichtige Vorhersage: Die Existenz der Gravitationskraft wird in der Stringtheorie impliziert, ohne dass man sie zuvor in die Theorie hineingesteckt hätte. Die gravitationale Anziehung wird dabei durch geschlossene Strings, also Schleifen vermittelt – und diese sind immer in der Theorie vorhanden, ganz egal, was sonst noch mit ihr passiert. Man kann diese generische Vorhersage, die allein aus der mathematischen Struktur der Theorie folgt, nicht hoch genug einschätzen.

    Ferner sagt die Stringtheorie voraus, dass es auch weitere Kräfte in der Natur geben muss, sogenannte Eichwechselwirkungen wie die elektromagnetische Kraft oder auch die starke und schwache Kernkraft. Diese werden im Prinzip auf die gleiche Stufe wie die Gravitationskraft gestellt. Und schließlich folgt aus der Stringtheorie die Existenz von Materie wie Quarks und Elektronen.

    Wie nun die Details der Elementarteilchen und die Form der mikroskopischen Kräfte aussehen, die Gravitation ist hier ausdrücklich ausgenommen, das ist im Moment nicht vorherbestimmt. Denn dafür gibt es nach heutigem Kenntnisstand in der Tat sehr viele verschiedene Möglichkeiten. Diese hängen davon ab, wie die Details der zusätzlichen räumlichen Dimensionen in der Stringtheorie beschaffen sind.

    Die Vielzahl der Stringwelten mit verschiedenen mikroskopischen Kräften, Elementarteilchen und verschiedenen Naturkonstanten - das heißt die logische Möglichkeit, dass eine große Anzahl von verschieden aussehenden Universen existiert -, lässt sich nun in der Tat gut mit dem anthropischen Prinzip erklären.

    Dennoch sollte man dieses anthropische Prinzip immer mit der gebotenen Vorsicht behandeln. Herr Michael, dessen Leserbrief hier ebenfalls veröffentlicht ist, hat recht, es gibt unter Umständen noch andere denkbare Universen, die auch intelligentes Leben, also Beobachter zulassen.

    Zum Bespiel wird dies in einer Arbeit von Anthony Aguirre aus dem Jahre 2001 erklärt, The Cold Big-Bang Cosmology as a Counter-example to Several Anthropic Arguments. Der Autor gibt hier Gründe dafür an, dass menschliches Leben auch nach einem "kalten" Big Bang entstanden sein könnte (die meisten Kosmologen gehen hingegen von einer extrem heißen "Ursuppe" und entsprechend unterschiedlichen Folgeprozessen aus, Anm. d. Red.).

    Ich will das gar nicht ausschließen. Interessanterweise aber gibt derselbe Autor zusammen mit Max Tegmark, Martin Rees (einem der Urväter der anthropischen Idee) und Frank Wilczek (Nobelpreis im Jahre 2004 für die Entdeckung der asymptotischen Freiheit in der starken Wechselwirkung) in einer weiteren Arbeit aus dem Jahre 2005, "Dimensionless constants, cosmology and other dark matters", sehr starke Argumente für das anthropische Prinzip, die mit der Häufigkeit von dunkler Materie und sogenannten Axionen zu tun haben.

    Ich bin auch der Meinung, dass das anthropische Prinzip nicht unbedingt vollkommen eindeutig sein muss. Es reicht aus, dass es in einer Vielzahl von Möglichkeiten einige, wenige bevorzugte Szenarien gibt. Man sieht also, die Sache ist also noch weit offen für weitere Debatten, Diskussionen und wissenschaftliche Untersuchungen.

    Wie gesagt, die Stringtheorie hat viele mathematische und physikalische hervorstechenden Eigenschaften, insbesondere
    das vollkommen natürliche und generische Auftreten von Quantengravitation. Dennoch sind viele Quanteneigenschaften
    von Raum und Zeit in der Stringtheorie sicher noch sehr unvollständig verstanden; insbesondere ist es schwer, die Theorie unabhängig von einem bestimmten Hintergrundsraum zu formulieren, oder anders ausgedrückt, es ist noch nicht klar, ob und wie Quantengravitationseffekte einen bestimmten Hintergrundsraum auswählen könnten, was eventuell auch die vielen, verschiedenen Lösungen wieder einschränken würde.

    Dennoch ist die Stringtheorie ihrer Konkurrentin, der Schleifen-Quantengravitation, in vielerlei Hinsicht überlegen: Die Schleifen-Quantengravitation kämpft selbst noch mit etlichen ungelösten Problemen, etwa mit der genauen dynamische Beschreibung der Gravitation, da man hier die Anzahl der Freiheitsgrade oft stark reduziert.

    Ferner kann man in der Schleifen-Quantengravitation die Elementarquanten der Gravitation - die Gravitonen mit Eigendrehimpuls 2 (analog zu den Lichtteilchen, den Spin-1-Photonen in der Quantenelektrodynamik) - nicht gut beschreiben, während sie in der Stringtheorie automatisch enthalten sind.

    Und schließlich werden in der Stringtheorie die Gravitationskraft und die anderen mikroskopischen Kräfte ganz gleich behandelt, denn die Stringtheorie liefert als einzige Theorie eine vereinheitlichte Beschreibung aller Kräfte und Teilchen.
  • Zum Widerstand bei turbulenter Umströmung

    14.05.2009, Tobias Winnemöller, Aachen
    Auf Seite 85 schreibt der Autor, dass turbulente Strömungen weniger Widerstand erzeugen als laminare. Diese Aussage ist mitnichten allgemeingültig. Vielmehr trifft sie nur in den Fällen zu, in denen eine Ablösung und dadurch ein erhöhter Druckwiderstand auftritt. Die turbulente Genzschicht kann der Kontur bei positivem Durckgradienten länger folgen als eine laminare, dadurch wird der Ablösepunkt nach hinten verschoben, der Druckrückgewinn verbessert und der Widerstand reduziert. Beispiele hierfür sind in der Tat auch die erwähnten Golfbälle und Motorradhelme.

    Bei anliegenden Strömungen wird hingegen versucht, die Grenzschicht laminar zu halten und so den Widerstand zu reduzieren (zum Beispiel in Rohren). Eine Möglichkeit hierzu bieten zum Beispiel der Haihaut nachempfundene so genannte riblets (die allerdings nur funktionieren, wenn man sie regelmäßig reinigt - was auch nicht ganz einfach ist).

  • Plausibilität ist noch kein Beweis - Antwort auf G. Berauer

    13.05.2009, Vera Spillner, Heidelberg
    Lieber Herr Berauer,

    die Frage danach, ob unsere Welt aus unendlich vielen Stringmodellen hervorgeht oder nicht, ist hochspannend und natürlich auch derzeitiges mathematisch/physikalisches Forschungsgebiet. Ich möchte an dieser Stelle nur meine Zweifel äußern, dass Sie mit einem Plausibilitätsargument bereits die Unendlichkeit des Lösungsraumes beweisen können - natürlich besteht weiterhin die Möglichkeit, dass Sie Recht haben; warum die Menge aber möglicherweise endlich ist, möchte ich kurz andeuten.

    Es lässt sich außerhalb mathematischer Gleichungen nur schwer veranschaulichen, warum es keineswegs beliebig viele Theorien geben muss, die in 11 Dimensionen (oder 10) existieren und unsere 4-dimensionale Welt erzeugen - wohl gemerkt: möglich ist es, aber nicht zwingend oder trivialerweise kontingent.

    Vielleicht kann man es so sehen, und verzeihen Sie mir, wenn ich allzu Bekanntes kurz wiederhole: Das derzeit anerkannteste Modell der Stringtheorie geht davon aus, dass die zusätzlichen 6 oder 7 (ich spreche fortan von 6) Dimensionen kompaktifiziert sind und an jedem Raumzeitpunkt des Minkowskiraumes angeheftet sind. Die Art und Weise, wie diese Extradimensionen kompaktifiziert sind, bestimmt dann beispielsweise die Teilchengenerationenzahl und die kosmologische Konstante der großen Dimensionen.

    Wie Sie wissen, spricht man davon, die zusätzlichen Dimensionen seien "gefaltet" - mathematisch kann man dies mit Hilfe von Mannigfaltigkeiten beschreiben. In den letzten Jahren zeigte es sich, dass nicht jede beliebige Mannigfaltigkeit unser Universum erzeugt - im Gegenteil. Vielmehr scheinen bestimmte Unterklassen, wie beispielsweise die so genannten Calabi Yau-Mannigfaltigkeiten, die besten Kandidaten zu sein, um unser "großes Universum" zu erzeugen. Das ist eine erste starke Einschränkung im Raum aller möglichen Mannigfaltigkeiten, also aller Lösungen.

    Auch innerhalb dieser Klasse bedarf es jedoch starker Einschränkungen. So tragen beispielsweise Untermannigfaltigkeiten der Calabi Yaus und weitere topologische Eigenschaften des kompakten Raumes dazu bei, die Struktur des großen Raumes zu ändern. Mit der Zeit zeigte es sich, dass nur sehr spezielle Calabi Yau-Mannigfaltigkeiten geeignet sein werden, einen Minkowskiraum mit kleiner kosmologischer Konstanter und drei Teilchenfamilien zu erzeugen - beispielsweise müssen die Untermannigfaltigkeiten mit "komplexer Kodimension 1" gerade so in die Rechnung eingehen, dass das Potential in den kompaktifizierten Dimensionen ein Minimum erhält, das klein und positiv ist (wie eben unsere kosmologische Konstante).

    Diese Einschränkungen sind alle sehr streng und es ist von niemandem bislang bewiesen worden, dass die Untergruppe möglicher Kandidaten, die allen Einschränkungen genügen, abzählbar unendlich oder gar überabzählbar sein muss - diese Menge könnte durchaus endlich sein oder sogar aus genau einer Mannigfaltigkeit bestehen.

    Kann es sein, dass es auch andere Mannigfaltigkeiten als Calabi Yaus gibt, so dass am Ende doch wieder unendlich viele 10-dimensionale Kombinationen existieren, die unsere Welt beeinhalten? Das ist keineswegs klar und nicht mit Plausibilitätsargumenten zu erschlagen.

    Dagegen spricht zumindest, dass die Stringtheoretiker momentan von etwa 10100 prinzipiell möglichen Kompaktifizierungen ausgehen - nicht von unendlich vielen. Wäre auch nur jede davon geeignet, unser Universum zu beschreiben, so wäre es immer noch eine endliche Menge von Lösungen.

    Ich hoffe, ich konnte meine Zweifel an Ihrem Argument verdeutlichen - auch, wenn ich mir bewusst bin, dass das keinesfalls eine Widerlegung darstellt, das ist ja klar.

    Bezüglich der verborgenen Parameter: Viele Vertreter dieser Richtung (John Bell, David Bohm, Peter Holland...) gehen davon aus, dass die Parameter nicht für immer verborgen sein müssen, sondern dass die Quantenmechanik sich zur darunterliegenden Theorie einst verhalten wird wie die Thermodynamik zur Statistik - nämlich als stochastischer Limes einer eigentlich deterministischen Fundamentaltheorie. Der Name "verborgene Variable" ist somit eigentlich etwas missverständlich.

    Auch der Kollaps eines einzelnen Photons (das ohne Messung über den Raum ausgedehnt ist) wäre dort ein deterministischer Prozess, bei dem auf nichtlokale Weise der gesamte "Aufenthaltsbereich" des Photons aufgrund bislang verborgener Gesetze instantan kollabieren würde.

    Ob unsere Welt offen und indeterministisch ist, lässt sich mit Hilfe der Bellschen Ungleichungen keinesfalls beweisen. Und übrigens: Selbst eine stochastische Welt kann determiniert sein! Dann geschähe zwar eine Entscheidung unter Umständen ohne Kausalverbindung zu einer Ursache - der Ausgang der Entscheidung könnte jedoch in einem vierdimensionalen Raumzeitgebilde bereits feststehen! Dazu empfehle ich Ihnen u.a. das Buch "Physical Causation" von Phil Dowe.

    Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass die Stringtheorie meines Erachtens trotz ihrer 40 oder 50 Jahre durchaus noch in den Kinderschuhen steckt. Zwar wissen wir inzwischen, dass die M-Theorie alle Stringtheorien über Dualitätstransformationen verbindet (das war ein Schritt hinaus aus den Kinderschuhen), dennoch ist bislang kein Selektionsprinzip für Mannigfaltigkeiten entdeckt, das helfen würde, die Klasse möglicher Lösungen einzugrenzen - ein großes Problem, da man nicht alle 10100 Mannigfaltigkeiten einzeln testen kann. Wäre dies gefunden, dann wäre die Stringtheorie meines Erachtens erwachsen geworden.

    Da im Rhythmus der 10-jährigen Stringrevolutionen momentan etwas mehr als 10 Jahre vergangen sind, warten Stringfreunde wie ich momentan gespannt auf Fortschritte!

    Herzliche Grüße Ihnen,
    Vera Spillner
  • Nicht von "Wahrheit" reden - Antwort auf V. Spillner

    13.05.2009, Dr. Gunter Berauer, München
    Liebe Frau Spillner, ich habe nicht vorschnell die Stringtheorie verurteilt, sondern sie nur kritisch betrachtet. Dabei habe ich auch Lee Smolin zitiert, der die Stringtheorie für gescheitert hält, weil sie nach seiner Ansicht bisher nur sehr wenige von den Erwartungen an sie erfüllt hat. Da sich schon mehr als dreißig Jahre Heerscharen von Physikern weltweit und permanent mit ihr beschäftigen, kann man eigentlich auch nicht sagen, die Theorie stecke noch in den "Kinderschuhen", wie Sie sagen.

    Die Theorie hat grundsätzliche Mängel, wie eben z.B. ihre Nichtfalsifizierbarkeit, was ja auch von niemandem bestritten wird. Und dann gibt es eben noch die sich aus der Multidimensionalität ergebende prinzipielle Theorienvielfalt. Es besteht sicher kein Zweifel daran, dass es beliebig viele Gebilde, Gegenstände und Vorgänge in höheren Dimensionen gibt, die sich alle in exakt derselben Weise in einem 4D-Unterraum auswirken bzw. sich in diesen hinein projizieren. Warum dies bei den hier betrachteten Theorien anders sein sollte, ist für mich nicht einsichtig.

    Was die Einfachheit anbetrifft, so sollten wir natürlich, um uns die Arbeit zu erleichtern, aus pragmatischen Gründen aus vielen möglichen Theorien die einfachste heraussuchen. Das sagt aber nichts darüber aus, wie es denn wirklich in dem elfdimensionalen Raum aussieht oder ob es denn wirklich genau elf Dimensionen sind. Alle Beschreibungen von multidimensionalen Überwelten, die unsere 4D-Welt erklären, könnten zutreffen, wir haben aber grundsätzlich keine Möglichkeit herauszufinden, welche die "wahre" ist.

    Ob es nun unendlich viele oder nur eine endliche Vielzahl möglicher 11D-Theorien für unsere 4D-Welt gibt, ist nicht so wichtig. Dass es aber nur wenige oder gar nur eine einzige geben sollte, muss man schon allein aufgrund der von mir angestellten geometrischen Überlegungen für ausgeschlossen halten. Ich komme damit wieder zu dem Schluss, dass es recht unwahrscheinlich ist, dass es in der multidimensionalen Welt genauso aussieht, wie die Stringtheorie es beschreibt.

    Noch ein Wort zu den verborgenen Variablen. Diese sind seinerzeit erfunden worden, um den (quantenmechanischen) Zufall aus der Physik und damit aus unserer Welt wieder zu vertreiben. Selbst wenn Bells Beweis solche Variablen nur bei lokalen Ereignissen ausschließt, dann sind doch zumindest diese Ereignisse, und damit doch wieder die ganze Welt, nicht deterministisch beschreibbar. Aber warum sollte eigentlich der Kollaps der gemeinsamen Wellenfunktion zweier verschränkter, räumlich entfernter Photonen über solche Variablen determiniert ablaufen, wenn der Kollaps bei einem lokalen Einzelphoton nach Bell nur nichtdeterministisch erklärbar ist?

    Außerdem klingt es doch ziemlich esoterisch, wenn man Variable postuliert, von denen man gleichzeitig behauptet, sie seien unauffindbar verborgen.

    Es hilft nichts, unsere Welt ist ein nichtdeterministisches Gebilde und damit eine für die Zukunft offene, interessante Welt, in der es auch Freiheit gibt, und nicht eine geschlossene, langweilige Welt, in der jedes und alles von Anfang an feststand und auch für alle Zukunft feststeht.

    Abschließend möchte ich nochmals wiederholen, dass man die Stringtheorie vielleicht tatsächlich einmal als brauchbare, funktionierende Theorie wird bezeichnen können, mit der wir zumindest wichtige Teile unserer Welt gut beschreiben können (was allerdings heute noch nicht der Fall ist). Man sollte aber auch dann auf keinen Fall so weit gehen, zu behaupten, die von der Stringtheorie formulierten Vorgänge in dem elfdimensionalen Raum seien wahr. Wenn man überhaupt davon reden kann, daß in diesen hochdimensionalen Räumen etwas "ist", dann können wir davon ausgehen, daß es dort höchstwahrscheinlich ganz anders aussieht, als wir es uns mit irgend einer Theorie gerade vorstellen.
  • Steuerung für die Anzahl der Transfer-RNAs?

    12.05.2009, Raimund Leistenschneider, Sindelfingen
    In der Abbildung auf S. 45 ist der Prozess der Proteingenerierung von der Boten-RNA zu den Ribosomen anschaulich dargestellt. Die Frage zielt auf die Transfer-RNAs. Ein Protein kann bekanntlich von der Summe mehr als 20 Aminosäuren aufweisen, da eine beliebige Aminosäure z. B. mehrfach eingebaut ist. Woher weiß der Prozess, dass immer exakt die richtige Anzahl der jeweiligen Transfer-RNAs aktiviert wird? Hier muss es doch eine Steuerung geben (erst die beladenen Transfer-RNAs wandern zur Boten-RNA an den Ribosomen und docken dort an, sie können also nicht selbst wissen, wieviel von Ihnen benötigt wird), da ansonsten entweder zu viel t-RNA oder, was sicherlich fatalere Folgen hat, zuwenig t-RNA (einer bestimmten Sorte) aktiviert werden. Sind hier z.B. mikro-RNAs als Steruerungselemente aktv, die die Steuerungsanweisung übertragen, dass z.B. von von einer (oder mehreren) t-RNAs und der damit verbundenen Aminosäure mehrere benötigt werden - also die exakte Anzahl bestimmen? Ich habe bereits ausgiebig gegoogled, aber keine Antwort gefunden.
    Stellungnahme der Redaktion

    Sehr geehrter Herr Leistenschneider,



    Nun also zu Ihrer Frage, Sie stellen sehr richtig fest, dass ein Protein in der Regel aus mehr als 20 Aminosäuren besteht, da viele Aminosäuren mehrfach eingebaut werden. Genauso kann es übrigens auch sein, das die ein oder andere Aminosäure gar nicht eingebaut wird, weil ihre spezifischen Eigenschaften für das Funktionieren oder die richtige Faltung des Proteins nicht benötigt werden. Um ihre Frage jetzt sehr kurz zu beantworten: Der Prozess der Protein-Synthese, die sogenannte Protein-Translation, weiß nicht, wie viel Transfer-RNAs beladen werden müssen. Denn stellen Sie sich vor, dass in einer Zelle zur gleichen Zeit
    viele verschiedene Proteine gleichzeitig hergestellt werden. Da würden sich die unterschiedlichen Signale nur im Weg stehen! Es ist tatsächlich so, dass der Zelle immer ein gewisser Vorrat an beladenen Transfer-RNAs zur Verfügung
    steht, der permanent für die Proteinsynthese benutzt und wieder aufgefrischt wird. Einige dieser Transfer-RNAs werden häufiger andere weniger häufig benötigt und darauf sind die Zellen natürlich eingestellt.





    Sandra Lepthien

    Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe von Dr. Budisa, Max-Planck-Institut für Biochemie

  • Fast alle Jungschwäne sind grau!

    12.05.2009, Friedrich Seibert, Rostock
    Nun wende ich mich doch ebenfalls mal an Sie, wegen des Essays „Manche Schwäne sind grau“. Wenn sich bisher niemand gefunden hat, der die Sache von der Ornithologie her ein bisschen glossiert und korrigiert, so möchte ich das endlich tun: Es gibt überhaupt keine grauen, braunen oder gar schwarzen Schwäne in unserer Natur!

    Ich möchte Sie bitten: Wenden Sie sich mal ruhig mit dieser Behauptung Wort für Wort so an die verehrte Leserschaft unserer Zeitschrift. Es wird hochinteressant sein, welches Echo wir darauf erhalten! Und wie schnurrig bzw. originell, besonders die Philosophen, die hinter der Diskussion in dem März-Artikel stehen, darauf reagieren. Welche andere Deutung ihrer Auffassungen sie nun suchen und (möglicherweise) finden.

    In unserer Natur: Da lebt vorallem der Höckerschwan, die zoologische Art Cygnus olor! Und den haben Sie ja auch nur abgebildet. Das ist korrekt. Es gibt darüber hinaus noch die hocharktischen Arten des Singschwan-Typus: Also den eigentlichen Singschwan (Cygnus cygnus) und dessen im Sinne der Evolutionsbiologie sehr nahe Verwandten Zwergschwan (Cygnus columbianus) und (engl.) „Trumpeter Swan“ (Cygnus buccinator). Letzterer lebt nur in Alaska; die beiden anderen sind zirkumploar verbreitet. Mit dem Höckerschwan näher verwandt sind die Singschwanformen ganz mitnichten.

    Aber sie alle (!) haben Nachkommen, die schon als Küken ganz dunkel, schwärzlich-braun, aus dem Ei kommen! Als Jungschwäne im ersten Lebensjahr behalten sie diese mehr oder weniger dunklen Farben bei! Und die zweite Abbildung auf Seite 76 stellt eben wunderschön zwei solche dunkel gefärbten Jungvögel des Höckerschwans in einem Winterhalbjahr dar. Spätestens im Mai des auf den Winter folgenden Frühjahres sind diese Jungschwäne garantiert prachtvoll weiß umgefärbt – genau wie ihre Eltern! Das ist absolute Realität in der Natur – diese Regel setzt sich mit allergrößter Brisanz und Hartnäckigkeit bei allen Angehörigen der Art Cygnus durch, und ganz ebenso bei den Singschwänen!

    Wir haben es hier mit dem Phänomen der Artkonstanz zu tun, das wohl bereits Darwin gewisse Schwierigkeiten bereitet hat?! Die Erscheinungen von Artkonstanz bleiben selbst bis zum Aussterben einer beliebigen Art vollständig und auf das genauerste unveränderlich erhalten. Also, wenn vielleicht mal der seltene Trompeterschwan als Art aussterben sollte, dann hatte bei ihm die Eigenart des Umfärbens des dunklen Jugendkleides in das strahlende Weiß des Ausgewachsenseins bis zuletzt nicht aufgehört – dessen kann man völlig gewiss sein. und ich erwarte mit Spannung im Rahmen der Darwin-Ehrunge entsprechende Beiträge oder Anmerkungen, Hinweise zum Thema Artkonstanz in SdW. Die Ursachen für die Artkonstanz sind selbst heute prinzipiell und eigentlich nicht geklärt, denke ich.

    Manche Schwanenküken sind – umgekehrt – bereits von Geburt an weiß und bleiben es dann selbstredend! Sie laufen allerdings eher Gefahr, in freier Wildbahn im jungen Alter von einem Seeadler verfolgt und geschlagen zu werden als andere Junge. Wir Ornithologen registrieren alljährlich die Bruten, in denen weiße Küken zur Welt kommen; wir vermerken, wie viel Prozent der Nachkommenschaft also so „unnormal“ gefärbt sind, weil es die (völlig hypothetische) Meinung gibt, dass dabei Inzucht eine Rolle spielen könnte (die ja zum Aussterben einer Art beiträgt). Die meisten Jungschwäne sind also „grau“, aber einige sind auch mal weiß! So umgekehrt, in genau umgedrehter Weise, müsste der Titelsatz des Artikels umgeschrieben, uminterpretiert werden, wenn man schon die Jungschwäne unbedingt da mit einbeziehen will. Ornithologen gehen aber grundsätzlich nur von dem Alterskleid ihrer Lieblinge aus, wenn sie sie beschreiben.

    In Australien gibt es wirklich schwarze Schwäne, doch die sind alle schwarz! Unter ihnen gibt es nie mal vereinzelt weiße Individuen! Die Artkonstanz lässt auch hier herzlich grüßen! Die exotische Art, die bei uns über Jahrmillionen hinweg absolut nicht vorkam, heißt Cygnus atratus, der Schwarze Schwan, auch Trauerschwan. Man kann diesen Schwan in Zoos bewundern, aber mittlerweile, vor allem in den östlichen USA, ist er bereits als Parkvogel etabliert und dort fast verwildert. Die „Faunenverfälschung“ droht wohl auch bei uns in Europa. Ähnlich verhält es sich mit dem südamerikanischen Cygnus melancoryphus, dem Schwarzhalsschwan. Bei ihm sind Hals und Kopf lackschwarz, was wunderschön mit dem übrigen schneeweißen Körper kontrastiert. Auch diese Schwanart ist seit Äonen nie über den Äquator hinaus nach Nordamerika vorgedrungen!

    Meine Ausführungen sind bewusst überspitzt. Zur Ehrenrettung unserer Zeitschrift ist festzuhalten, dass sie durchaus sagt: „Auf der Erde, in der ganzen Welt, sind nicht alle Schwäne weiß“. Schön das, doch eben ein bisschen oberflächlich. Einer rein philosophischen Fachzeitschrift dürfte das genügen (leider!), doch SdW wendet sich (hoffentlich) an Naturwissenschaftler aller Couleur. Da müssen alle möglichen Ansprüche höher sein, meiner Meinung nach.

    Vor allem ist ja der Slogan um die dunklen Schwäne einer uralten Völkerweisheit entlehnt und gehört von daher fast zu unserer Umgangssprache. Und ein Märchen etwa, wie das von dem hässlichen Entlein, das so gerne ein stolzer Schwan werden möchte (und es manchmal prompt auch wird), beruht auf der eigentümlichen Tatsache, dass unsere Ur-Urahnen nicht den Zusammenhang kannten, zwischen dunklen Schwanenküken (den „Entlein“ also!) und deren viel später spontan, oft im fernen Winterquartier stattfindender Mauser in das schöne Alterskleid. Ähnlich verhielt es sich im Denken unserer Altvorderen mit dem Vogelzug: Der war ihnen noch unbekannt. Schwalben überwinterten nach deren Meinung also am Grunde von Gewässern – wie die Frösche. Weil eben im Spätsommer und Herbst alle Schwalben sich in riesigen Schwärmen vereinigen, die die Angewohnheit haben, im Schilf zu übernachten, bevor sie endgültig wegreisen. Wenn dann einzelne Schwalben aus Krankheitsgründen tot ins Wasser fallen und später mumifiziert gefunden werden, ist der Anlass für so ein Märchen gleich gegeben, nicht? Denn manch ein Frosch stirbt während des Winters auch so und treibt dann im Frühjahr tot im Wasser. Das Wissen um derartige Hintergründe sollte in einer Zeitschrift wie Spektrum bekannt sein (und vermittelt werden).
  • Firmenprospekte unkritisch wiedergegeben

    12.05.2009, Dr. Siegfried Krüger, Bremen
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    seit über 30 Jahren (vom ersten Heft an) bin ich Abonnent und Leser des Spektrums und habe in dieser Zeit Qualität und Zuverlässigkeit der Informationen sehr zu schätzen gelernt. Darum bin ich besonders erstaunt und befremdet, was mir nun in den beiden Artikeln zum Elektroauto in heft 3/09 und 4/09 an fachlichem und sachlichem Niveau geboten wurde und sehe mich dadurch zu diesem Brief veranlasst.

    Was zum Thema Elektroauto in den letzten Monaten allgemein durch die Medien gegangen ist (und leider auch noch weiter geht), ist für jemanden, der technisch-physikalische Zusammenhänge kritisch zu beurteilen gewohnt ist, nur entsetzlich zu nennen. Selten sind Fakten und selbst einfachste Zusammenhänge in einem solchen Schwall von Euphorie und Wunschdenken untergegangen wie beim „Elektroauto“ und in ähnlicher Weise auch beim „Hybridauto“. Die Erfahrungen und Arbeiten der letzten hundert Jahre auf dem Sektor werden schlicht ignoriert, insbesondere die Erkenntnis, dass das Problem der Speicherung von elektrischer Energie einfach noch nicht angemessen für Autos gelöst ist. Zwischen Speicher-Möglichkeiten und -Notwendigkeiten klafft beim Autoantrieb offenbar noch eine Lücke von fast zwei Zehnerpotenzen und nicht nur von ein paar Prozent. Es gibt bislang kaum Ansätze für eine Überbrückung dieser Diskrepanz.

    Vor diesem Hintergrund habe ich die Artikel zunächst sehr begrüßt, weil ich davon ausging, nun einmal auf gewohnt solider Basis über den Stand von Physik und Technik informiert zu werden. Leider stellte sich heraus, dass die angebotenen Informationen sich kaum von dem des üblichen Tagesjournalismus abhoben, wo oftmals Firmenprospekte unkritisch wiedergegeben werden. So waren mir alle vom Autor Löser präsentierten Elektrofahrzeuge aus der Lokalpresse bekannt mit den gleichen, nicht nachvollziehbaren Technischen Daten. Z. B. bleibt die Frage offen, wo das Fahrzeug bei 200 kW Motorleistung die Energie für 300 km Fahrstrecke versteckt hat. Geahnt habe ich es dann, als nach einer Stunde „tanken“ mit 15 kW (also 15 kWh) das Auto wieder über 100 km lossprintet: Die Energie stammt aus dem Herstellerprospekt.

    Einziger Lichtblick ist der halbseitige Einschub (Heft 4/09 S. 102) von Thilo Körkel „Zukunft oder Sackgasse“. Mit Ausführung der hier skizzierten Gedanken wäre zumindest eine umfassendere, kritische Information möglich gewesen.

    Das Szenario, das sich aus dem Artikel in heft 4/09 (rollende Stromspeicher) ergibt, wenn man alle erforderlichen Regelungen für eine flächendeckende Nutzung von Elektrofahrzeugen mit alternativer Energie im Zusammenhang sieht, ist schon ein echtes Horrorszenario an Zwängen und hat nichts mehr mit der Freiheit des Individualverkehrs zu tun. Diese Fahrzeuge wären somit kein Ersatz für heutige Autos.

    Jedoch: was entscheiden die Politiker?

    Für eine fundierte Meinungsbildung auf allen Ebenen ist gesicherte Information erforderlich. Die fehlt noch, die bisherigen Artikel haben leider wenig geliefert.
    Stellungnahme der Redaktion



    Über hundert Jahre wurde der Verbrennungsmotor stetig verbessert, doch unter den neuen Maßstäben der internationalen Klimaschutzdebatte verlangt die weltweite Mobilität nach ökologischer Nachhaltigkeit. Sie ist nur durch ein völlig neues Antriebskonzept zu erreichen. Autoindustrie, Wissenschaftler wie Politiker sind endlich der gemeinsamen Meinung, dass das Auto der Zukunft keine herkömmlichen Diesel- oder Benzinmotoren mehr haben, sondern mit Elektrizität angetrieben wird.



    Mag sein, dass diese Zusammenhänge bei dem einen oder anderen Autofahrer noch nicht angekommen sind, schließlich gibt es diese Autos noch nicht zu kaufen. Da gebe ich Ihnen völlig Recht.



    Doch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Speichertechnik werden weltweit enorm ausgeweitet, und die erreichten technischen Forschritte in Lithiumionen- und Batterietechnologie sind sehr viel versprechend. So hat vor einigen Wochen das renommierte Wissenschaftsmagazin "Nature" berichtet, wie Forscher am MIT allein durch Modifizierung der Oberflächenstruktur von Lithium-Eisen-Phosphat (LiFePO4) die Ladungsdauer ihrer Modellbatterie von sechs Minuten auf zehn bis zwanzig Sekunden drücken konnten. Das ist immerhin mehr als eine Größenordnung. Innovative Elektrolyten, Separatoren und Bauweisen werden an anderer Stelle mit Hochdruck entwickelt. Die Speicher werden eine höhere Energiedichte, längere Lebensdauer und größere Sicherheit bei gleichzeitiger Verringerung von Baugröße und Gewicht aufweisen. Die MIT-Forscher erwarten schon in wenigen Jahren die kommerzielle Anwendungsreife. So illusorisch weit weg ist das nicht.



    Nur zur Richtigstellung: Bei den von Ihnen genannten Zahlen geht es um Daimlers E-Cell-Konzepte, die maximal 100 kW elektrische Motorleistung aufbringen. Die Batterien weisen bis zu 35 kWh Energiespeicher¬kapazität auf. Bei einer Ladeleistung von 15 kW - so ist es ausgeführt - werden in einer halben Stunde nicht 100 Kilometer "getankt", wie Sie in Ihrem Brief unterstellen, sondern nur 50 Kilometer.
    Elektrofahrzeuge, am Netz aufladbare Hybridfahrzeuge und Brennstoffzellen¬fahrzeuge mit Elektromotor stehen wegen dieser erheblich verbesserten und hoch effizienten Technologien vor ihrer Renaissance, darüber hinaus sind sie als Energiespeicher für die fluktuierende Einspeisung erneuerbarer Energien ein attraktives Denkmodell. Warum sollte der Netzgedanke ("Grid'") bei Autos nicht funktionieren? Das ist nicht einmal besonders originell, wenn man beispielsweise an das "PC Grid Computing" denkt, d. h. die Nutzung einer Vielzahl verteilter privater Rechner für leistungsintensive Aufgaben, und das Ganze mit dem bei der Bahn üblichen Verfahren der Energierückspeisung ins Stromnetz kombiniert.



    Das Elektroauto der Zukunft wird das heutige Auto nicht 1:1 ersetzen, auch nicht die vertraute Tankstelleninfrastruktur, und schon gar nicht von heute auf morgen. Insofern sind Ihre Einwendungen nachvollziehbar. Doch sehen Sie sich Zukunftsstudien der bedeutenden Automobilunternehmen an: Der Weg geht weg von schweren, schnellen und spritfressenden Fahrzeugen hin zu innovativen Mobilitätskonzepten mit funktionsorientierten, CO2-armen bzw. -freien Vehikeln.
    Zunehmende Einsicht in globale Verantwortung lässt die Forderung nach der Freiheit des Individualverkehrs weiter verblassen. Sie ist schon heute im Stau und an jeder roten Ampel nicht einklagbar. Und nebenbei: Geld verdienen ließe sich mit dem geparkten Auto auch. Wer wird wohl darauf verzichten wollen?



    Reinhard Löser, Autor

  • Stringtheorie nicht vorschnell angreifen! Antwort auf Gunter Berauers Leserbrief

    11.05.2009, Vera Spillner, Heidelberg
    John Bell hat 1965 in Wirklichkeit nicht die Existenz von verborgenen Variablen widerlegt, sondern nur die Existenz von verborgenen Variablen unter Beibehaltung des Prinzips der Lokalität. Gibt man die Lokalität auf - vielleicht kein so großer Schritt, immerhin ist auch der nichtlokale Kollaps der Wellenfunktion akzeptierte Theorie - können verborgene Parameter durchaus existieren.

    Ferner ist es keineswegs klar, dass unsere vierdimensionale Welt tatsächlich widerspruchsfrei aus unendlich vielen mathematischen Modellen hervorgehen kann. Mit der Randbedingung, dass wir keine Anomalien beobachten (Dimensionswälle etc.) schränkt man den Raum der erlaubten hochdimensionalen Theorien stark ein. Anschließend gilt auch noch das bewährte Prinzip der Einfachheit, wonach sich die Menge von Lösungen, die zu unserer vierdimensionalen Welt führen, noch einmal reduziert.

    Sicherlich haben Kritiker es leicht, die Stringtheorie für ihre bisherige Unfertigkeit zu kritisieren. Man sollte aber nicht übersehen, dass sie der erste Ansatz ist, der bislang fundamental unverbundene Größen, wie beispielsweise die Generationenzahl aus der Elementarteilchenphysik und die kosmologische Konstante der Astrophysik, durch vereinheitlichte Modelle erklären kann - das ist doch höchst bemerkenswert! Bezeichnet man die Reduktion der Inputparameter als Fortschritt - ein Fortschritt, der, wie sie anmerken, möglicherweise nicht ad finitum fortgesetzt werden kann - dann hat die Stringtheorie schon große Erfolge verzeichnet.

    Ich bin dagegen, Theorien schon in der Kinderschuhen zu stark anzugreifen und warte gespannt auf weitere Fortschritte der Stringtheorie.
  • Einfach aus der Steckdose und Biosprit

    08.05.2009, Dr. Rudolf Trumpfheller, Rombergweg 32, 45138 Essen
    Die Antriebsenergie aus der Steckdose darf meines Erachtens nur dann als ausreichend ökologisch angesehen werden, wenn die dazu benutzte elektrische Energie sowohl selbst schadstofffrei gewonnen wurde als auch sichergestellt ist, dass durch ihren einseitigen Verbrauch durch Fahrzeuge der Anteil der für andere Anwendungszwecke benötigten und nur unter hoher Schadstoffabgabe erzeugbaren elektrischen Energie nicht vergrößert werden muss. Bei aller Euphorie muss man aber doch deutlich erkennen, dass der Anteil der schadstofffrei erzeugten elektrischen Energie noch weit von einem solchen Stand entfernt ist.

    Bei der Verwendung von Biosprit muss meiner Meinung nach streng darauf geachtet werden, dass dieser Treibstoff nicht aus einem eigens dazu eingerichteten landwirtschaftlichen Anbau, sondern nur aus Abfällen davon gewonnen wird. Sollte in der landwirtschaftlichen Produktion einmal ein Wettbewerb zwischen der Erzeugung von Lebensmitteln und Biosprit eintreten, so ist zu befürchten, dass dieser allein schon wegen der besseren Kapitalausstatung zugunsten des Biosprits entschieden wird.
  • Realität des Unendlichen

    08.05.2009, Rudi Trumpfheller, Essen
    Gleichgültig, ob ich die Ausdrücke real oder wirklich verwende, es kann nur das für mich real oder wirklich sein, was auch in meiner Vorstellungswelt bestehen kann. Diese Aussage muss nicht umkehrbar sein. Dies ist auch in der gestellten Frage nicht angesprochen und wird deshalb auch nicht erörtert. Da die Frage mit dem Fragewort wie eingeleitet ist, erweckt sie den Eindruck, als könne man sie mit graduellen Unterschieden beantworten. Hierauf brauche ich allerdings nicht einzugehen, wenn ich sie als eindeutig und nicht abstufbar im Sinne der Gepflogenheit in der Mathematik beantworte:
    Irgendein Objekt (z. B. die Menge der natürlichen Zahlen, die Größe eines Raumes oder einer Zeit) kann in meiner Vorstellungswelt auch dann als unendlich denkbar sein, wenn ich mir zu einem in beliebiger Größe vorgegebenem Objekt dieser Art ein noch größeres vorstellen kann. Die Gesamtheit der als unendlich vorstellbaren Objekte kann ich in meiner Vorstellungswelt als die Unendlichkeit betrachten. Diese ist damit real.
    Stellungnahme der Redaktion

    Der von Ihnen vertretene Standpunkt ist in der Literatur bekannt als "das aktual Unendliche akzeptieren" und wird heute von der weit überwiegenden Mehrheit der Mathematiker geteilt. Er ist nicht ganz so einfach, wie es den Anschein hat: Es genügt nicht, sich das aktual Unendliche vorstellen zu können, das muss auch widerspruchsfrei möglich sein. Erst Cantor hat uns den Weg gewiesen, wie das gehen kann.
    br>Christoph Pöppe, Redaktion

  • Stringtheorie: Meilenweit vom Ziel entfernt

    07.05.2009, Dr. Gunter Berauer, München
    Die bekannten Naturgesetze und Naturkonstanten erlauben uns, eine Vielzahl von Vorgängen in unserer Welt zu erklären und vorauszuberechnen. Die Gesetze und Konstanten selbst können wir zwar innerhalb unserer vierdimensionalen Welt beobachten, aus prinzipiellen Gründen aber nicht darin auch erklären. D.h. wir können nicht erklären, warum die Gesetze so sind, wie sie sind.

    Mit der Stringtheorie wird nun versucht, eine solche Erklärung in einem elfdimensionalen ("transzendenten") Überraum zu finden, der unsere vierdimensionale Welt als Unterraum enthält. Die von uns beobachteten Naturgesetze, die Fundamentalkräfte, die Naturkonstanten und die Elementarteilchen werden in dieser Theorie als vierdimensionale Projektionen elfdimensionaler Vorgänge erklärt. Diese Vorgänge können wir Menschen allerdings grundsätzlich nicht nachweisen oder widerlegen (auch nicht in Zukunft!), da wir dazu in uns unzugänglichen Raumdimensionen Beobachtungen anstellen müssten.

    Trotz dieses Makels der fehlenden Falsifizierbarkeit könnte man dennoch bei der Stringtheorie von einer brauchbaren, "funktionierenden" Theorie sprechen, wenn es einmal gelingen sollte, mit ihr die erwarteten Erklärungen vollständig und reproduzierbar zu liefern. Nach mittlerweile über 30 Jahren intensiver Forschung sind die Physiker aber immer noch meilenweit von diesem Ziel entfernt (siehe dazu das Buch "Die Zukunft der Physik" von Lee Smolin; darin wird die Theorie sogar als gescheitert bezeichnet). Selbst wenn es einmal gelingen sollte, die erwarteten Erklärungen mit der Stringtheorie zu liefern, müssten wir uns aber doch die Frage stellen, wie wahrscheinlich es denn wohl ist, dass es in dem mehrdimensionalen Überraum genauso aussieht, wie es die Theorie beschreibt.

    Bei der Suche nach einer Antwort hilft uns die Geometrie. Denn nach ihr ist offenkundig, dass es bei Projektionen in einen Unterraum hinein i.a. unendlich viele Gebilde in dem höherdimensionalen Raum gibt, die sich alle exakt in gleicher Weise im Unterraum auswirken, d.h. die alle exakt dieselbe Projektion oder denselben "Schatten" in den Unterraum werfen. So gibt es bereits überabzählbar unendlich viele verschiedene Gebilde und Beleuchtungseinrichtungen in einem nur dreidimensionalen Raum, die alle denselben z.B. dreieckigen Schatten auf eine innerhalb dieses Raumes liegende Ebene werfen.

    Wenn wir also unsere erfahrbare Welt als vierdimensionale Projektion von Strukturen in einer mehrdimensionalen Welt auffassen wollen, dann müssen wir akzeptieren, dass es für diese Strukturen unendlich viele Alternativen gibt, d.h. dass es unendlich viele höher-dimensionale Theorien geben dürfte, die alle exakt und gleichwertig unsere vierdimensionale Welt beschreiben. Welche davon zutrifft, bleibt für uns Menschen unentscheidbar.

    Damit wird deutlich, dass sich nicht nur, wie im Essay bereits für die Stringtheorie erwähnt, mit einer mehrdimensionalen Theorie unzählige verschiedene vierdimensionale Welten konstruieren lassen, sondern dass man auch für jede dieser 4D-Welten unzählige verschiedene mehrdimensionale Theorien als Erklärung finden kann. Eine dieser vielen gültigen Theorien ist vielleicht die Stringtheorie. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet diese zutrifft, ist aber wegen der Vielzahl der Alternativen verschwindend klein.

    Die Stringtheorie hat sich offenbar ganz gut bewährt bei der Vereinheitlichung der Fundamentalkräfte. Bezüglich der übrigen Erwartungen an sie müssen sich die Protagonisten aber leider noch zwei weitere Tropfen Essig in ihren Wein gießen lassen. Erstens: Die Erwartung, man könne in höheren Dimensionen die Welt vollständig aus sich selbst heraus, also z.B. ohne Benutzung von nicht weiter erklärbaren Konstanten beschreiben, hat sich nicht erfüllt und ist auch prinzipiell nicht erfüllbar. Denn nach Gödels Unvollständigkeitssatz ist in jedem abgeschlossenen System, also auch in noch so hochdimensionalen Räumen, niemals alles widerspruchsfrei und eindeutig erklärbar.

    Zweitens: Der Wunsch, man könne mit der Theorie vielleicht eine Welt formulieren, in der Fakten "an sich" existieren, und nicht, wie in der Quantenmechanik beschrieben, diese sich erst durch Wechselwirkungen nicht-deterministisch aus Möglichkeiten (durch den Kollaps von Wellenfunktionen) herausbilden, hat sich ebenso nicht erfüllt. Aber auch dieser Wunsch ist prinzipiell mit keiner Theorie erfüllbar, denn sonst müsste es doch die verborgenen Variablen geben, deren Existenz John Bell bereits 1965 eindeutig widerlegt hat.

    Auch noch so viele Raumdimensionen werden daran nichts ändern.
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.