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Kommentare - - Seite 953

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Kleine Anmerkung zur PID

    16.07.2011, Frank E r z
    Prima Artikel: Fast alles, was Sie hier anführen, schwirrte auch mir schon im Kopf herum. Allerdings sehe ich den Punkt 4 etwas anders.
    Da das Down-Syndrom nur zu einem extrem kleinen Anteil vererbbar ist, müssten hier meines Erachtens die Eltern erst eine entsprechende Veranlagung nachweisen (z.B. Mosaik-Trisomie 21). Eben weil sonst kein hohes Risiko besteht. Noch nicht mal ein mittelmäßiges.
    Der reine Wunsch kein Down-Syndrom-Kind zu bekommen, darf nicht ausreichend sein.

    Allerdings sehe ich die größte Lüge in der Diskussion, so wie Sie, bei der Pränatal-Diagnostik. Einen Embryo einzusetzen und ihn dann nach einer Fruchtwasseruntersuchung abzutreiben, das kann nicht der bessere Weg als die PID sein.

    Entweder man verbietet das Eine oder erlaubt das Andere.
  • Formale Sicherung für unbefangene Entscheidungen

    15.07.2011, Eckart Lefringhausen, Geldern
    Der Verfasser zitiert Amartya Sen mit den Worten, es könne keine systematische und umfassende Theorie der Gerechtigkeit geben. Ich bin ebenfalls dieser Auffassung, da kein allgemein gültiger inhaltlicher Maßstab einer gerechten Erkenntnis bekannt ist. Was aber eine solche Erkenntnis zumindest annähernd sichern kann, ist die formale Seite des Entscheidungsverfahrens. Jeder Entscheider muss danach unbefangen sein, das heißt er darf sich nicht von persönlichen Vorlieben, Abneigungen, verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen bei seiner Entscheidung leiten lassen, was in den deutschen Verfahrensgesetzen auch entsprechend geregelt ist. Ferner muss der Entscheider unparteiisch sein, darf also auch aus anderen als persönlichen Gründen keine Seite gegenüber der anderen bevorzugen, seien sie politischer, ideologischer, religiöser oder uach anderer ideeller Art. Allein diese formale Sicherung haben meines Erachtens eine überzeitliche Wirkung, und werden auch durch das Bild der Gerechtigkeit mit der Binde vor den Augen symbolisiert.
  • Absoluter und relativer Skeptizismus

    15.07.2011, Dr. Josef Klein, Berlin
    Die Klarstellungen von Karl Hostettler vom 26.04.2011 „»Erkennen« richtig verstehen“ und vom 27.06.2011 „Den skeptischen Zweifel richtig verstehen“ zu Elke Brendels Artikel „Was können wir von der Welt wissen?“ sind so klärend nicht, wie er meint, insbesondere wenn er mein Statement vom 08.06.2011 „Der externalistische Wissensbegriff als Dilemma und zu dessen Auflösung“ nicht richtig liest oder überhaupt nicht verstehen will. Denn ich habe betreffs einer ganz bestimmten Argumentation bei Elke Brendel – welche allerdings für die moderne Form des Skeptizismus signifikant ist – eine Petitio principii und einen Zirkelschluß dingfest gemacht sowie zugleich ausgeräumt.
    1.) Ich selbst habe nichts gegen eine gesunde Skepsis.
    2.) Es mag sein, dass manche (wie Karl Hostettler) die Aussagen (a) „Es gibt eine Welt, die an sich besteht“ und (b) „Es gibt keine Welt, alles ist nur Traum“ nicht falsifizieren können. Gleichwohl ist die erste Aussage (a) evident wahr und die Aussage (b) evident falsch. Was Großmeister Popper von dem Falsifikationsunwesen hält respektive halten würde, das teilweise mit seinem Lieblingsspielzeug der Falsifikation allenthalben betrieben wird, muss leider dahingestellt bleiben; denn er weilt nicht mehr unter den Lebenden. Die Fragen als solche können indes nach Edmund Husserls „Cartesianischen Meditationen“ sowieso als geklärt gelten (auch wenn die Popper-Schule „Vorbehalte“ gegen Husserl hat). Von mir aus, kann Karl Hostettler nun daran glauben, dass die Existenz der Außenwelt sich nicht „beweisen“ lasse. Aber wenn man die Existenz der Außenwelt nicht beweisen kann, dann kann man auch in einem Strafprozess einen Mörder durch Beweise seiner Untaten nicht überführen; dann kann man desgleichen die Unrechtsregime von Gaddafi in Libyen, Al Assad in Syrien, von Ahmadinejad in Iran etc. auf ihre Menschenrechtsverletzungen nicht festnageln; ja dann sind sogar die Holocaustleugner über alle Zweifel erhaben. Und überdies ließe sich zwischen den verstrahlten Reaktorblöcken von Fukushima zudem ein putzmunteres Picknick machen (eventuelle Krankheitssymptome wären pure Illusion; und der eventuelle Strahlentod eines solchen Popper-Träumers ließe sich für ihn, da krepiert, sowieso nicht falsifizieren!). Von solchen postmodernen bzw. postszientistischen Scherzen des Skeptizismus halte ich nicht viel.
    3.) Es gibt viele Formen von Skeptizismus. Aber im Wesentlichen gibt es nur zwei Grundformen davon, den absoluten und den relativen Skeptizismus. Der absolute Skeptizismus beinhaltet den totalen Zweifel an allem und jedem. Descartes hat ihn zu heuristischen Zwecken verwendet, um die metaphysischen Grundlagen aller Erkenntnis zu erhellen. Aber mit C. F. v. Weizsäcker („Einheit der Natur“, 1986, S. 313) läßt sich sagen, dass der absolute Zweifel am Leben und an der Lebenswelt des Menschen bereits scheitert, und zwar vor allen Hypothesenbildungen und Theorien, vor allen Verifikationen und Falsifikationen. Ohne die Ur-Doxa und die elementaren Glaubensgewissheiten (vgl. hierzu E. Husserl, M. Merleau-Ponty, J. Ortega y Gasset, J. Klein, Semiotik des Geistes, Buch I, Berlin 2010) von der wirklichen und realen Außenwelt ist der Mensch nicht lebensfähig. Der relative Zweifel hingegen betrifft die einzelnen Aussagen, die Behauptungen, die Mutmaßungen von etwas als etwas. Die philosophische Bedeutung von dem Denkexperiment, das Elke Brendel in Erweiterung von den Überlegungen Putnams durchgeführt hat, liegt nun freilich darin, dass sie mit dem Begriff der „globalen“ Täuschung die Divergenz von absolutem und relativem Skeptizismus unterläuft (auch wenn sie dies nicht expressis verbis tut). Und an diesem Punkt setzt meine Widerlegung des Dilemmas an.
  • Bravo

    15.07.2011, Fritz Kronberg
    Dem Artikel des Herrn Dahl ist im Wesentlichen zuzustimmen. Bei seinem letzten Satz fehlt allerdings der Zusatz "und das ist auch gut so!"
  • PID – mehr gesunde Kinder

    15.07.2011, Klaus Deistung, Wismar
    Ein Beitrag mit klaren Worten!
    Einst waren es die Retortenbabys (In-vitro-Fertilisation, IVF), die einen Sturm der Entrüstung hervorriefen: Gott ins Handwerk pfuschen. Heute sind es Millionen Eltern weltweit, die damit zufrieden waren. Das war keine hundertprozentige Erfolgschance, wie es die PID auch nicht sein kann – aber eine Chance für viele Eltern.
    Dass es funktioniert, haben einige Länder schon bewiesen und auch deutsche Eltern schon genutzt.
  • Warum entfernt sich der Mond?

    13.07.2011, Matthias Eisenkölbl, Wien
    Ich habe mich immer gefragt, warum und wie Energie von der Erde auf den Mond übertragen werden kann. Warum gibt es gleichzeitig Reibungsverluste auf der Erde und eine Geschwindigkeitszunahme des Mondes? Ich habe dann folgende Erklärung gehört, die man intuitiv gut verstehen kann:
    Der dem Mond zugewandte Flutberg auf der Erde befindet sich nicht genau "unter" dem Mond, denn die Drehung der Erde schiebt ihn ein Stück nach Osten, also in Drehrichtung. Weil der Mond sich in derselben Richtung, aber mit einer kleineren Winkelgeschwindigkeit um die Erde bewegt, liegt er immer etwas "hinter" dem Flutberg. Dieser Berg zieht den Mond an. Die Kraftkomponente, die ihn nach "unten" zieht, wird durch die Zentrifugalkraft der Mondumlaufbahn ausgeglichen, aber dann bleibt noch eine Kraftkomponente übrig, die in dieselbe Richtung wie die Flugrichtung des Mondes zeigt und ihn in diese beschleunigt. Dadurch gewinnt der Mond an Geschwindigkeit, und wegen Kepler III nimmt auch die Entfernung zur Erde zu. Weil aber auch der Mond den Flutberg und damit die ganze Erde entgegengesetzt zur Rotationsrichtung anzieht, wird die Erdrotation langsamer.
    Allerdings wäre es umgekehrt, wenn sich die Erde in die andere Richtung drehen würde, wenn also Erdrotation und Mondumlauf in entgegengesetzten Richtungen ablaufen würden. Dann würde der Flutberg etwas "hinter" den Mond gedreht werden und diesen permanent abbremsen, bis er der Erde so nahe kommen würde, dass er durch die Gezeitenkräfte zerrissen werden würde.
  • Warum so kompliziert?

    13.07.2011, Ernst Hammann, München
    Soweit ich das verstanden habe, reichen für die Erklärung des Urknalls und des sogenannten Endes der Zeit die heute bekannten Naturgesetze plus eine Zusatzannahme, dass nämlich die kosmische Expansion sich immer weiter beschleunigt. Irgendwann expandiert der Raum nämlich so schnell, dass Paarbildung einsetzt. Die stets vorhandenen virtuellen Teilchen-Antiteilchen-Paare werden dann durch die Expansion getrennt, bevor sie sich wieder gegenseitig auslöschen können. Mit einem ähnlichen Mechanismus erklärt man auch die thermische Strahlung schwarzer Löcher.

    Jedenfalls füllt sich das Universum dann schlagartig wieder mit Materie und Energie. Dieses Ereignis wird von späteren Bewohnern als Urknall gedeutet. Dabei ist es sogar unerheblich, ob das Universum unendlich oder nur "sehr groß" ist. Wenn es schon viele solcher Zyklen durchlaufen hat, ist es jedenfalls so groß, dass wir es nicht von einem unendlichen Universum unterscheiden können.

    Der Vorteil dieses einfachen Modells: Man spart sich Strings, hochdimensionale Membranen und ähnliche Science-Fiction-Vermutungen.
    Stellungnahme der Redaktion

    Dass Schwarze Löchern einen Partner eines Teilchen-Antiteilchen-Paars verschlucken und den anderen übriglassen, habe ich auch schon einmal gelesen. Dass eine beschleunigte Expansion über einen ähnlichen Effekt Materie und Antimaterie erzeugen kann, ist mir neu. Eine solche Theorie hat dann ein Problem, das manche Urknalltheorien plagt, in verschärfter Form, nämlich die Asymmetrie von Materie vs. Antimaterie. Ein derart beschleunigt expandierendes Universum würde ja eine ziemlich homogene Wolke von Paaren aus Teilchen und Antiteilchen erzeugen. Die würden dann aber nicht lange überleben. Ein Teilchen würde sich im Allgemeinen nicht mit seinem "Geburtspartner" vereinen und dabei zu Strahlung auflösen, aber mit irgendeinem Antiteilchen, und schon wäre die neugeschaffene Materie wieder weg.


    Christoph Pöppe, Redaktion

  • Lausige Begründung der immensen Bedeutung der Menschenrechte

    11.07.2011, Markus Raschke, Lippstadt
    Die Themen Menschenrechte, Gerechtigkeit und Demokratie werden durch die im Artikel gegebene Begründung ihrer immensen Bedeutung [für die Menschheit] mittels der schieren Anzahl der Google-Suchergebnisse ohne Not diskreditiert. Dieser hanebüchenen Logik folgend sind die Menschenrechte ebenso bedeutend wie Pornografie, Gerechtigkeit ein Fünftel so bedeutend wie Krieg und Demokratie momentan ein schlechter Scherz im Vergleich zu Justin Bieber. Warum begründet ein Professor der Philosophie derart lausig?
  • Gerechtigkeit steht nicht für sich

    04.07.2011, Hans-Joachim Stahnke, Bad Segeberg
    Der Artikel endet mit ambivalenten, zum Teil sogar sich widersprechenden Argumentation, die eine Replik herausfordern.
    Zitat: 1. "Die Verknüpfung von Freiheit und Gleicheit zur Idee der menschlichen Würde und Autonomie, wie sie in der Ethik und politische Philosophie von Immanuel Kant zum Ausdruck kommt, scheint mir unverzichtbar zu sein."
    2. "Schließlich ist die vornehme Aufgabe der Philosophie, begriffliche und gedankliche Konfusionen zu beheben ..., und nicht, die politische Abwägung von Gerechtigkeitsgründen durch philosophische Theorien zu ersetzen."


    Der Verfasser vermutet, dass eine Theorie der Gerechtigkeit in einer Gesellschaft von ihrem jeweiligen Menschenbild abhängt, der Kantianer in ihm aber sperrt sich gegen Beschädigungen des herrschenden Dogmas von der "autonomen Persönlichkeit" als "Grundpfeiler der politischen Moderne sowie der zeitgenössischen Demokratie". Darin eingebunden bleibt die Vorstellung des "unteilbaren Selbst", wie es seit Jahrtausenden üblich ist.

    Diese Annahme greift der indische Philosoph Amratya Sen an, wenn er fordert, dass die Gründe für gerechtes Handeln in den verschiedenen Entscheidungssituationen jeweils im Einzelnen erörtert werden müssen. Denn nach Sen "kann es keine systematische und umfassende Theorie der Gerechtigkeit geben", eben weil er ein "rationales" Menschenbild zu Grunde liegt; das heißt, der Mensch ist abhängig von Partnerschaften, die sich ebenfalls als Persönlichkeit ständig anpassen und ändern muss.

    Auch Gen- und Hirnforscher kommen inzwischen zu ähnlichen Ergebnissen: Erb- und Entwicklungsgänge von Individuen sind viel komplizierter als bisher angenommen, da korrelative Spannungs- und Wahrnehmungsphänomene auf Korpuskelebene die Erbgänge auch von außen beeinflussen. Die Charakterbildung ist davon besonders betroffen, da das Gehirn Sinneseindrücke verarbeitet und diese Tätigkeit bis ins Alter nicht unterbricht.

    Bestätigt wird diese Sicht menschlicher Existenz durch viele persönliche Bezeugungen: Der Verlust eines geliebten Menschen zum Beispiel kann sich wie eine seelische Amputation auswirken. Solche Bewusstseinsprägungen steigern sich in Extemfällen zu Identitätsbrüchen: Bei schweren Beziehungsproblemen oder in politisch geprägten Exzessen können aus unbescholtenen Bürgern Mörder werden, die ihre verbrecherische Taten für gerechtfertigt halten.

    Der Mensch ist demnach Glied eines partnerschaftlichen Verbundsystems als konstitutive Basis eigener Existenz. Ohne diese Eingebundenheit wäre eine "Persönlichkeit" gar nicht lebensfähig. Ein "atomistisches" Selbst kann es demnach zwar nicht geben, und Streben nach so genannter Selbstverwirklichung führt in jedem Fall ins Leere, aber das Ideal der Pflicht zu verantwortlichem und gerechtem Handeln bleibt gültig, auch wenn nicht immer klar erkennbar ist, worin sie besteht. Denn oft kommt es vor, dass Pflichterfüllung nach einer Seite die andere Seite beleidigt. Schon allein die Tatsache, dass solche zwanghaft-tragischen Situationen entstehen können, beweist die Unmöglichkeit, eine allgemein verbindliche Formel für gerechtes Handeln zu aufzustellen.
  • Nida-Rümelins Gerechtigkeitstheorie

    04.07.2011, Norbert Hinterberger, Hamburg
    Nida-Rümelin war hier erneut (wie schon in seinem Interview, SDW 3/11) nicht gewillt, zwischen Normen und Erkenntnissen zu unterscheiden. Das ist Rawls- und auch Habermas-Tradition – genau genommen aber auch schon die Tradition der gesamten Kritischen Theorie.
    Von Wahrheitsrelativisten bzw. erkenntnistheoretischen Pragmatisten ist diese Unterscheidung allerdings ohnedies nicht plausibel zu machen. Da ihre Erkenntnissuche einen Abbruch des Verfahrens in der Begründung per konventioneller Entscheidung, also per Abstimmung über die Wahrheit erlaubt, unterscheidet sie sich nicht mehr von einer normativen Methodologie bzw. von einer ethischen Entscheidungsfindung, denn die kann man ohnedies nur per Abstimmung erreichen.

    Nida-Rümelin hat hier einen informativen Artikel über die Gerechtigkeitsdiskussion vorgelegt. Als es am Ende aber auf seine eigene Stellungnahme ankam, hat er typisch pragmatistische Schwächen gezeigt. Der philosophische Pragmatismus hat nichts mit unserer aller Praxis zu tun, auch in Erkenntnisfragen sehr häufig pragmatische Entscheidungen zu treffen, ganz einfach, weil wir selten über ausreichendes Hintergrundwissen für eine erkenntnisrelevante Anforderung im Alltag bspw. verfügen. Erkenntnistheoretische Realisten wollen mit diesen ‚losen Reden’ aber nichts begründen, sondern reden nur so lange auf diese unkritische Weise, bis ihre Hypothesen einer möglichen Überprüfung zugänglich werden. Im wissenschaftlichen Bereich müsste das ohnedies als selbstverständlich gelten. Pragmatisten glauben, genau darauf verzichten zu können.

    Auf S. 68 (unten) schreibt Nida-Rümelin:

    „Die Annahme, dass Menschen frei und gleich sind, ist meiner Ansicht nach ein konstitutives Merkmal der politischen Moderne. Ich halte das für eine Erkenntnis und nicht lediglich für ein Merkmal einer spezifischen historischen Phase oder einer speziellen kulturellen Prägung.“

    Wir sehen an den Begriffen „Annahme“ und „Erkenntnis“, dass er die Freiheit und Gleichheit der Menschen für ein erkenntnisrelevantes Problem hält, für einen Zustand also, der an sich existiert und den man dann offenbar nur erkennen muss. Fangen wir mit dem Begriff der Gleichheit an. Menschen sind genetisch variabel, verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten und es gibt auch keine zwei Menschen, die völlig gleich aussehen.
    Gemeint ist hier also die juristische Gleichheit. Das ist nun aber die Gleichheit vor einem normativen Gesetz. Es handelt sich nicht um ein Naturgesetz, welches man erkennen könnte und von dem man sagen könnte, dass eine entsprechende Annahme dazu entweder wahr oder falsch sein müsse. Es ist also etwas, was (von bestimmten normativen Prämissen, den Menschenrechte aus) zu fordern wäre und, wie der Autor selbst ja auch ganz richtig berichtet, von den verschiedensten Personen schon gefordert wurde – am fruchtbarsten und kompetentesten eben von den Aufklärungsphilosophen.

    Das gilt aber nun in etwas anderer Weise auch für den Begriff der Freiheit (des Individuums). Man wird ebenso wenig frei wie unfrei geboren (für die Geburt ergeben diese Begriffe noch gar keinen Sinn), sondern immer erst im Lauf des Lebens von irgendwem (vielleicht sogar von sich selbst) zu dem einen oder anderen gemacht. Menschen und Bäume gibt es an sich. Freiheit oder Unfreiheit existieren zwar auch als Entitäten, sie sind aber typische (objektiv) soziale oder (subjektiv) psychische Fluktuationen des Lebens. Spezifische historische Phasen oder spezielle kulturelle Prägungen kann sich der Autor hier aber nicht vorstellen. Dass die ihre Wirkungen haben, und dass das nur einige der Einflüsse bezüglich Freiheit oder Unfreiheit sind, scheint mir dagegen auf der Hand zu liegen. Alle diese Einflüsse sind allerdings selbst alles andere als unbeeinflussbar. Der Mensch ist praktisch ständig damit beschäftigt, sich aus sozial (und oder mental) unfreieren Situationen in freiere zu kämpfen. Daran, dass diese Freiheit von bestimmten Personen oder Gruppen für sich (und nur für sich) durch militärische Herrschaft gesichert werden soll, ergeben sich nahezu alle (objektiv) sozial zu konstatierenden Unfreiheiten derjenigen, die nicht dazugehören.

    Man kann also wohl nicht besonders sinnvoll davon reden, dass das eine oder aber (kontravalent) das andere ‚quasi-statisch bestehe’. Die gesamte Aufklärungsphilosophie war ja genau deshalb (also weil das nicht so ist) damit befasst, den Menschen klarzumachen, dass sie um ihre Freiheit kämpfen müssen, und dass auch im Fall des Sieges gegen feudalistische Herrscher die individuelle Freiheit in gesellschaftlicher Form in rechtswirksamen normativen Gesetzen verankert werden muss, damit sie wenigstens halbwegs unbeeinträchtigt existieren kann. Denn die Freiheit des Individuums wird von überall her bedroht. Der Säugling kann bekanntlich sogar von den eigenen Eltern getötet werden, wenn er unerwünscht ist. Evolutionär betrachtet wurde der Mensch zunächst von wilden Tieren und dann wohl auch vermehrt von ‚wilden’ Menschen bedroht. In diesen Fällen ging es in der primitivsten Form darum, den anderen umzubringen (was Unfreiheit implizieren dürfte – es sei denn, man betrachtet den Tod als Erlösung aus aller Unfreiheit). Bei den Menschen ging es aber wohl sehr bald auch um eine ‚Nutzung’ bzw. Versklavung derjenigen, die sich von Gewalt beeindrucken ließen oder militärisch unterlegen waren. Das (und natürlich auch Gewalt in der eigenen Gruppe) war sicherlich der Hauptgrund für Gesellschaftsverträge, die zunächst rein pragmatisch an einer Sicherheit für alle, dann aber irgendwann wohl auch ethisch luxurierend an Gerechtigkeit für alle interessiert waren. Gerechtigkeit bzw. Freiheit und juristische Gleichheit vor einem menschenrechtlich inspirierten Gesetz sind also unsere Errungenschaften, wir finden sie nicht in der Natur vor, sondern müssen sie normativ und sehr häufig sogar gegen die Natur (auch gegen unsere eigene) durchsetzen.
  • Schiffschaukel statt Weihrauchkessel

    04.07.2011, Dr. Reinhard Born, Immenstaad
    Man muss nicht unbedingt nach Santiago de Compostela, um die Energiegewinnung beim Pendel zu beobachten:
    Jeder, der sich auf dem Jahrmarkt an einer Schiffschaukel versucht (sofern man noch eine solche findet), macht intuitiv das Gleiche: beim maximalen Ausschlag vom Stand aus in die Knie gehen (Pendel "verlängern") und im tiefsten Punkt wieder strecken (Pendel "verkürzen").
  • Ist das noch seriös?

    02.07.2011, Peter Blanc (Dipl.El.Ing. ETH), Winterthur, Schweiz
    Seit längerer Zeit wird der Anfang unseres Universums immer genauer datiert und inzwischen sogar mit einer Genauigkeit im Prozentbereich angegeben. Zum Beispiel wird in der Ausgabe vom Juni 2011 im Artikel "Naturwissenschaft in der Sackgasse" auf Seite 66 das Alter auf "ziemlich genau 13,75 Milliarden Jahre" datiert. Nun wissen wir aber, dass das Universum sich derzeit beschleunigt ausdehnt. Es ist also anzunehmen, dass es für die Vergangenheit diesbezüglich Unsicherheiten gibt. Allenfalls war diese Beschleunigung seit "Anfang" schon so oder sie fluktuierte sogar. Woher also diese Sicherheit in der Datierung?

    Wie kam sie eigentlich zu Stande? Beruht sie immer noch auf einer linearen Extrapolation in die Vergangenheit gemäss der gemessenen Expansionsraten nach dem Schema, wie es noch Erdwin Hubble tat, woraus dann die so genannte 'Hubble-Konstante' hervorging? Oder in welcher Form wurde die gegenwärtige beschleunigte Ausdehnung mit einbezogen?

    Ein weiterer Zweifel an dieser Zahl ergibt sich aus der Speziellen Relativitätstheorie, wonach Zeit im Gravitationsfeld oder allgemeiner in der gekrümmten Raumzeit nicht gleich verläuft wie in einem hypothetischen leeren Raum. Wenn also das Universum einmal sehr dicht war, so war auch diese Krümmung sehr gross und im Grenzfall der Singularität unendlich. Wie sollen wir denn da noch von einer Zeit in unserem alltäglichen Sinn sprechen?

    Zwar tönt "Urknall vor 13,75 Milliarden Jahren" spektakulär für das Publikum und kann immer wieder Schlagzeilen liefern, aber ich frage mich schon: Ist das noch seriöse Wissenschaft?

    Einmal wissen wir schon nicht, was mit der "Zeit" in einem "Schwarzen Loch" geschieht, und trotzdem wird behauptet man wisse Bescheid darüber, wie Zeit im (zwar nur hypothetischen) größten denkbaren Schwarzen Loch, nämlich beim "Urknall", zu zählen sei.

    Können Sie mich diesbezüglich aufklären?

    Mit freundlichem Gruß und bestem Dank für die stets sehr interessante Lektüre.
  • Platons Staat hat starke spirituelle Komponente

    01.07.2011, Martin Peschaut, St. Stefan ob Stainz, Österreich
    Platons Staat als bloßen „Bildungsstaat“ zu bezeichnen halte ich für zu kurz gegriffen, da „Bildung“ heute eher in Sinn von „lernen“ verstanden wird. Der platonische Staat fußt prinzipiell auf Gleichwertigkeit (nicht Gleichheit) der Menschen und kann so einen natürlichen Unterschied zwischen weiter und weniger weit fortgeschrittenen Menschen herstellen, ohne die einen auf- und die anderen abwerten zu müssen. Bei Platon sind die regierenden Klassen die „Menschen aus Gold“ (die Philosophen) und die „Menschen aus Silber“ (die Wächter und Lehrer). Beiden gemeinsam ist Bildung in dem Sinn, dass sie sich selbst beherrschen lernen müssen, um über den materiellen Dingen zu stehen. Damit sind sie nicht mehr korrumpierbar, was für Platon ein unverzichtbares Attribut der Macht darstellt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass diese beiden Klassen keinen persönlichen Besitz mehr haben. Für Platon sind die Philosophen und Wächter daher die edelsten Menschen und am besten dafür geeignet, zu entscheiden, was dem Staat, und damit dem Volk, am nützlichsten ist.

    Das Ziel des platonischen Staates ist letztlich, allen seinen Bürgern die Rahmenbedingungen für größtmögliche Entwicklung zu bieten. Dieser Staat hat somit neben der rein gesellschaftlichen Komponente auch eine starke und vor alle spirituelle (nicht religiöse!) Ausrichtung und ist nur aus dem Gesamtkontext des damals herrschenden Weltbilds, das von den Mysterien als spirituellem Weg geprägt war, wirklich zu verstehen. Damit geht Platon weit über die rationale Erklärung hinaus, da sein Konzept der Gerechtigkeit als Archetyp und grundsätzliche Notwendigkeit für das Funktionieren des Staates eine starke spirituelle Komponente aufweist.

    Auch Kant hat mit seinem kategorischen Imperativ ein selbsterklärendes ethisch-politisch-gerechtes Modell geschaffen, denn wenn jeder Bürger nach diesem moralischen Imperativ denken und handeln würde, dann wäre die Welt aus sich heraus gerecht. Es ist somit nur dem Egozentrismus der Menschen zuzuschreiben, dass die Gesellschaft so ungerecht ist, wie sie ist.

    Die modernen Spekulationen (ich kann sie nur als solche bezeichnen) über Gerechtigkeit sind zwar theoretisch brillant, scheitern aber, um Paul Watzlawick zu bemühen, an der „normativen Kraft des Faktischen“: Eine repräsentative Demokratie moderner Prägung kann nicht gerecht sein, weil die Repräsentanten vor allem ihren eigenen Vorteil und den ihrer Verbündeten im Augen haben. Das kann man schönreden und rational übertünchen, wie man will, letztlich entscheiden handfeste materielle Vorteile und die Quantität der einsetzbaren Druckmittel darüber, was gerecht ist: nämlich das, was der Stärkere als gerecht festsetzt.
    Was den heutigen Ansätzen fehlt, ist die Einbeziehung der Spiritualität (und, ich betone es noch einmal, damit meine ich ganz entschieden nicht die Religion) als transzendenten, oder wenn man so will, teleologischen Zweck jeder Gesellschaft oder jedes Staates. Solange dieser Punkt, den Platon sehr wohl in seine Überlegungen mit einbezogen hat, außer Acht gelassen wird, bleibt Gerechtigkeit ein theoretisches Konzept bar jeder praktischen Relevanz für den Bürger, der der Willkür einer sich selbst genügenden politischen Kaste ausgeliefert ist.

    In diesem Sinn wäre Gerechtigkeit auf institutioneller Ebene idealerweise platonisch in dem Sinn, dass jeder das erhält, was er braucht (nicht was er sich wünscht), und auf individueller Ebene kantianisch, indem jeder so handelt, dass die Grundlagen seines Handelns jederzeit zum universellen Gesetz erklärt werden könnten. Das dürfte auch Platon gemeint haben, als er vom „besonnenen“ Bürger sprach.
  • Falsch ist auch richtig...

    30.06.2011, Jens-Peter Haack
    Tau ist etwas bequemer, Pi ist aber natürlich nicht falsch. Das zu behaupten und Euler einen Fehler unterzuschieben, offenbart eine Tendenz zu 'Meine Meinung ist richtig, deine falsch', dass es mich leicht fröstelt...

    Informatiker scheinen für solch sinnlose Diskussionen merkwürdig anfällig zu sein...
  • DNA ist rechtsgängig

    29.06.2011, Petra Behrens, Hochspeyer
    Die Layouter können nichts dafür, aber man sollte ihnen mal sagen, dass man Bilder von DNA nicht einfach spiegeln darf, damit das Titelbild besser aussieht. Immer wieder fällt mir dieser kleine Fehler in wissenschaftlichen Zeitschriften auf. Natürlich vorkommende DNA ist rechtsgängig, so wie auf S. 31 und 33. korrekt dargestellt. Nichts für ungut.
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