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Kommentare - - Seite 1

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  • RE: Bedauerlich

    24.09.2003, Detlev Herbst
    Ich kann Ihre Meinung nicht teilen, dass in Deutschland alles unter dem Aspekt der Verzinsung gesehen wird. Jedenfalls war dies nicht so, als ich an einer deutschen Universität Biologie studiert habe (1976-83) - im Gegenteil. Allein die Frage, was man mit dem Studium einmal auf dem Arbeitsmarkt anfangen könne, war verpönt und hätte bei den meisten Professoren wohl nur ein verächtliches Naserümpfen zur Antwort gehabt. Ging es doch schliesslich um nichts Geringeres, als ein „wissenschaftlich forschender Mensch“ zu werden, wobei die Grundlagenforschung als die höchste anzustrebende Kunst galt. Die industrielle Anwendung in Produktion und Qualitätskontrolle oder gar im Vertrieb wurde von den meisten schon fast als „niedere Tätigkeit“ angesehen, die möglichst vermeiden sollte, wer etwas auf sich hielt. Ein etwas „materialistischeres“ und praxisorientierteres Denken hätte ich mir manchmal gewünscht. Natürlich bin auch ich der Meinung, dass eine akademische Ausbildung einen hohen Wert hat und dass diejenigen, die sie absolvieren können, dies auch würdigen sollten. Man darf darüber aber nicht vergessen, dass ein Universitätsstudium viel Zeit und Geld kostet, dass letztendlich von der Gesellschaft (Bafög) oder den Eltern der Studierenden erarbeitet und bezahlt werden muss. Eine experimentelle Dissertation z.B. im Fach Biologie dauert meines Wissens in Deutschland im Durchschnitt 2-4 Jahre (!) - und das nach einer vorausgegangenen Diplomarbeit. In einem Alter, in dem so mancher Facharbeiter schon sein eigenes Haus und eine Familie mit Kindern hat, habe ich als Doktorand in einem 13 m2 Zimmer in einem Studentenwohnheim an meiner Promotion gearbeitet. Bei all dem sollte schon die Frage erlaubt sein, was man mit dieser Ausbildung einmal auf dem Arbeitsmarkt anfangen kann und ob sich das Studium auch finanziell auszahlt – zumal in Zeiten zunehmender internationaler Konkurrenz und hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland (auch Akademikerarbeitslosigkeit!). Die Antwort, eine akademische Ausbildung habe schliesslich einen „hohen Wert an sich“ und trage auch zur Persönlichkeitsentwicklung bei, würde mir nicht reichen.
    Dies schreibt Ihnen ein Deutscher, der an einer deutschen Universität zum Dr. rer. nat. promoviert hat und heute in der Schweiz arbeitet, weil er in Deutschland keinen Arbeitsplatz bekommen konnte.

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