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Kommentare - - Seite 1

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  • Wie dunkel ist das Weltall?

    12.10.2010, Andreas Gefeller, Düsseldorf
    Anmerkung der Redaktion: Dieser sehr lange Leserbrief von Andreas Gefeller aus Düsseldorf spricht ein Thema an, das öfters an uns herangetragen wird, d.h. also offenbar von allgemeinem Interesse ist. Wegen der Vielzahl der Aspekte und Fragen war es nicht sinnvoll, wie sonst üblich eine geschlossene redaktionelle Antwort an das Ende zu stellen. Die redaktionellen Kommentare sind deshalb ausnahmsweise in Fettdruck (wie diese Anmerkung) direkt in den Text des Leserbriefs eingefügt

    Ich bin Fotokünstler und beschäftige mich in meinen Fotoarbeiten u.a. mit der menschlichen Wahrnehmung, was mich zu ein paar Fragen, bzw. aufgrund meines begrenzten wissenschaftlichen Wissens, Vermutungen bezüglich der Helligkeit im Weltraum gebracht hat.

    In Science-Fiction-Filmen überspannt die Landschaft des Erdmondes oft ein unglaublicher Sternenhimmel. Die Aufnahmen der Astronauten, die den Mond betreten haben, zeigen hingegen nur eine schwarze Fläche. Was bei näherer Betrachtung auch verständlich ist: Auf den Mond fällt so viel Sonnenlicht wie auf die Erde, die Belichtungszeiten dürften also ähnlich gewesen sein wie die von Urlaubsfotos am Strand. Bei einer Belichtung von 1/250 Sekunde und Blende 8 können keine Sterne mit abgebildet werden. Wie aber war der Eindruck für die Astronauten? Waren sie in der Lage, Sterne zu sehen, beispielsweise im Schatten eines Felsens stehend, der verhinderte, dass sie die umgebende Landschaft blendete?

    Ja. Allerdings reicht ein normaler Schatten dazu nicht; auch im Schatten eines Felsens wäre es wegen der ansonsten beleuchteten Umgebung noch zu hell. Wenn die Astronauten allerdings im Schatten stehend mit einer schwarzen Folie oder Pappe auch das ganze reflektierte Licht der Umgebung von ihrem Helm abhalten würden, dann würden sie in der Tat einen phantastischen Sternhimmel sehen.

    Auch auf dem Weg zu anderen Planeten wird in Filmen gerne das Raumschiff vor Sternen gezeigt, doch gilt hier dasselbe: Ein sonnenbeschienenes Raumschiff kann nie gleichzeitig mit Sternen abgebildet werden, die eine sekundenlange Belichtung bräuchten.

    korrekt

    Unsere Raumsonden zeigen die Planeten unseres Sonnensystems in hellem Sonnenlicht. Wie hell ist es, beispielsweise am Saturn, wirklich? Die Beleuchtungsstärke nimmt mit dem Quadrat der Entfernung zur Lichtquelle ab. Da Saturn etwa 8 Mal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde, erreicht ihn nur 1/64 des Sonnenlichts, was fotografisch gesehen 6 Blendenstufen entspricht. Statt 1/250 müsste man also 1/4 Sekunde belichten. Das ist eher die Lichtmenge eines trüben Wintertags als die eines sonnigen Sommertags, wie man beim Anblick der Bilder von Cassini meinen könnte.

    korrekt

    Im interstellaren Raum ist es besonders finster. Angenommen, der Mensch wäre in der Lage, zum Orionnebel zu fliegen. Ich denke, viele würden von dem Anblick, der sich einem böte, enttäuscht sein. Selbst vor Ort reicht das Licht des Nebels nicht aus, die Farbrezeptoren des Auges zu aktivieren, es bliebe ein grauer Nebel, ähnlich dem Anblick durch ein Amateurteleskop von der Erde aus.

    völlig richtig

    Womöglich ist es sogar noch dunkler: Da die perspektivische Verkürzung fehlt, wird das Licht des leuchtenden Gases nicht "addiert", was zu einem besonders diffusen Anblick führt.

    nein, die Flächenhelligkeit ist entfernungsunabhängig

    Einen ähnlichen Effekt kennen wir von der Erde: Aus größerer Entfernung sieht eine Nebelbank in einem Tal scharf umrissen aus. Nähert man sich ihr, scheint sie sich aufzulösen.

    ja, aber das würde erst eintreten, wenn man wirklich den Rand des Nebels erreicht.

    Das Gleiche im intergalaktischen Raum: Befände man sich unmittelbar am Andromedanebel, würde sich die Galaxie vor dem Raumschifffenster ähnlich schummerig darstellen wie die Milchstraße an unserem irdischen Nachthimmel (sie ist ja auch nichts anderes).

    korrekt

    Hätte man gleichzeitig Licht im Raumschiff an und unser Auge wäre auf die Helligkeit eines normal beleuchteten Raumes adaptiert, sähe man beim Blick aus dem Fenster sogar gar nichts.

    korrekt

    Und wenn man senkrecht auf eine Galaxie schaute? Der Anblick wäre noch enttäuschender, da nicht genug Sterne hintereinander stehen, um die Helligkeit zu erhöhen. Auch hier wieder eine Entsprechung zum Anblick des Sternhimmels von der Erde aus: Wir sehen die Galaxie, in der sich unser Sonnensystem befindet, nur beim Blick durch die galaktische Ebene, der Milchstraße. Schauen wir senkrecht aus der Ebene heraus, sehen wir praktisch nichts außer wenigen Sternen, die sich, im stellaren Maßstab gesehen, in unmittelbarer Umgebung befinden.

    genau!

    Und zwischen den Galaxien, beispielsweise auf halber Strecke zur Andromedagalaxie? In einer Umgebung von 100 Millionen Lichtjahren gibt es nichts, das leuchten würde. Die Milchstraße und der Andromedanebel: zwei diffuse Flecke auf schwarzem Grund. Und sonst nichts.

    korrekt

    Das bedeutet: Unsere Wahrnehmung ist auf irdische Verhältnisse geeicht. Nur in der unmittelbaren Nähe von Sternen können wir ohne technische Hilfe sehen. Die Hilfsmittel und Methoden, die in der Astronomie verwendet werden, gaukeln uns ein – aus menschlicher Sicht – falsches Bild des Weltalls vor. Sie machen sichtbar, was eigentlich nicht sichtbar ist. Zwar sind die Gebilde, die auf Fotografien zu sehen sind, wirklich vorhanden; so gesehen, handelt es sich um "wahre" Bilder. Doch nicht in der dargestellten Helligkeit. Extreme Belichtungszeiten und riesige Spiegel fangen derart viele Photonen ein, dass ein völlig verzerrtes Bild des uns umgebenden Raumes entsteht.

    Richtig. Wie es wirklich aussieht, kann aber jeder beim Blick in ein Fernrohr selbst feststellen. Denn kein Fernrohr kann die Flächenhelligkeit erhöhen (aber sehr wohl verringern - nämlich wenn die Vergrößerung höher ist als der Objektivdurchmesser geteilt durch 5 mm). Wenn Sie den Orionnebel bei 20facher Vergrößerung im 100mm-Fernrohr sehen, dann haben Sie exakt das Bild vor sich, das der Orionnebel aus nächster Nähe (25 pc Distanz!) böte. Ebenso für M31 usw, jeweils bei einem Zwanzigstel der wahren Entfernung.

    Zwar finde auch ich die Bilder, beispielsweise von Hubble, extrem faszinierend, doch mir scheint, dass das unreflektierte Konsumieren dieser Bilder bei einigen Betrachtern den Eindruck entstehen lässt, das Weltall würde vor Licht nur so sprühen. Manch einer mag denken, wäre man erstmal "dort draußen", würde sich einem derselbe Anblick bieten, wie die Fotos suggerieren. Was aber (leider) nicht so ist.

    genau!

    Möglicherweise habe ich in meinen Ausführungen ein paar Denkfehler gemacht und ich würde mich gerne korrigieren lassen. In jedem Fall halte ich das Thema "Wie dunkel ist das Weltall wirklich?" für so interessant, dass ich mir einen Artikel, der sich diesem Thema wissenschaftlich nähert, vorstellen könnte. Nicht um das Weltall zu "entzaubern", aber um der Wahrheit ein Stück näher zu kommen. Oder um deutlich zu machen, dass es nicht nur eine, sondern verschiedene Wahrheiten gibt, was vielleicht zu einem bewussteren Umgang mit (Ab-)Bildern der Welt führt.

    PS: Ich habe einen 100 mm Refraktor mit 1000 mm Brennweite. Schaue ich mit niedriger Vergrößerung, wirkt sich der helligkeitsverstärkende Effekt voll aus und ein Gasnebel, den ich mit bloßem Auge nicht sehen kann, wird sichtbar. Betrachte ich mit starker Vergrößerung einen Planeten, werden zwar Details sichtbar, die Helligkeit nimmt jedoch stark ab und aus Jupiter z.B., der mit bloßem Auge gleißend hell erscheint, wird ein mäßig heller Körper. Also: Niedrige Vergrößerungen verstärken das Licht, starke Vergrößerungen reduzieren es. Ein bestimmter Vergrößerungsfaktor dazwischen würde uns genau den Helligkeitseindruck vermitteln, den wir hätten, wenn es uns möglich wäre, das beobachtete Objekt aus nächster Nähe mit bloßem Auge zu betrachten. Welche Vergrößerung wäre das? Gibt es hierfür eine Formel?

    Ja, siehe weiter oben. Bei geringerer Vergrößerung als "Teleskopdurchmesser geteilt durch 5 mm" bleibt die empfangene Flächenhelligkeit auf der Netzhaut gleich! Sie wird nicht größer. Bei höherer Vergrößerung fällt sie mit dem Quadrat der Vergrößerung ab.

    Und was bedeutet die anscheinend magische Zahl "5 mm" in dieser Formel? Ganz einfach: Sie ist der typische Durchmesser der entspannten Pupille eines nicht mehr ganz jungen Menschen.




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