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Kommentare - - Seite 1

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  • Positiv geladene Sonne?

    07.03.2012, Franz Großmann
    Sehr geehrte Damen und Herren von „Sterne und Weltraum“,
    ich unterrichte am Gymnasium Überlingen u.a. das Fach Astronomie. Gerne lese ich immer wieder Ihre astronomische Zeitschrift und dabei auch die Leserbriefe. Nun möchte ich eine fachliche Frage an Sie richten, die mich schon seit geraumer Zeit beschäftigt.

    Wie wir wissen bläst die Sonne ständig den Sonnenwind ins All. Dieser beinhaltet u.a. Protonen und Elektronen. Unabhängig von der Ursache dieses Windes, erhalten genannte Teilchen Energie, die im Wesentlichen doch kinetische Energie ist, welche proportional ist zur Teilchenmasse und zum Quadrat der Teilchengeschwindigkeit. Ich gehe davon aus, dass viele dieser Teilchen eine Geschwindigkeit erhalten, die größer als die Fluchtgeschwindigkeit der Sonne ist. Sie sind somit im Prinzip in der Lage, das Sonnensystem ein für allemal zu verlassen. Nun ist das Proton grob 2000-mal massereicher als das Elektron. Also hat es – bei gleicher kinetischer Energie – eine erheblich geringere Geschwindigkeit als das Elektron. Daraus folgt doch, dass deutlich mehr Elektronen die Fluchgeschwindigkeit erreichen oder überschreiten als Protonen. Dies wiederum bedeutet eine zunehmende positive Ladung der Sonne, bis schließlich die Coulombkräfte ein neues Gleichgewicht herstellen. Also: Die Sonne – und im Übrigen auch die Sterne! – müssten doch eine gewisse positive Überschussladung tragen, was aber nach meiner Kenntnis nicht der Fall ist. Wo liegt mein Denkfehler bzw. wie verhält es sich mit dem Sonnenwind?

    Mit freundlichem Gruß
    Stellungnahme der Redaktion

    Einen Denkfehler hat Herr Großmann nicht begangen. Er ist lediglich von etwas falschen Voraussetzungen ausgegangen. Der Sonnenwind ist ein Gasstrom, in dem alle Teilchen die gleiche Geschwindigkeit besitzen, also die Protonen zweitausendmal mehr kinetische Energie. Und es sind nicht "viele" dieser Teilchen, die die Fluchtgeschwindigkeit ereichen, sondern alle.



    Seine dahinterstehende physikalische Überlegung ist aber völlig richtig. Wenn das kein Abströmen, sondern ein Verdampfen wäre, dann würden mehr Elektronen schneller entweichen - und die Sonne wuerde ein klitzekleines bisschen positiv geladen. Aber wirklich nur ein klitzekleines bisschen. Denn die elektrostatische Anziehung würde blitzschnell jeglichen Gasdruck und jegliche gravitativen Unterschiede ausgleichen. Die elektrostatische Anziehung ist nämlich eine ungeheuer starke Kraft.



    Und jetzt kommt's: Wieso verdampft die heiße Korona nicht, sondern strömt neutral und geordnet ab?
    Genau wegen der elektrostatischen Anziehung zwischen Elektronen und Protonen. Die heissen Elektronen würden ja gerne schneller entweichen als die genau so heißen (und deshalb langsameren) Protonen. Aber sobald sie das versuchen, werden sie von den Protonen elektrostatisch gebremst und können im Endeffekt nur so schnell weg wie die Protonen mitgehen. Die Elektronen schaffen es nicht mal, den Protonen auch nur um einen Meter vorauszueilen, aber ein klitzekleines bisschen hinken die Protonen tatsächlich hinterher.



    Um diese paar Ecken rum hat Herr Großmann also vollkommen recht. Die Sonne ist ein klitzekleines bisschen positiv geladen. Aber es ist für alle praktischen und astrophysikalischen Zwecke völlig irrelevant.



    Herzliche Grüße,
    Ihr Leserbriefredakteur,
    Ulrich Bastian

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