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  • Re: Regenbögen auf fremden Planeten/Monden

    21.08.2016, Alexander Haußmann, Institut für Angewandte Physik, Techn. Univ. Dresden

    Hallo SuW-Redaktion,

    Herr Sandkühler hat in seinem Leserbrief (Ausgabe 9/2016) einige interessante Fragen zu Regenbögen auf anderen Planeten oder Monden aufgeworfen. Wie er schon sehr richtig bemerkt, ist es erforderlich, dass direktes Sonnenlicht die entsprechenden Flüssigkeitstropfen überhaupt erreicht. Über die meteorologischen Verhältnisse auf anderen Himmelskörpern ließe sich weitläufig spekulieren, aber bereits in unserer gewohnten irdischen Umgebung sind aus diesem Grund Regenbögen eher eine Seltenheit.

    Außerdem ist es erforderlich, dass die Streupartikel (zumindest näherungsweise) eine Kugelform aufweisen, d.h. sehr wahrscheinlich flüssig sein müssen. Ansonsten würden an festen Kristallen Haloerscheinungen entstehen, über deren Aussehen auf fremden Welten auch schon spekuliert wurde (http://www.atoptics.co.uk/halo/oworld.htm) und die in ihrer einfachsten Form als Untersonne schon vom Satelliten „Mars Global Surveyor“ außerhalb der Erdatmosphäre beobachtet wurden (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1256/wea.46.06/pdf). Zudem müssen die Tropfen für den fraglichen Lichtwellenlängenbereich transparent sein, was im Sichtbaren jedoch wahrscheinlich ist. Anders sähe es schon aus, wenn man sich für Regenbögen im Infrarot interessiert. Schließlich kommt es neben der Dispersion noch auf die Größe der Tropfen an: Bei Wasser spricht man erst ab Durchmessern > 0,1 mm von echten Regenbögen, kleinere Tropfen führen zu den weißen Nebel- oder Wolkenbögen (http://www.meteoros.de/bildergalerie/cat/91). Der größenabhängige Farbverlauf lässt sich mit der Mie-Theorie sehr genau berechnen, auch für die erwähnten Kohlenwasserstoffe und anderen Verbindungen, sofern der Brechungsindexverlauf unter den herrschenden Temperatur- und Druckbedingungen bekannt ist.

    Bei kleinen Tropfen tritt nahe der Rückstreurichtung zusätzlich noch ein Farbringsystem, die sogenannte Glorie, auf. Diese wird von Flugreisenden häufig in irdischen Wasserwolken um den Flugzeugschatten gesehen, ist aber auch schon von der Sonde Venus Express in der Venusatmosphäre nachgewiesen worden (http://www.nature.com/news/why-the-venus-rainbow-is-actually-a-glory-1.14869). Unabhängig von ihrer Zusammensetzung dürften die dortigen Partikel mit ihren Größen um 2,5 µm aber zu klein sein, um einen ausgeprägten Wolkenbogen zu erzeugen – dieser müsste nach Mie sehr breit und diffus ausfallen.

    Wie schon von Herrn Sandkühler bemerkt, sind natürlich auch der Brechungsindex und das Ausmaß der Dispersion entscheidend für die Größe und Farbenpracht der resultierenden Regenbögen. Für flüssiges Methan bei 111 K habe ich bei http://refractiveindex.info die Werte n = 1,271 (bei 700 nm) und n = 1,280 (400 nm) gefunden. Für Wasser bei 20 °C sind die entsprechenden Werte n = 1,330 und n = 1,343. Man kann damit den Winkelradius der resultierenden Regenbögen berechnen. Am einfachsten geht das mit der Theorie von Descartes, die bei hinreichend großen Tropfen (d. h. bei vernachlässigbarer wellenoptischer "Verwischung") zutreffende Ergebnisse liefert. Da der Unterschied der Brechungsindizes von Wasser und flüssigem Methan nicht sehr groß ist, weichen die Ergebnisse auch nur um einige Grad voneinander ab, wobei der Hauptregenbogen anwächst und der Nebenregenbogen schrumpft. Dadurch liegt nun der schwächere Nebenbogen innerhalb des Hauptbogens, und beide wenden sich nicht mehr wie bei Wasser das Rot zu (siehe das Foto von Herrn Ziegler), sondern das Blau. Übrigens würde die etwas geringere Dispersion von Methan auf Titan nicht unbedingt zu weniger farbkräftigen Regenbögen führen, denn der Winkeldurchmesser der Sonne, welcher auf der Erde die Farben des Regenbogens immerhin über einen Bereich von ca. 0,5° ausschmiert, fiele dort "draußen" entsprechend kleiner aus.

    Die angesprochenen "verschachtelten" Regenbögen gibt es übrigens im kleinen Maßstab auch schon auf der Erde, wenn nämlich das Sonnenlicht an einer Wasserfläche gespiegelt wird, bevor es die Regentropfen erreicht (http://www.meteoros.de/bildergalerie/cat/87). Damit „sieht“ ein Regentropfen effektiv zwei Sonnen. Eine davon liegt allerdings unter dem Horizont, was in einem Doppelsternsystem so nicht möglich wäre – beide Lichtquellen müssen über dem Horizont stehen, wenn keine Spiegelflächen im Spiel sind. Infolgedessen würden dann die Kreuzungspunkte der Regenbögen an anderen Stellen entlang ihres Umfanges liegen. Übrigens lassen sich auch verschachtelte Haloerscheinungen im winterlichen Eisnebel erzeugen, wenn zum Mond noch eine irdische Lichtquelle hinzukommt. Dies wurde in Finnland und auch im deutsch/tschechischen Fichtelberg-Keilberg-Gebiet im Erzgebirge demonstriert (http://www.meteoros.de/akm/halotreffen/2015/).

    Schließlich möchte ich noch anmerken, dass bereits vorgeschlagen wurde, die starke Polarisation des Regenbogenlichts als Indikator für das Vorhandensein von Wassertropfen in der Atmosphäre von Exoplaneten zu nutzen (http://web.gps.caltech.edu/~vijay/Papers/Polarisation/Planetary%20Atmospheres/bailey-07.pdf).

    Viele Grüße,
    Alexander Haußmann

    PS: Zum Thema Regenbögen wird in der kommenden Woche im "European Journal of Physics" ein Review-Artikel von mir erscheinen, allerdings mit dem Schwerpunkt auf der irdischen Atmosphäre.
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