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Freistetters Formelwelt: Magische Mathematik, aber ohne Einhorn

Auch in der Mathematik gibt es Magie - und natürlich Antimagie. Nur die Sache mit den Einhörnern ist noch ein bisschen unklar. Sicher ist aber: Schuld ist der Graph!
Ein Netz aus blauen Punkten, verbunden durch Geraden.

Ab und zu schaue ich in den einschlägigen Literaturdatenbanken nach den aktuellen mathematischen Fachpublikationen. In den meisten Fällen versteh ich davon zwar nichts, denn der Grad der Spezialisierung macht es schwer, die Details eines Gebiets zu erfassen, auf dem man nicht explizit ausgebildet worden ist. Aber manchmal finde ich dafür etwas, das meine Aufmerksamkeit erregt. Zum Beispiel die Arbeit »Antimagic Labeling for Unions of Graphs with Many Three-Paths«.

Okay, ich gebe zu, dass ich in meiner Aufregung über das Wort »Antimagic« gleich auch »Unicorn« statt »Union« gelesen habe. Ein antimagisches Einhorn war dann im Artikel leider doch nicht zu finden – dafür aber jede Menge Information über Graphen. Ein Graph ist in der Mathematik eine abstrakte Struktur, die aus einer Menge von Knoten und Kanten besteht. Also anschaulich gesprochen einem Haufen Punkte, die durch diverse Linien verbunden sind – oder auch nicht. Magische Graphen bekommt man, wenn man den Knoten und Kanten Bewertungen zuweist – also jeweils eine bestimmte Zahl –, und diese nach bestimmten Regeln addiert.

Wir können das am Beispiel eines Dreiecks betrachten. Den drei Punkten in den drei Ecken weisen wir die Bewertungen 1, 2 und 3 zu, und den drei Linien, die die Ecken verbinden, die Bewertungen 4, 5 und 6. Das magische Quadrat bekommt man, wenn die Kante zwischen den Ecken 1 und 3 die Bewertung 5 erhält und die zwischen den Ecken 1 und 2 die 6 – womit Kante 4 zwangsläufig zwischen den Ecken 3 und 2 verlaufen muss. Und dann brauchen wir diese Formel:

Mit w(ab) wird das Gewicht der Kante zwischen den Ecken a und b bezeichnet. Es errechnet sich aus der Summe der Bewertungen der beiden Ecken plus der Bewertung der Kante, die zwischen a und b verläuft. Wenn wir das für unser Dreieck ausrechnen, dann sehen wir, dass das Ergebnis immer 9 beträgt. Zwischen Ecken 1 und 3 verläuft die Kante 5 und 1 + 3 + 5 ergibt 9. Gleiches gilt für Ecken 1 und 2 mit der Kante 6 dazwischen: 1 + 2 + 6 = 9, genau so wie 3 + 2 + 4 = 9 gilt. Das ist magisch!

Eine Frage der Gewichtung

In so einem Fall haben wir einen kantenmagischen Graphen konstruiert. Natürlich gibt es auch eine entsprechende Formel für einen eckenmagischen Graphen. Dazu summiert man die Bewertung einer Ecke und die aller Kanten, die in dieser Ecke beginnen. Erhält man für jede Ecke dieselbe Zahl, ist der Graph eckenmagisch. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass das auf unser Dreieck zutrifft; das Ergebnis ist immer gleich 12.

Ein Graph, der sowohl ecken- als auch kantenmagisch ist, wird total magisch genannt. Es ist eine schöne Vorstellung, dass irgendwo Mathematikerinnen und Mathematiker rumsitzen und einander von ihren total magischen Graphen erzählen.

Die richtige Bewertung zu finden, um einen Graphen magisch zu machen, kann knifflig sein. Oder unmöglich. Aber wenn sich keine magische Bewertung finden lässt, macht das einen Graphen noch nicht antimagisch, dazu muss die Bewertung so beschaffen sein, dass man an allen Knoten unterschiedliche Gewichte errechnen kann. Das alles klingt ein wenig nach Spielerei und Matherätsel. Tatsächlich gibt es enge Verbindungen zwischen magischen Graphen und den magischen Quadraten, die zu den Klassikern der Mathespiele gehören.

Die Erforschung magischer Graphen hat aber durchaus auch ernsthafte Anwendungen. Denn Graphen können sehr viel komplexer sein als das Dreieck aus unserem Beispiel. Netzwerke aus Straßen können als Graphen dargestellt werden; genauso wie Stammbäume oder diverse andere Datenstrukturen beim Programmieren, und so weiter. Und immer wieder ist es nötig, solche Graphen nach verschiedenen Eigenschaften zu gewichten. Ob so ein Graph magisch ist oder antimagisch, kann die Art und Weise beeinflussen, wie man mit ihm in weiterer Folge mathematisch verfahren kann.

Magie ist also wichtig, auch in der Mathematik. Und ich werde mich jetzt auf die Suche nach einem Einhorn machen. Wäre ja gelacht, wenn sich das nicht auch noch findet.

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