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Organspende: Schluss mit der Verweigerung!

Der Organspende-Kurswechsel der Niederlande sollte ein Zeichen sein, die liegen gebliebene Organspende-Diskussion wieder aufzunehmen, kommentiert Lars Fischer.
Im Koffer ist ein Organ - bereit zur Spende

Die Organe von Verstorbenen sind zu wertvoll, als dass man sie verbrennen oder verwesen lassen sollte. Wer das anders sieht, muss das in den Niederlanden zukünftig ausdrücklich sagen, sonst kommen seine oder ihre Organe nach dem Tod automatisch schwer kranken Menschen zugute. Zu diesem Ansatz, auch als Opt-out-Verfahren bezeichnet, hat sich jetzt die erste Kammer des Niederländischen Parlaments durchgerungen. Die umkämpfte Entscheidung sollte auch in Deutschland Anlass sein, das Thema wieder aufzugreifen; nicht zuletzt um die Probleme des Vergabesystems anzugehen, die mit dem Organspendeskandal aufgedeckt wurden.

Mehr als fünf Jahre sind vergangen, seit ein Göttinger Arzt Patientendaten fälschte und das Organspendesystem damit nachhaltig in Verruf brachte. Die in Deutschland ohnehin schon niedrige Spendebereitschaft sank deutlich, daran änderten auch die späteren Freisprüche für die manipulierenden Mediziner nichts. Im Jahr 2017 registrierte die Deutsche Stiftung Organtransplantation die niedrigste Spendebereitschaft seit zwei Jahrzehnten: Nicht einmal 800 Spendern pro Jahr stehen mehr als 10 000 Schwerkranke gegenüber, die auf ein Spenderorgan warten.

… ist in deinem Land nicht verfügbar

Dieser Organmangel führt dazu, dass eine Reihe lebensrettender Maßnahme in Deutschland nur sehr begrenzt zur Verfügung steht – und man sich deswegen hier zu Lande nicht einmal theoretisch darauf verlassen kann, die beste mögliche Versorgung zu bekommen. Grund dafür ist anscheinend eine diffuse Angst in der Bevölkerung, die von den gefälschten Dokumenten des Skandals von 2012 noch geschürt wurde, obwohl Spender gar nicht betroffen waren. Eine Rolle spielt aber wohl auch, dass es keinerlei negative Konsequenzen hat, wenn man nicht bereit ist, die eigenen Organe nach dem Tod abzugeben – oder sich auch nur mit der Frage zu befassen.

Darüber wird man diskutieren müssen. Um eine Erhöhung der Spendebereitschaft auf irgendeine Weise wird man jedenfalls nicht herumkommen, denn die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage erzeugt neben vermeidbaren Todesfällen auch erhebliche Probleme. Der Organspendeskandal war eine direkte Folge des Mangels: Je knapper Spenderorgane, je größer die Wahrscheinlichkeit, zu sterben, während man auf der Warteliste steht, desto stärker ist der Anreiz, das System zu manipulieren – für Patienten wie für Ärzte. Das Misstrauen gegenüber dem Gesundheitssystem ist einer der wichtigsten Gründe für fehlende Spendebereitschaft. Gleichzeitig verschärft der Mangel an Organen die Probleme des reformbedürftigen Vergabesystems, macht Änderungen aber schwieriger.

Eine allgemeine Opt-out-Regelung, wie sie in den Niederlanden nun beschlossen ist, würde die Probleme des Organspendesystems nicht von allein lösen. Aber zumindest würde es Leben retten und den Anreiz zum Betrug senken. Man darf Menschen nicht zwingen, Organe zu spenden – aber dass man sie zumindest auffordert, sich dafür oder dagegen zu entscheiden, ist eigentlich überfällig.

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