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Die fabelhafte Welt der Mathematik: Von traurigen, fröhlichen und narzisstischen Zahlen

Nicht alles muss in der Mathematik einen Nutzen haben. Indem man natürliche Zahlen in »fröhliche« und »traurige« Kategorien einteilt, ergeben sich spannende – und gar nicht so einfach zu beantwortende Fragen.
Ein Mann ertrinkt in einem Meer von Informationen
Natürliche, rationale, irrationale, algebraische, berechenbare oder transzendente Zahlen: Oft ist es schwer, da den Überblick zu behalten. Fröhliche und traurige Zahlen lassen sich aber ganz einfach bestimmen.

Es gibt verschiedenste Arten von Zahlen, von denen uns einige bereits in der Schule begegnen: natürliche, rationale, irrationale, imaginäre, berechenbare und nicht berechenbare Zahlen. Heute soll es um etwas Heiteres gehen, nämlich um »fröhliche Zahlen«. Ja, die tauchen in der Mathematik tatsächlich auf, und das ist wirklich ihre Fachbezeichnung. Eine richtige Anwendung haben fröhliche Zahlen zwar nicht, aber sie haben erstaunliche Eigenschaften, weshalb sie unter Hobbymathematikern sehr beliebt sind. Zum Beispiel lassen sich alle natürlichen Zahlen entweder in »fröhliche« oder »traurige« Zahlen einteilen. Und eine Verallgemeinerung der »Fröhlichkeit« führt zu den »narzisstischen Zahlen«, die stark auf sich selbst fixiert sind.

Wer erstmals das Konzept der fröhlichen Zahlen entwickelt hat, ist unklar. Populär wurden sie durch den britischen Mathematiker Reginald Allenby in den 1960er Jahren, dessen Tochter von der Schule heimkam und von einer »fröhlichen Berechnung« erzählte: Man nehme eine beliebige natürliche Zahl, zum Beispiel 13, quadriere ihre Ziffern (12 = 1, 32 = 9) und addiere sie 1 + 9 = 10. Dann wiederholt man diese Berechnung mit dem Ergebnis (12 + 02 = 1). Falls man bei 1 gelandet ist, hat man einen »Fixpunkt« erreicht: Jede weitere Durchführung liefert stets das Ergebnis 1. Solche Zahlen, die durch wiederholte fröhliche Berechnung irgendwann eine 1 liefern, heißen fröhliche Zahlen.

Folgerichtig müsste man alle anderen Zahlen traurig nennen. Das Spannende ist, dass auch die traurigen Zahlen einem festen Muster folgen. Starten wir zum Beispiel mit 4: 4 → 16 → 37 → 58 → 89 → 145 → 42 → 20 → 4. Da wir die fröhliche Berechnung mit einer Vier gestartet haben, beginnt die Zahlenfolge wieder von vorne. Falls die wiederholte fröhliche Berechnung für eine Zahl also die Werte 4, 16, 37, 58, 89, 145, 42, oder 20 ergibt, ist die Zahl zwangsweise traurig. Allenby fragte sich sofort, ob sich die natürlichen Zahlen auf diese Weise alle in fröhliche (Endergebnis 1) oder traurige (Zyklus, der mit 4 beginnt) Zahlen aufspalten lassen – oder ob die fröhliche Berechnung auch andere Endpunkte besitzt.

Viele Menschen denken, Mathematik sei kompliziert und öde. In dieser Serie möchten wir das widerlegen – und stellen unsere liebsten Gegenbeispiele vor: von schlechtem Wetter über magische Verdopplungen hin zu Steuertricks. Die Artikel können Sie hier lesen oder als Buch kaufen.

Das lässt sich schnell herausfinden. Dafür muss man zunächst prüfen, wie groß die Summe der quadrierten Ziffern einer Zahl maximal werden kann. Angenommen, man hat eine einstellige Zahl, etwa 9. Deren Quadrat, 81, kann größer sein als sie selbst. Gleiches gilt für zweistellige Zahlen wie 99: 92 + 92 = 162. Für dreistellige Zahlen und alle darüber hinausgehenden gilt das allerdings nicht mehr. Selbst für 999 ist die Summe der quadrierten Ziffern kleiner als die Zahl selbst, nämlich 243. Das heißt: Sobald man die fröhliche Berechnung für eine dreistellige Zahl wiederholt durchführt, erhält man bloß dreistellige Werte. Beginnt man hingegen mit einer vierstelligen Zahl, führt die fröhliche Berechnung im ersten Schritt ebenfalls zu einem dreistelligen Ergebnis.

Ein Algorithmus für traurige Zahlen

Um zu beweisen, dass jede natürliche Zahl entweder eine fröhliche oder eine traurige Zahl ist, muss man also bloß alle dreistelligen Zahlen durchgehen. Das ist zwar mühselig, aber nicht sonderlich kompliziert – man kann dafür beispielsweise einen kurzen Algorithmus entwickeln, der folgendermaßen funktioniert:

  1. Wähle für i, j, k je einen Wert von 0 bis 9.
  2. Berechne z = i2 + j2 + k2.
  3. Falls z = 1 ist, dann ist die dreistellige Zahl ijk eine fröhliche Zahl.
  4. Falls z = 4, 16, 37, 58, 89, 145, 42, oder 20 ist, dann ist ijk eine traurige Zahl.
  5. Falls keiner der beiden Fälle zutrifft, setze neue Werte für i, j und k fest, indem man die »Abrundungsfunktion« Floor(x) nutzt, die jeder Dezimalzahl ihren ganzzahlig abgerundeten Wert zuordnet (Floor(1,6) = 1): i = Floor(z100), j = Floor(a – 100·i10), k = a – i·100 – j·10. Mit diesen neuen Werten für i, j und k setzt man den Algorithmus bei Punkt 2 fort.

Diesen Algorithmus wiederholt man für alle einstelligen Zahlenwerte von i, j und k. Wie sich herausstellt, landet man für jede Ziffernkombination stets bei einer fröhlichen oder einer traurigen Zahl. Das heißt, alle dreistelligen Zahlen sind entweder fröhlich oder traurig – und damit auch alle vierstelligen Zahlen, da die Summe ihrer quadrierten Ziffern (erster Schritt in der fröhlichen Berechnung) dreistellig ist. Dieses Argument lässt sich für immer größere natürliche Zahlen fortführen. Und so landet man bei dem Ergebnis, dass jede natürliche Zahl entweder fröhlich oder traurig ist. Es gibt keinen Wert, der sich bei wiederholtem Bilden der fröhlichen Berechnung diesen zwei Schicksalen entzieht.

Mit diesem Ergebnis allein gab sich die Fachwelt jedoch nicht zufrieden. Mathematikerinnen und Mathematiker fragten sich zum Beispiel, wie hoch der Prozentsatz aller fröhlichen Zahlen ist. Werden sie mit wachsender Größe seltener wie die Primzahlen oder tauchen sie immer in etwa gleich häufig auf?

Zunächst einmal ist klar: Es gibt unendlich viele fröhliche Zahlen, schließlich entspricht jede Zehnerpotenz 10x zwangsläufig einer fröhlichen Zahl. Aber wie sieht es mit ihrer Dichte ρ aus, also dem Verhältnis der fröhlichen zu allen natürlichen Zahlen? Unter den ersten zehn natürlichen Zahlen findet man drei fröhliche (ρ = 0,3), unter den ersten 100 finden sich 20 (ρ = 0,2) und unter den ersten 1000 natürlichen Zahlen gibt es 143 fröhliche (ρ = 0,143). Es gibt sogar einen Eintrag in der Online-Enzyklopädie der Zahlenfolgen OEIS, der sich nur mit der Häufigkeit der fröhlichen Zahlen in einem Intervall von 0 bis 10n beschäftigt. Wenn man die Dichte für verschiedene Potenzen n berechnet, erhält man also folgendes Bild:

Nun könnte man vermuten, dass die Dichte etwa 14 Prozent entspricht. Doch wie der Mathematiker Justin Gilmer im Jahr 2011 bewiesen hat, besitzen die fröhlichen Zahlen keine eindeutig definierte Dichte. Das heißt, ihre Dichte hängt vom betrachteten Intervall ab und läuft nicht auf einen festen Grenzwert zu. Das Ergebnis hat zwar viele Personen überrascht, doch sie sind bei Weitem nicht die einzigen Zahlen, die keine fest definierte Dichte besitzen.

Ein solches Verhalten findet man zum Beispiel bei der Menge von Zahlen, die mit einer 1 beginnen. Unter den ersten neun Zahlen (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9) gibt es genau eine, die mit einer 1 beginnt (die 1), was einer Dichte von 19 entspricht. Unter den ersten 19 (1, 2, ..., 10, 11, 12, ..., 19) Zahlen gibt es elf, die mit einer 1 beginnen, was eine Dichte von 1119 ergibt. Und unter den ersten 99 Zahlen sind es noch immer elf, die mit einer 1 starten, somit hat man eine Dichte von 1199 = 19 in diesem Zahlenintervall. Unter den ersten 199 sind es wiederum 110199 und so weiter. Die Dichte schwankt zwischen hohen und niedrigen Werten – je nachdem, welches Intervall man herauspickt. In solchen Fällen lässt sich kein Grenzwert für die Dichte innerhalb der gesamten natürlichen Zahlen angeben. Gleiches gilt für die fröhlichen Zahlen. Je nach Intervall schwankt ihre Dichte von einem Wert unter 12 bis auf über 18 Prozent.

Wie viele aufeinander folgende fröhliche Zahlen gibt es?

Eine weitere Frage, die Mathematiker beschäftigt, lautet: Wie viele aufeinander folgende fröhliche Zahlen kann es geben? Die ersten zwei aufeinander folgenden fröhlichen Zahlen sind 31 und 32. Um die ersten drei aufeinander folgenden fröhlichen Zahlen zu finden, muss man schon zu vierstelligen Werten gehen: 1880, 1881, 1882. Im Jahr 2006 hat der Mathematiker Hao Pan bewiesen, dass es beliebig viele aufeinander folgende fröhliche Zahlen gibt. Hierfür muss man aber unter Umständen lange suchen. Eine Folge mit vier aufeinander folgenden Zahlen findet man bei 7839, eine mit fünf beginnt mit 44 488, eine mit sechs startet mit 7 899 999 999 999 959 999 999 996.

Und wie sieht es mit der größten Anzahl an Iterationen für die fröhliche Berechnung aus? Sprich: Wie oft muss man eine fröhliche Berechnung für eine fröhliche Zahl durchführen, bis man schließlich bei der 1 landet? Mit Hilfe dieser Größe lässt sich eine Art Maß für die Fröhlichkeit einer Zahl definieren. Je weniger Iterationen, desto fröhlicher die Zahl. So sind 1, 10, 100 und so weiter extrem fröhlich, während 13 etwas weniger fröhlich ist. Was ist die am wenigsten fröhliche Zahl, die noch nicht traurig ist? Unter den zweistelligen Zahlen ist es die 7. Hier braucht man fünf Iterationen, um bei der 1 zu landen. Die nächstunglückliche Zahl ist 356, hierfür braucht man sechs Durchgänge. Und dann wird es wild. Möchte man eine noch weniger fröhliche Zahl, landet man bei einem Wert mit 977 Ziffern: 378899999…999. Die fröhliche Zahl mit neun Iterationen hat 10977 Ziffern – und wie es aussieht, sind der Anzahl der Iterationen keine Grenzen gesetzt. Man kann zu jeder Zahl n eine fröhliche Zahl finden, die erst nach n wiederholten fröhlichen Berechnungen eine 1 ergibt. Damit ist dem Maß an Nichtfröhlichkeit keine Grenze gesetzt.

Spannend wird es, wenn man das Konzept der fröhlichen Zahlen verallgemeinert. Anstatt die Summe der quadrierten Ziffern zu bilden, kann man auch die dritten Potenzen addieren. In diesem Fall spalten sich die natürlichen Zahlen nicht mehr in zwei Lager auf, sondern in neun: Entweder die Iterationen enden bei einer 1 (»fröhliche Kubikzahlen«) oder sie enden bei einem der vier weiteren Fixpunkte (153, 370, 371, 407) oder in einem von vier Zyklen: 55 – 250 – 133 – 55; 160 – 217 – 352 – 160 , 136 – 244 – 136 , 919 – 1459 – 919.

Zahlen, die immer wieder auf sich selbst führen

Die Verallgemeinerung der fröhlichen Zahlen führt zu einer weiteren Definition: Besteht eine Zahl aus n Ziffern, dann bildet man die Summe ihrer mit n potenzierten Ziffern. Für 243 ergibt sich zum Beispiel: 23 + 43 + 33 = 8 + 64 + 27 = 99. Bei einigen Zahlen führt das Ergebnis dieser Berechnung wieder auf sich selbst, ein Beispiel dafür ist 153, da 13 + 53 + 33 = 153. Solche Zahlen heißen narzisstisch.

Alle einstelligen Zahlen sind narzisstisch. Tatsächlich gibt es insgesamt aber nur 89 narzisstische Zahlen: 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 153, 370, 371, 407, 1634, 8208, 9474, 54748, 92727, 93084, 548834, … und die größte lautet: 115 132 219 018 763 992 565 095 597 973 971 522 401.

Dass es nicht mehr narzisstische Zahlen geben kann, lässt sich beweisen, indem man eine Abschätzung macht. Angenommen, eine Zahl hat n Ziffern. Die maximale Größe der summierten Ziffern potenziert mit n ergibt sich, falls alle Ziffern den Wert neun haben: n·9n. Ab einer bestimmten Größe von n ist dieses Ergebnis aber stets kleiner als die kleinste Zahl, die aus n Ziffern besteht (10n-1). Damit kann eine solche Zahl unmöglich narzisstisch sein. Der Übergang findet bei 60-stelligen Zahlen statt: Während 60·960= 1,07·1059 und damit größer als 1059, ist 61·961= 0,98·1060 und damit kleiner als 1060. Das gilt für alle n > 60. Damit kann es keine narzisstische Zahl geben, die aus mehr als 60 Ziffern besteht. Indem man alle Zahlen, von 0 bis zu 60-stelligen, durchgeht, kann man sie auf ihren Narzissmus hin prüfen. Wie sich herausstellt, gibt es darunter bloß 89 Stück.

Da es nur endlich viele narzisstische Zahlen gibt, bergen sie deutlich weniger offene Fragen als die fröhlichen Zahlen. Für einen amüsanten Zeitvertreib eignen sich aber beide Kategorien äußerst gut.

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