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Die fabelhafte Welt der Mathematik: Ein Theorem rund um Weihnachten, Windmühlen und Primzahlen

An Weihnachten schilderte Fermat einem Kollegen eine spannende Beobachtung über Primzahlen. Ein einfacher Beweis ließ aber fast 400 Jahre auf sich warten.
Weihnachtsbaum
Bei Weihnachten denken die wenigsten an Mathe. Schade eigentlich.

Auch wenn ich kein Winter-Fan bin, bereitet mir die Weihnachtszeit Freude. Ich schätze die Zeit mit meinen Verwandten und Freunden, das gute Essen und natürlich Apfelglühwein. Es gibt aber auch ein schönes Theorem, das mit Weihnachten zusammenhängt. Wahrscheinlich verbinden nur wenige Personen den Festtag mit Mathematik – und inhaltlich hat das Theorem nicht wirklich etwas mit Lebkuchen, Rentieren oder Weihnachtsmännern zu tun.

Das »Weihnachtstheorem« erhielt seinen Namen, weil der Gelehrte Pierre de Fermat eine spannende Beobachtung zu Primzahlen am 25. Dezember 1640 in einem Brief an seinen Kollegen Marin Mersenne erwähnte: Eine ungerade Primzahl p lässt sich genau dann in die Summe zweier Quadratzahlen zerlegen (pa2b2), falls p ein Vielfaches von vier plus eins ist. Zum Beispiel: p = 4·1 + 1 = 5 = 12 + 22 oder p = 4·3 + 1 = 13 = 22 + 32.

Okay, mögen Sie sich denken, warum sollte das interessant sein? Zum einen besitzen solche Primzahlen eine schöne geometrische Anschauung: Eine Primzahl der Form 4k + 1 (mit ganzzahligem k) heißt »pythagoräische Primzahl«, weil sie mit rechtwinkligen Dreiecken zusammenhängt. Da sich eine pythagoräische Primzahl in eine Summe aus zwei Quadratzahlen zerlegen lässt, entspricht sie dem Hypothenusenquadrat eines rechtwinkligen Dreiecks mit zwei ganzzahligen Katheten. Zum anderen hat die quadratische Zerlegung aber auch jede Menge Anwendungen in der Zahlentheorie, der Kryptografie und sogar der Physik.

Viele Menschen denken, Mathematik sei kompliziert und öde. In dieser Serie möchten wir das widerlegen – und stellen unsere liebsten Gegenbeispiele vor: von schlechtem Wetter über magische Verdopplungen hin zu Steuertricks. Die Artikel können Sie hier lesen oder als Buch kaufen.

Tatsächlich war Fermat nicht der Erste, dem der Zusammenhang zwischen Primzahlen der Form 4k + 1 und der Summe zweier Quadrate auffiel. Wie sich herausstellt, hatte Albert Girard bereits 15 Jahre früher die gleiche Entdeckung gemacht. Doch weder Girard noch Fermat waren in der Lage, das Weihnachtstheorem zu beweisen. Das gelang erstmals dem Mathematiker Leonhard Euler, etwa 100 Jahre später. Doch er tat sich ebenfalls schwer damit: Euler arbeitete mehrere Jahre daran; sein Beweis baut auf anderen komplizierten Erkenntnissen auf und ist ziemlich verschachtelt. Im Lauf der Jahrhunderte fanden andere Fachleute weitere Beweise, die allerdings nicht weniger komplex waren.

Eine gute Nachricht gibt es trotzdem. Der erste Teil des Beweises des Weihnachtstheorems ist recht simpel. Bei diesem muss man zeigen, dass sich alle ungeraden Zahlen, die nicht die Form 4k + 1 haben, unmöglich als Summe von zwei Quadratzahlen zerlegen lassen. Um das zu sehen, teilt man die natürlichen Zahlen zunächst in vier Klassen auf: Vielfache von vier (4k), Vielfache von vier plus eins (4k + 1), Vielfache von vier plus zwei (4k + 2) und Vielfache von vier plus drei (4k + 3). Jede natürliche Zahl fällt in eine dieser Kategorien.

Vielfache von vier | Alle natürlichen Zahlen lassen sich in vier Familien bezüglich ihrer Teilbarkeit durch vier einordnen.

Da bis auf die 2 alle Primzahlen ungerade sind, haben diese entweder die Form 4k + 1 oder 4k + 3. Nun kann man prüfen, was passiert, wenn man eine natürliche Zahl aus einer der vier Klassen quadriert. (4k)2 ergibt 16k2 und ist damit noch immer ein Vielfaches von vier. (4k + 1)2 = 16k2 + 8k + 1, was einem Vielfachen von vier plus eins entspricht, da sowohl 16k2 als auch 8k durch vier teilbar sind. (4k + 2)2 ergibt 16k2 + 16k + 4, was insgesamt stets durch vier teilbar ist und daher ein Vielfaches von vier darstellt. Und zuletzt ergibt (4k + 3)2 = 16k2 + 24k + 9 eine Zahl, die ein Vielfaches von vier plus eins ist.

natürliche ZahlQuadrat
4k(4k)2 ist ein Vielfaches von vier
4k + 1(4k + 1)2 ist ein Vielfaches von vier plus eins
4k + 2(4k + 2)2 ist ein Vielfaches von vier
4k + 3(4k + 3)2 ist ein Vielfaches von vier plus eins
Quadratzahlen | Die Quadratzahlen sind bloß noch in zwei Familien einzuordnen: Entweder sie sind durch vier teilbar oder sie entsprechen einem Vielfachen von vier plus eins.

Während sich also alle natürlichen Zahlen in vier Kategorien bezüglich Vielfachen von vier aufteilen lassen, spalten sich die Quadratzahlen nur in zwei Kategorien auf: Entweder sie sind Vielfache von vier (4k) oder Vielfache von vier plus eins (4k + 1). Wenn man die Summe aus zwei Quadratzahlen bildet, können Ergebnisse aus drei verschiedenen Kategorien entstehen: Addiert man zwei Vielfache von vier, ist die Summe ebenfalls durch vier teilbar (4k). Addiert man zwei Quadratzahlen der Form 4k + 1, ist das Ergebnis ein Vielfaches von vier plus zwei (4k + 2). Addiert man ein Vielfaches von vier und ein Vielfaches von vier plus eins, dann ist das Ergebnis wieder ein Vielfaches von vier plus eins (4k + 1). Damit kann die Summe zweier Quadratzahlen bloß in drei möglichen Klassen liegen: Zahlen der Form 4k, 4k + 1 und 4k + 2 können sich aus der Summe zweier Quadratzahlen ergeben. Es ist aber unmöglich, eine Zahl der Form 4k + 3 aus der Summe zweier Quadratzahlen zu erhalten.

Summen aus Quadratzahlen | Die Summe zweier Quadratzahlen kann niemals ein Ergebnis ergeben, das einem Vielfachen von vier plus drei entspricht.

Da das Ergebnis für alle Zahlen der Form 4k + 3 gilt, sind damit auch alle Primzahlen der Form 4k + 3 betroffen. Diese lassen sich nicht als Summe zweier Quadratzahlen schreiben. Um Fermats Weihnachtstheorem zu beweisen, muss man allerdings noch zeigen, dass sich tatsächlich jede Primzahl der Form 4k + 1 als Summe von zwei Quadraten ausdrücken lässt. Und genau dieser Teil des Beweises erweist sich als kompliziert.

Der kürzeste Beweis in nur einem Satz

Unter all den verschiedenen Beweisen, die bisher dazu veröffentlicht wurden, sticht eine Arbeit des Mathematikers Don Zagier aus dem Jahr 1990 heraus: Darin präsentiert er einen vollständigen Beweis des Weihnachtstheorems, der nur einen Satz lang ist. Das macht ihn aber nicht unbedingt einfach – oder verständlich. Der Beweis lautet: Sei p = 4k + 1 eine Primzahl und S = {(xyz) ∈ ℕ3: p = x2 + 4yz} eine endliche Menge von Zahlentripeln (xyz). Dann hat S zwei Involutionen: eine offensichtliche (xyz) ↦ (xyz), deren Fixpunkte (xyy) der Darstellung von p als Summe zweier Quadratzahlen entsprechen, und eine kompliziertere:

die genau einen Fixpunkt (1, 1, k) besitzt. Damit ist die Kardinalität von S ungerade, was beweist, dass S auch einen Fixpunkt in Bezug auf die offensichtliche Involution hat.

Ich hoffe, das hat Sie jetzt nicht abgeschreckt. Zur Beruhigung: Auf Anhieb werde ich daraus auch nicht schlau – und viele andere Personen ebenso wenig. Doch glücklicherweise fand der Mathematiker Alexander Spivak 2007 eine anschauliche Erklärung des kurzen Beweises, die sich auf Windmühlen (ja, Sie haben richtig gelesen: Windmühlen) stützt. Da Spivak seine Idee auf Russisch festhielt, blieb sie längere Zeit unentdeckt. Erst 2018 formulierte der Mathematiker Moritz Firsching den Beweis auf Englisch in einem Mathematik-Forum. Dort gibt er an, diese Beweisdarstellung vom Mathematik-Professor Günter Ziegler an der FU Berlin und dessen im Oktober 2023 verstorbenem Kollegen Martin Aigner erfahren zu haben. Diese Beweismethode hat auch der Mathematiker Burkard Polster von der Monash University in Melbourne in einem seiner gelungenen Youtube-Videos aufgegriffen.

Die Beweisidee ist folgende: Zunächst betrachtet man eine ungerade Primzahl p, die sich als Summe zweier ganzzahliger Quadrate x2 und b2 schreiben lässt, p = x2 + b2. Ziel ist es, zu zeigen, dass p in diesem Fall die Form 4k + 1 hat – und umgekehrt: Falls p = 4k + 1, dann gilt auch p =  x2 + b2.

Damit p ungerade ist, muss ein Summand (und damit auch die Zahl, die quadriert wird) gerade sein und der andere ungerade. Wir können einfach annehmen, b sei gerade, dann lässt sich b = 2y schreiben, wobei y eine natürliche Zahl ist. Damit folgt: p = x2 + 4y2. Bis zu diesem Punkt waren viele Mathematikerinnen und Mathematiker gekommen, wussten dann aber nicht weiter.

Aus einem Quadrat mach ein Rechteck

Zagier entschloss sich daher, das Problem zu verallgemeinern. Also betrachtete er statt y2 das Produkt y·z, wobei auch z eine natürliche Zahl ist. Aus geometrischer Sicht heißt das: Zagier ersetzt ein Quadrat mit Seitenlänge y durch ein Rechteck mit Seitenlängen y und z: p = x2 + 4yz. Damit konnte er die verschiedenen Tripel natürlicher Zahlen (xyz) untersuchen, die die Gleichung erfüllen. Falls y =  z, dann ist p =  x2 + 4y2 und somit in zwei Quadratzahlen x2 und (2y)2 zerlegbar. Und falls x = y = 1, dann ist p = 12 + 4z und daher ein Vielfaches von vier plus eins.

Was Zagier also beweisen musste: p = x2 + 4yz hat eine ganzzahlige Lösung der Form (xyy) genau dann, wenn es eine Lösung der Art (1, 1, z) gibt. Die erste Lösung garantiert eine Zerlegung in Quadrate, die zweite Lösung besagt, dass p ein Vielfaches von vier plus eins ist.

Dafür kann man sich zunächst die Lösungstripel (xyz) zu einer ungeraden Primzahl p ansehen. Für p = 17 lösen zum Beispiel folgende Tripel die Gleichung 17 = x2 + 4yz: (1, 2, 2), (3, 2, 1) und (3, 1, 2). Es gibt also drei verschiedene ganzzahlige Lösungen. Für p = 37 gibt es folgende Lösungstripel: (1, 1, 9), (1, 9, 1), (1, 3, 3), (3, 7, 1), (3, 1, 7), (5, 1, 3), (5, 3, 1), also sieben Stück. Die interessanten Tripel waren in diesem Fall stets jene der Form (xyy), da sie sicherstellen, dass sich die Primzahl in eine Summe aus Quadratzahlen schreiben lässt. Aber wann besitzt eine Gleichung der Form p = x2 + 4yz eine solche Lösung? Dafür hilft – wie so oft in der Mathematik – die Betrachtung der Symmetrien.

Die Lösungstripel (xyz) haben nämlich eine symmetrische Struktur: Falls (xyz) die Gleichung p = x2 + 4yz löst, dann tut es auch (x, z, y), da es keine Rolle spielt, ob man y mal z oder z mal y rechnet. Damit müsste es immer eine gerade Anzahl an Lösungstripeln geben – es sei denn, (xyy) ist ebenfalls eine Lösung. Und diese Lösung, die nur einmal auftaucht, entspricht einer Zerlegung der Zahl p in zwei Quadratzahlen. Das bedeutet: Falls p = x2 + 4yz eine ungerade Anzahl an Lösungen (x, y, z) besitzt, dann lässt sich p als Summe zweier Quadratzahlen schreiben.

Damit musste Zagier nur noch zeigen, dass Primzahlen der Form p = 4k + 1 eine ungerade Anzahl an Lösungstripeln (xyz) besitzen. Und um zu verstehen, wie er das beweisen konnte, führte Spivak Windmühlen ein.

Ein Kampf gegen Windmühlen?

Wie bereits erwähnt, lässt sich die Gleichung p = x2 + 4yz auch geometrisch interpretieren: als Summe eines Quadrats mit Seitenlänge x und von vier Rechtecken mit Seitenlängen y und z. Aus diesem Quadrat und den vier Rechtecken lassen sich Windmühlen basteln – und indem man deren Struktur untersucht, lässt sich auf die Menge der Lösungstripel schließen.

Geometrische Darstellung | Die Zerlegung einer Primzahl lässt sich geometrisch durch Quadrate und Rechtecke veranschaulichen.

Um die Windmühle zu basteln, ordnet man die vier Rechtecke um das Quadrat herum an – sie stellen gewissermaßen die Flügel dar. Nun kann man zu jedem der Lösungstripel für eine Primzahl p die Windmühlen erzeugen. Zum Beispiel für p = 37:

Windmühlen | Aus den Zerlegungen einer Primzahl in Zahlentripel lassen sich Windmühlen basteln, wie hier für die Primzahl 37. Bis auf die Zerlegung von (1, 3, 3) kommen alle doppelt vor.

Fällt Ihnen etwas auf? Je nachdem, wie man die Flügel der Windmühlen anordnet, ergeben sich teilweise gleiche Schattenwürfe. Tatsächlich lässt sich jeder Schattenwurf durch zwei unterschiedliche Windmühlen erzeugen, bis auf eine Ausnahme:

Schattenwürfe | Bis auf das Kreuz (unten rechts) lassen sich alle Schattenwürfe von Windmühlen durch zwei verschiedene Zerlegungen darstellen.

Die Ausnahme bilden kreuzförmige Schatten: Diese sind eindeutig durch eine einzige Anordnung von Quadrat und Rechtecken definiert. Und wie sich herausstellt, entspricht diese Ausnahme dem Fall, bei dem x = y = 1 ist, also die Primzahl p = 1 + 4z ein Vielfaches von vier plus eins ist. Das heißt: Falls p ein Vielfaches von vier plus eins ist, dann besitzt die Gleichung p = x2 + 4yz eine ungerade Anzahl von Lösungen. Und wie Zagier zuvor gezeigt hatte, folgt daraus, dass sich die Primzahl in die Summe zweier Quadratzahlen zerlegen lässt.

Aber kommt wirklich immer nur ein einziger Schattenwurf heraus, der bloß einer Windmühle zugeordnet werden kann? Denn theoretisch erzeugen auch Tripel mit x = y = 2 (oder generell alle ganzzahligen Tripel mit x = y) einen kreuzförmigen Schattenwurf, der sich bloß einer einzigen Windmühle zuordnen lässt. In diesem Fall wäre p = x2 + 4xzx(x + 4z). Da p aber eine Primzahl ist, ist sie nur durch eins und sich selbst teilbar. Deshalb muss der Faktor x = 1 sein. Damit ist bewiesen: Je zwei Tripel (xyz) bilden ein Windmühlen-Paar mit gleichem Schatten – bis auf das Tripel (1, 1, z). Und daraus folgt, dass sich eine ungerade Primzahl genau dann in zwei Quadrate zerlegen lässt, wenn sie ein Vielfaches von vier plus eins ist.

Nach fast 400 Jahren hat das Weihnachtstheorem endlich einen verständlichen Beweis erhalten, der keine tiefer gehenden Kenntnisse höherer Mathematik erfordert. Um ihm zu folgen, braucht man bloß etwas geometrische Vorstellungskraft und ein gewisses Zahlenverständnis. Somit bleibt nur noch eines zu sagen: Frohe Weihnachten!

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