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Lexikon der Biochemie: Aminopeptidasen

Aminopeptidasen, eine Gruppe von Exopeptidasen (Proteasen), die eine relativ weitgefächerte und oft überlappende Substratspezifität besitzen. Sie spalten Peptidbindungen nahe dem N-terminalen Ende von Polypeptiden. Sie können unterteilt werden in A., die die erste Peptidbindung hydrolysieren (Aminoacyl-Peptidhydrolasen und Iminoacyl-Peptidhydrolasen) und solche, die Dipeptide von der Polypeptidkette abspalten (Dipeptidyl-Peptidhydrolasen). Außer an der Proteinreifung und dem Proteinabbau von einem Ende her sind die A. auch an der Regulierung des Peptidhormonspiegels und der Proteinverdauung im Darm beteiligt.
A. sind im Allgemeinen Zink-Metalloenzyme, die ein hoch konserviertes Zinkbindungsmotiv (-His-Glu-X-X-His-18As-Glu-) besitzen. Dieses ist für die Enzymaktivität entscheidend und kommt auch in anderen Zink-Metalloenzymen, z.B. dem Thermolysin, vor. Es sind auch A. bekannt, in denen dieses Motiv nicht konserviert ist. So verwendet z.B. die Leucin-A. andere zinkkoordinierende Liganden. Für die Biosynthese der A., die sich in immunologischen Eigenschaften, Substratspezifität, pH-Optimum, Aktivatoren, usw. unterscheiden, sind mehrere verschiedene Genorte verantwortlich (Tab.). Zusätzlich sorgen posttranslationale Modifikationen (beschrieben insbesondere für die menschliche Alanin-A.) für die Existenz multipler Formen. Die Klassifizierung erfolgt im Allgemeinen auf der Grundlage der Substratspezifität und dem Verhalten gegenüber bestimmten Inhibitoren. Beim Versuch, eine Klassifizierung auf der Basis der Aminosäuresequenz durchzuführen, wurden 84 verschiedene Familien mit ähnlichen Strukturen und katalytischen Mechanismen gefunden. Die Zuordnung zu diesen Familien zeigt aber keine Übereinstimmung mit der Klassifizierung aufgrund der Substratspezifität [N.D. Rawlings u. A.J. Barret Biochem. J. 290 (1993) 205-218].
Leucin-Aminopeptidase hydrolysiert bevorzugt Peptidbindungen, die einem N-terminalen Rest mit einer großen hydrophilen Seitenkette benachbart sind, insbesondere einem Leucylrest. Als synthetische Substrate werden im Allgemeinen Leucinamid, Leucin-4-nitroanilid und Leucinhydrazid verwendet. Dieses cytosolische Zink-Metalloenzym wurde in praktisch allen tierischen Geweben identifiziert. Die meisten Untersuchungen wurden mit dem Enzym aus der Rinderlinse (EC 3.4.11.1, früher 3.4.1.1, Mr 324kDa) durchgeführt, welches auch kristallisiert wurde. Es besteht aus sechs identischen Untereinheiten (Mr 54kDa; 487 Aminosäuren; 2 Zn2+ je Untereinheit). Sein katalytisch aktives Zentrum liegt in der C-terminalen Domäne. Das Enzym kommt auch in vielen anderen Zellen und Geweben vor, z.B. in der Lunge, im Magen, in der Niere, im Darm, im Serum und in den Leucocyten. In der klinischen Chemie dient dieses Enzym als Markersubstanz für Leberzellenlyse und kann auch eine empfindlichere Markersubstanz für akute Hepatitis sein als die Aminotransferasen.
Die Alanin-Aminopeptidase (EC 3.4.11.2, früher 3.4.1.2, Arylamidase, Aminopeptidase M) hydrolysiert bevorzugt natürliche und synthetische Substrate mit einem N-terminalen Alaninrest. Andere Aminosäuren, besonders Leucin, können auch entfernt werden, N-terminale Prolylreste werden jedoch nicht angegriffen. Biologische Substrate sind auch Met-Lys-Bradykinin, Lys-Bradykinin, (Met5)-Enkephalin und (Leu5)-Enkephalin. In Analysen der enzymatischen Aktivität werden als Substrate meistens die 4-Nitroanilide und β-Naphtylamide von Alanin und Leucin eingesetzt. Das Enzym ist in praktisch allen untersuchten Geweben vorhanden und entfaltet eine besonders hohe spezifische Aktivität in den Bürstensaummembranen der proximalen Nierentubuli, des Darms und der Gallenkanälchen. Die native Leber-Alanin-A. von Mensch und Ratte ist ein integrales membrangebundenes Ectoenzym, das mit einer N-terminalen Sequenz an der Außenseite der canalicularen Plasmamembran verankert ist. Die menschlichen Enzyme und die Rattenenzyme (Mr 111kDa) sind zu 77% homolog und bestehen aus 967 Aminosäuren. Die Enzyme verschiedener Spezies wurden kloniert, u. a. von E. coli und aus dem menschlichen Darm. Alle menschlichen Isoformen der Alanin-A. stammen von einem einzigen Protein ab. Die beobachtete Heterogenität ist drei Arten der posttranslationalen Modifizierung zuzuschreiben: Glycosylierung, begrenzte Proteolyse und Aggregation mit anderen Molekülen.
Die Aminopeptidase P (EC 3.4.11.6) ist in Mikrovillimembranen der menschlichen und der Schweineniere vorhanden und membrangebundene Formen befinden sich im Darm und in der Lunge von Ratten, in der Rinderlunge und der Meerschweinchenniere. Lösliche Formen kommen im Serum und im Gehirn von Ratten, in menschlichen Thrombocyten und im Meerschweinchenserum vor. Ebenso wurden lösliche Formen aus menschlichen Leucocyten charakterisiert. A. P gehört zu einer Gruppe von Zelloberflächenproteinen, die in der Lipiddoppelschicht durch Glycolyl-phosphatidylinositol (Membranlipide) verankert sind.
Die Cystyl-Aminopeptidase (EC 3.4.11.3, Oxyto-Kinase) ist hauptsächlich in den Plazenta-Lysosomen lokalisiert. Vermutlich stammt die beobachtete Enzymaktivität im Serum von Schwangeren und im Fruchtwasser hauptsächlich aus diesen Plazenta-Lysosomen. Das physiologische Substrat ist vermutlich Oxytocin. Das Enzym zeigt auch Angiotensinase-Aktivität. Während einer normalen Schwangerschaft steigt der Serumspiegel des Enzyms bis kurz vor dem Einsetzen der Wehen an, während die Aktivität im Fruchtwasser abnimmt. Im Schwangerschaftsserum sind in Fällen von Präeklampsie hohe Enzymspiegel vorhanden. In späten Stadien schwerer Präeklampsie (Spät-Gestase) sind die Enzymspiegel niedrig. [G.-J. Sanderink et al. J. Clin. Chem. Clin. Biochem. 26 (1988) 795-807; D. Hendricks et al. Clin. Chim. Acta 196 (1991) 87-96; I. Rusu u. A. Yaron Eur. J. Biochem. 210 (1992) 93-100; J. Wang u. M.D. Cooper in "Zinc Metalloproteases in Health and Disease" N.M. Hooper (Hrsg.), Ellis Horwood, Chichester 1995; T. Rogi et al. "cDNA Cloning of Human Placental Leucine Aminopeptidase/Oxytocinase" J. Biol. Chem. 271 (1996) 56-61]

Aminopeptidasen. Tab. Einige Aminopeptidasen (AS = freigesetzte Aminosäure; X = Aminosäure, die ein neues N-Ende erhält.

Enzym Substrat-Spezifität
Hauptquelle Anmerkungen
Leucin-
Aminopeptidase
EC 3.4.11.1
Leu-X-
(AA-X-)
Linse, Niere (Rind, Schwein) Wird aktiviert durch Mg2+, Mn2+; basisches pH-Optimum; hydrolysiert keine chromogenen Substrate; Inhibierung durch 1,10-Phenanthrolin, Actinonin, Bestatin; 6 Untereinheiten à Mr 53kDa.
Alanin-
Aminopeptidase
EC 3.4.11.2
Ala-X-
(AA-X-)
Niere (Ratte) Geringe Aktivierung durch Co+; verschiedene menschliche Isoformen aufgrund posttranslationaler Modifikation; Inhibierung durch 1,10-Phenanthrolin, Actinonin, Amastatin, Bestatin; 2 Untereinheiten à Mr 110 kDa.
Cystyl-
Aminopeptidase, Oxytocinase
EC 3.4.11.3
Leu-X-
(Cys-X-,
AA-X-)
Amnionflüssigkeit,
Schwangerschafts-
serum
Keine Inhibierung durch Bestatin oder Amastatin; hitzelabil.
Glutamyl-Aminopeptidase,
Aminopeptidase A,
Angiotensinase A,
Aspartat-Aminopeptidase
EC 3.4.11.7
Asp-X-
Glu-X-
Niere (Mensch)
Aktivierung durch Ca2+; Spaltung von Glu-Substraten wird auch durch Ba2+ aktiviert; Inhibierung durch 1,10-Phenanthrolin; 2 Untereinheiten à Mr 160 kDa; Angiotensin II bekanntestes Substrat.
Aminopeptidase B
EC 3.4.11.6
Lys-X-
Arg-X-
Leber (Ratte) Aktivierung durch Cl-, Br-; Inhibierung durch 1,10-Phenanthrolin, EDTA, Arphamenine A und B, Bestatin; instabil; Monomer, Mr 95kDa.
Aminopeptidase W
EC 3.4.11.16
X-Trp- Niere, Darm
(Schwein)
Inhibierung durch Amastatin, Bestatin; 2 Untereinheiten à 130 kDa.
Aminopeptidase P
EC 3.4.11.6
X-Pro- Niere (Schwein) Aktivierung durch Mn2+; Inhibierung durch EDTA, Enalaprilat, 1,10-Phenanthrolin; 2 (?) Untereinheiten Mr 91kDa; Bradykinin und Substanz P sind vermutlich natürliche Substrate.
Leukotrien-A4-Hydrolase
EC 3.3.2.6
Ala-X- Leucocyten (Mensch, Maus) Inhibierung durch 1,10-Phenanthrolin; Monomer, Mr 68-70 kDa; cytosolisch; ubiquitär in Säugetiergeweben; wandelt Leukotrien A4 in B4 um. 1mol Zn/mol Protein.
Methionin-
Aminopeptidase
EC 3.4.11.18
Met-X- Hefe Monomer, Mr 43kDa.
Tripeptidase
EC 3.4.11.4
Leu-(Gly-Gly)
Gly-(Gly-Gly)
Lebercytosol (Mensch, Tier) Keine Inhibierung durch Amastatin; Inhibierung durch Bestatin; Monomer, Mr 50-70 kDa; greift nur Tripeptide an.

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