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Lexikon der Biochemie: Circulardichroismus

Circulardichroismus, CD, eine optische Eigenschaft eines Moleküls, die auf ein asymmetrisches Merkmal in seiner Molekülstruktur hinweist. CD-Spektren erlauben eine schnelle Charakterisierung der Sekundärstruktur von Proteinen und Nucleinsäuren, die in 1-2ml Lösung in einer Konzentration von 0,05-0,5mg/ml vorliegen.
CD basiert auf der Tatsache, dass chirale Moleküle die links- und rechtscircularpolarisierten Lichtstrahlen unterschiedlich stark absorbieren. Die CD-Spektren bestehen aus einem Diagramm, in dem die Messung dieser Differenz als Ordinate gegen die Wellenlänge als Abszisse aufgetragen wird. Die Differenz kann entweder direkt als ΔA ausgedrückt werden, welche durch Gleichung 1 definiert wird, oder indirekt als molare Elliptizität (Θm oder [Θ]):
ΔA = AL – AR = Δε·c·L,   (1)
wobei AL = Absorption des linkscircularpolarisierten Lichtstrahls, AR = Absorption des rechtscircularpolarisierten Lichtstrahls, Δε = Differenz der Absorptionskoeffizienten der beiden Lichtstrahlen (1mol-1·cm-1), c = Probenkonzentration (mol·l-1) und L = Länge des Lichtwegs (cm) ist.
Die Ursache der molaren Elliptizität liegt darin, dass die links- und rechtscircularpolarisierten Lichtstrahlen trotz anfänglich gleicher Amplitude (d.h. der kombinierte Lichtstrahl ist planar polarisiert) nach dem Durchgang durch die Probenlösung unterschiedliche Amplituden besitzen. Als Folge davon ist der kombinierte austretende Lichtstrahl elliptisch polarisiert. Seine Elliptizität wird in Grad gemessen und durch Gleichung 2 definiert.
Θobs = tan-1 (b/a),   (2)
wobei b/a das Verhältnis der beiden Achsen (große und kleine) des elliptisch polarisierten Lichtstrahls ist.
Die molare Elliptizität (Θm oder [Θ]) wird mit der Einheit Grad·cm2·dmol-1 angegeben und durch Gleichung 3 definiert.
Θm (oder [Θ]) = (Θobs · 10)/c·L.  (3)
Sie steht mit Δε (s. Gleichung 1) laut Gleichung 4 in Beziehung:
Θm (oder [Θ]) = 3.300 ·Δε.    (4)
Die Bezeichnung "mittlere Resteelliptizität" wird oft im Zusammenhang mit Proteinen verwendet. Damit ist die Elliptizität gemeint, die sich bei der Division durch die Anzahl der Aminosäurereste des Proteins ergibt.
Die Hauptquelle der optischen Aktivität von Proteinmolekülen liegt in den Peptidbindungen. Deshalb werden die CD-Spektren bei Wellenlängen aufgenommen, die kürzer als 240 nm sind, dem vorherrschenden Absorptionsbereich der Peptidbindungen. Die Absorption der Peptidbindungen beruht auf drei Elektronenübergängen: 1) einem n → π*-Übergang bei ca. 210-220 nm, bei dem ein Elektron aus dem nichtbindenden Molekülorbital des Carbonylsauerstoffs in ein antibindendes π*-Molekülorbital angehoben wird, 2) einem π → π*-Übergang bei ca. 190 nm und 3) einem möglichen π → π*-Übergang bei ca. 160 nm. Letzterer spielt jedoch für die CD-Spektren keine Rolle, da Messungen in diesem Wellenlängenbereich schwierig sind. Da das Rückgrat der Proteinmoleküle aus Aminosäureresten besteht, die durch Peptidbindungen verbunden sind, spiegeln die CD-Spektren im Wellenlängenbereich >180 nm bis <240 nm die Sekundärstruktur (d.h. α-Helix, β-Strang oder Zufallsknäuel) der Proteine wider. Die für diese Konformationen charakteristischen CD-Spektralkurven wurden erstmals durch Verwendung von Polypeptiden mit bekannter Struktur bestimmt, wie z.B. poly-L-Lysin (Abb.). Außerdem wurden CD-Spektren von einer Reihe Proteine aufgenommen, von denen aufgrund von Röntgenstrukturanalysen bekannt war, welcher Sekundärstrukturtyp vorliegt, und welcher Prozentsatz des gesamten Moleküls sich aus diesem Typ zusammensetzt. Mit Hilfe dieser Spektren wurde ein Satz von Standard-CD-Kurven berechnet, der dazu verwendet werden kann, auf einem semiquantitativen Weg den Prozentanteil von α-Helix, β-Strang oder Zufallsknäuel in einem Protein aus dessen CD-Spektrum vorherzusagen [N. Greenfield u. G.D. Fasman Biochemistry 8 (1969) 4.108-4.116].
Im Fall von Nucleinsäuremolekülen liegt die Hauptquelle der optischen Aktivität in der asymmetrischen Positionierung der Purin- und Pyrimidinreste. Die CD-Spektren werden im Wellenlängenbereich von 220-230 nm aufgenommen, dem Bereich, in dem die Basen absorbieren, nicht jedoch das Zuckerphosphatrückgrat. Diese geben daher die Art der N-Basenstapelung wieder, die nicht nur von der Konformation des Strangs abhängt, sondern auch vom Nucleinsäuretyp (d.h. DNA oder RNA), der Anzahl der Stränge (d.h. einfach oder doppelt) und der Nucleotidsequenz. Trotz der letzten drei Beschränkungen, können die rechtsgängige A- und B-Form der DNA aufgrund ihrer CD-Spektren erkannt werden, die beide aus einem Peak (d.h. ΔA oder Θm > 0) und einem Minimumbereich (d.h. ΔA oder Θm < 0) bestehen. Für eine A-Form liegen λmax des Peaks bei 270-275nm, λmin des Minimumbereichs bei 245-248nm und der Nulldurchgang der Kurve bei 257-259nm. Bei einer B-Form ist der Bereich des Peaks (λmax ≈ 260 nm) viel größer als jener des Minimums (λmin ≈ 210 nm) und die Kurve geht bei ca. 240 nm durch Null. Darüber hinaus hat der Einsatz künstlicher Nucleotide gezeigt, dass CD-Kurven von Nucleinsäuren, in denen der Peak bei kürzeren Wellenlängen liegt als der Minimumbereich (d.h. die Umkehrung des oben beschriebenen), auf linksgängige Strukturen hinweisen. [W.C. Johnson, Jr. Annu. Rev. Biophys. Biophys. Chem. 17 (1988) 145-166; I. Tinoco, Jr. u. C. Bustamante Annu. Rev. Biophys. Bioeng. 9 (1980) 107-141]



Circulardichroismus. CD-Spektren von Polylysin: α = α-helicale, β = β-Strang- und r = Zufallsknäuelstruktur. [Geändert nach N.J. Greenfield et al. Biochemistry 6 (1967) 1.630-1.637 und 8 (1969) 4.108-4.116.]

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