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Lexikon der Mathematik: Cauchy-Croftonsche Formel

drückt die Bogenlänge \({\rm{\lambda }}({\mathscr{C}})\) einer regulären ebenen Kurve \({\mathscr{C}}\subset {{\mathbb{R}}}^{2}\) durch das Maß der Menge aller Geraden aus, die einen Schnittpunkt mit \({\mathscr{C}}\) gemeinsam haben, wobei jede Gerade mit der Anzahl ihrer Schnittpunkte mit \({\mathscr{C}}\) gezählt wird.

Es sei E(2,1)(ℝ) der Raum aller Geraden in ℝ2. Um einen sinnvollen Maßbegriff für Teilmengen von E(2,1)(ℝ) zu definieren, werden auf E(2,1)(ℝ) zunächst Koordinaten eingeführt. Die Punkte (x, y) einer Geraden \({\mathscr{G}}\in {E}^{(2,1)}({\mathbb{R}})\) sind durch einen auf \({\mathscr{G}}\) senkrechten Einheitsvektor e = (cos ϑ, sin ϑ) und den gerichteten Abstand

\begin{eqnarray}p=x\quad\cos \quad\vartheta +y\quad\sin \quad\vartheta \end{eqnarray}

vom Ursprung charakterisiert. Man kann die Zahlen p und ϑ als Koordinaten von \({\mathscr{G}}\) betrachten, wobei allerdings die Zuordnung zwischen Geraden \({\mathscr{G}}\) und Punkten (p, ϑ) ∈ ℝ2 nicht bijektiv ist, denn es beschreiben sowohl (p, ϑ + 2 π k) als auch (−p, ϑ±π) dieselbe Gerade (p, ϑ). Trotzdem kann man das Integral einer auf E(2,1)(ℝ) definierten Funktion f invariant als Doppelintegral

\begin{eqnarray}\displaystyle \iint f({\mathscr{G}})d\quad\vartheta \quad dp\end{eqnarray}

definieren. Wählt man für f die Funktion, die jeder Geraden \({\mathscr{G}}\) die Anzahl ihrer Schnittpunkte mit \({\mathscr{C}}\) zuordnet, so hat f in fast allen Geraden einen endlichen Wert und ist meßbar. Das über ganz E(2,1) (ℝ) erstreckte Integral von f hat den Wert \(2{\rm{\lambda }}({\mathscr{C}})\).

Anwendungen dieser Formel gibt es bei der praktischen Längenbestimmung von komplizierten empirischen Kurven. Das Molekül der die Erbinformationen von Lebewesen tragenden Desoxyribonukleinsäure (DNS) zeigt sich in elektronenmikroskopischen Aufnahmen als vielfach in sich verschlungene Linie. Man zeichnet auf ein Blatt Transparenzpapier n Scharen paralleler Geraden, die untereinander einen festen Abstand ϵ haben und deren Richtungen ganzzahlige Vielfache von π/n sind.

Legt man das Transparenzpapier über eine solche Aufnahme, so kann man die Schnittpunkte aller Geraden mit dem DNS-Molekül auszählen. Mit ϵπ/2 n multipliziert ergibt die so ermittelte Zahl einen Näherungswert für die Länge des DNS-Moleküls.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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