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Quantensimulation: Der frühe Kosmos im Labor

Weil sich der Raum kurz nach dem Urknall dramatisch ausgedehnt hat, konnte aus Fluktuationen im Vakuum reale Materie hervorgehen. Sie bestimmt heute die Struktur des Universums. Manche Aspekte jener Expansion lassen sich experimentell nachstellen, indem man ultrakalte Atomwolken geschickt manipuliert.
In einer magneto-optischen Falle leuchten inmitten grüner Laserstrahlen und Messaufbauten rötlich Atome, die in der Schwebe gehalten werden

Die Beobachtung von Galaxien zeigt, dass die Materie im Universum nicht gleichmäßig verteilt ist, sondern eine komplizierte Struktur hat. Der Großteil von ihr befindet sich in Filamenten, die wie Fäden durch einen sonst fast leeren Raum gespannt sind. Diese Materieverteilung geht auf winzige Dichteschwankungen im frühen Universum zurück. Sie sind durch ihre eigene Schwerkraft im Lauf von Jahrmilliarden zu einem kosmischen Netz herangewachsen.

Laut der am weitesten verbreiteten Theorie sind die ursprünglichen Dichteunterschiede in einem sehr frühen Stadium des Universums entstanden, während der »kosmologischen Inflation«. In dieser Epoche expandierte das Universum schlagartig. Die Ausdehnung verlief so rapide, dass aus kleinsten quantenmechanischen Energieschwankungen im Vakuum plötzlich reale Paare von Teilchen hervorgingen.

Die Materie wurde zwar auf zufällige Weise aus dem Nichts erzeugt, dennoch folgt ihre Verteilung statistischen Regeln, die mit den mathematischen Eigenschaften des frühen Universums verknüpft sind. Wenn wir diese Gesetzmäßigkeiten testen und besser verstehen könnten, ergäben sich vielleicht neue Einsichten in die Geschichte des Weltalls.

Deswegen haben wir an der Universität Heidelberg einen Simulator entwickelt, der es erlaubt, einen kleinen Ausschnitt aus dem Prozess der Inflation experimentell nachzustellen und zu untersuchen. Er besteht aus einer 50 Mikrometer großen und nur einen Mikrometer dicken Wolke von 20 000 Kaliumatomen. Sie werden schwebend im Vakuum gehalten, bis fast auf den absoluten Temperaturnullpunkt gekühlt und mit Hilfe von Laserlicht und Magnetfeldern manipuliert.

Auf den ersten Blick erscheint dieses Unterfangen seltsam: Wie soll eine winzige Wolke aus Atomen die Dynamik des jungen Universums simulieren? Für eine Antwort muss ich etwas ausholen und erläutern, wie expandierende Strukturen von Raum und Zeit funktionieren und wie deren Aufbau mit der Ausbreitung von Licht verknüpft ist. Außerdem benötigen wir ein paar grund­legende Informationen zu Vakuum und Teilchen in der Quantenfeldtheorie sowie zu den Eigenschaften von ultrakalten Quantengasen. Dann wird hoffentlich klar, wie wir Letztere gezielt einsetzen, um ein stark vereinfachtes Modell des Universums ins Labor zu holen …

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Sterne und Weltraum – Schwarze Löcher - Gibt es Singularitäten doch nicht?

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  • Quellen

Tolosa-Simeón, M. et al.: Curved and expanding spacetime geometries in Bose-Einstein condensates. Physical Review A 106, 2022

Unruh, W. G.: Experimental black-hole evaporation? Physical ­Review Letters 46, 1981

Viermann, C. et al.: Quantum field simulator for dynamics in curved spacetime. Nature 611, 2022

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