Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Chemische Unterhaltungen: Maskierte Wirkstoffmoleküle

Um Medikamente zur Therapie von Erkrankungen gezielt im Organismus zur Wirkung zu bringen, greift die pharmazeutische Industrie mitunter tief in die biochemische Trickkiste. Überraschend prominente Arzneimittel funktionieren nach dem spannenden Prodrug-Konzept.
Eine Tablette löst sich in Flüssigkeit auf.

Nicht jedes Medikament wirkt in unserem Körper in der Form, in der es in der Packung vorliegt. Oft überführen erst bestimmte Vorgänge im Organismus das Arzneimittel in einen aktiven Wirkstoff. Dann bezeichnet man es als »Prodrug«: als Vorläufer für das eigentliche Medikament.

Den Begriff prägte der australische Pharmazeut Adrien Albert (1907–1989): »Manchmal ist die verabreichte Substanz nur ein ›Pro-drug‹, das abgebaut werden muss, um das wahre Medikament zu ergeben«, schrieb er bereits im Jahr 1958. Stellte dieser Fall damals noch eher eine seltene Ausnahme dar, sind heutzutage schätzungsweise zehn Prozent aller Arzneimittel Prodrugs.

Wozu der Umstand? Manchmal besitzt der optimale Wirkstoff Eigenschaften, die ihn daran hindern, gewisse Schranken im Körper zu überwinden. Dann ist es vorteilhaft, seine Struktur vorübergehend zu ändern, bis er an seinem Ziel angekommen ist: So werden Stoffe etwa wasserlöslicher gemacht, wenn dies zur Injektion des Arzneimittels benötigt wird oder sich das Medikament im Magen-Darm-Trakt zu langsam auflöst (physikochemische Eigenschaften). Dank anderer Modifikationen kann eine Substanz wiederum die Blut-Hirn-Schranke besser überwinden. Nebenwirkungen wie lokale Reizung oder Giftigkeit (biopharmazeutische Eigenschaften) lassen sich durch die Modifikation des Moleküls ebenfalls vermeiden. Auch Resorption, Bioverfügbarkeit, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung des Arzneimittels (pharmakokinetische Eigenschaften) variiert man auf diese Weise gezielt, ohne beim Wirkstoff Abstriche machen zu müssen …

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wie Psychopharmaka das Gehirn verändern

Wie wirken Antidepressiva, Neuroleptika und Psychostimulanzien auf das Gehirn? Psychopharmaka bringen schnelle Linderung bei psychischen Störungen, doch die langfristigen Folgen auf unser Denkorgan sind noch nicht ausreichend erforscht. Außerdem: Süßwasser unter dem Meer. Ein Weg aus der Wassernot?

Spektrum der Wissenschaft – Menschen im All

Seit Beginn der Raumfahrt scheint der Traum vom Menschen im All näher gerückt zu sein. Aber können wir außerhalb der Erde dauerhaft leben und forschen? Der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht erklärt, warum wir immer noch nicht wissen, wie viele Arten es auf der Erde gibt. Zwei Mathematiker widmen sich der Frage, ob eine KI Bewusstsein entwickeln könnte. Jedes Jahr sterben zehntausende Menschen an Bissen von Giftschlangen. Wie kann man die Zahl der Todesfälle reduzieren?

Spektrum Gesundheit – Übergewicht – Was können die neuen Abnehmspritzen?

Wie Abnehmspritzen den Appetit zügeln, für wen sie sich eignen und welche noch wirksameren Mittel auf den Markt kommen könnten, lesen Sie ab sofort in »Spektrum Gesundheit«. Plus: Ob Nickerchen unser Herz und Hirn schützen, wie man Kindern mit ADHS hilft und warum Tuberkulose so gefährlich ist.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Albert, A.: Chemical aspects of selective toxicity. Nature 182, 1958

Ducci, M.: Azoverbindungen im pharmazeutischen Kontext. CHEMKON 29, 2022
Unterrichtskonzept, Experimente und Modelle für die Prodrug-Thematik im Chemieunterricht

Fabian, J. et al.: Arzneistoffe mit maßgeschneiderten Eigenschaften. Pharmazeutische Zeitung 26, 2011

Felmeier, H.: Lebenswichtiges Getümmel im Darm. Pharmazeutische Zeitung 47, 2012

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.