Editorial: Wolken aus Eisentröpfchen
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir sind es mittlerweile gewohnt, in den TV-Abendnachrichten Wetterkarten präsentiert zu bekommen, die uns die Wolkenstrukturen auf der Erde zeigen. Die Bilder stammen von Satelliten, die unseren Planeten auf geostationären Bahnen in rund 36 000 Kilometer Höhe über der Oberfläche umkreisen. Nur noch selten machen wir uns bewusst, welch technische Meisterleistung und welche Sensation die ersten Aufnahmen dieser Art vor einem halben Jahrhundert darstellten.
Nun stellen Sie sich bitte einmal vor, es gelänge, eine Wetterkarte von einem Planeten zu erhalten, der nicht 36 000, sondern 60 000 000 000 000 Kilometer von der Kamera entfernt ist. Geht nicht, meinen Sie? Geht doch! Der Himmelskörper, von dem ich spreche, ist zwar etwas größer als ein Planet, aber deutlich kleiner als ein Stern wie unsere Sonne. Er ist ein so genannter Brauner Zwerg. Erst im vergangenen Jahr wurde er entdeckt, obwohl er mit einer Entfernung von nur 6,5 Lichtjahren zu den sonnennächsten Objekten zählt. Mit einem trickreichen Verfahren gelang es nun, Details auf seiner Oberfläche zu registrieren. Die Karte zeigt helle und dunkle Strukturen, die auf eine Wolkendecke auf dem fernen Himmelskörper zurückzuführen sind. Die Tröpfchen dieser Wolken bestehen übrigens nicht aus Wasser wie auf der Erde, sondern aus flüssigem Eisen. Denn in der Atmosphäre jener Höllenwelt ist es mit mehr als 1000 Grad Celsius ungemütlich heiß.
Die Geschichte dieser bemerkenswerten Entdeckung erzählt unser Autor Markus Pössel ab Seite 30 im vorliegenden Heft. Und er zeigt uns anhand dieses vortrefflichen Beispiels, wie astronomische Forschung funktioniert. Mehrere Zutaten sind für ein erfolgreiches Rezept unerlässlich: Motivation und Inspiration gut ausgebildeter Wissenschaftler, modernste Forschungsgeräte, internationaler Austausch und natürlich auch das gewisse Quäntchen Glück.
Herzlichst grüßt Ihr
Uwe Reichert
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