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Gen-Welten - fünf Ausstellungen zu einem Reizthema



Die moderne Genetik verspricht vielfältige Anwendungen für die Produktion von Nahrungsmitteln und Medikamenten, und sie gewinnt zunehmend Bedeutung in der Diagnostik. Damit erstrecken sich ihre Auswirkungen weit über die Grenzen der Wissenschaft hinaus; sie erreichen jeden einzelnen in unserer Gesellschaft. Deshalb kann die Verantwortung für das Durchsetzen gentechnischer Verfahren nicht allein den Wissenschaftlern, den Politikern und der Industrie überlassen bleiben – die breite Öffentlichkeit muß sich an der Entscheidungsfindung angemessen beteiligen, denn sie hat letztlich die erforderliche Akzeptanz aufzubringen, ohne die eine erfolgreiche Anwendung dieser Technologie kaum möglich scheint.

Eine Mehrheit der Bevölkerung steht dem Einsatz in der Medizin durchaus positiv gegenüber, lehnt aber eine Manipulation von Lebensmitteln ab. Die Diskussion über das Für und Wider der Gentechnik ist dabei nicht immer frei von subjektiven Meinungen und Vorurteilen, die zum Teil auf Mißverständnisse und fehlende Informationen zurückzuführen sind. Mitunter erzeugt allein schon die Erkenntnis, daß der Mensch noch nie in einem solchen Ausmaß in das Erbgut von Organismen einzugreifen vermochte, Schreckensvisionen im Stile eines Frankenstein oder eines Faustschen Homunkulus (vergleiche "Forum: Biopatente", Spektrum der Wissenschaft, April 1998, Seite 28). Sachliche Kritik, die beispielsweise nach einem Vergleich mit natürlich vorkommenden Mutationen oder nach möglichen allergieauslösenden Wirkungen gentechnisch veränderter Substanzen fragt, ist demgegenüber eher selten.

Fünf Ausstellungshäuser in Deutschland und der Schweiz mit den Schwerpunkten Kultur, Gesundheit, Technik, Umwelt und Ernährung haben sich nun dieses Reizthemas angenommen und suchen es anschaulich, informativ und aufklärend darzustellen: die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden, das Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, das Museum Mensch und Natur in München sowie das Alimentarium in Vevey (Schweiz). Vor vier Jahren schlossen sich diese Institutionen zu einem Projektverbund zusammen und vereinbarten, die komplexe Thematik gemeinsam und zeitgleich aufzugreifen; jedes Museum sollte dabei aber seiner jeweiligen Kompetenz gemäß ein Teilgebiet aus dem breitgefächerten Themenspektrum auswählen und – in Absprache mit den Partnern – eine eigenständige Ausstellung erarbeiten. Experten aus den Bereichen Biochemie, Humangenetik, Philosophie und Ethik wurden als Berater hinzugezogen, um Aspekte der Forschung, der Anwendung und der Verantwortung etwa gleichwertig zu berücksichtigen.

Das Ausstellungsprojekt "Gen-Welten" ist so konzipiert, daß eine Bestandsaufnahme der genetischen Forschung und der gentechnischen Entwicklung erstellt wird. Den Besuchern soll ein Einblick in die Welt der Laboratorien und Produktionsstätten vermittelt und ihr Bewußtsein dafür geschärft werden, wie Genetik und Gentechnik künftig den Alltag eines jeden Einzelnen prägen. Auf Bewertungen des Dargestellten wurde weitgehend verzichtet; die Exponate sollen grundlegende Informationen weiterreichen und Denkanstöße geben, damit der Besucher sich selbst weiter mit den vielfältigen Facetten des Themas auseinandersetzen und sich ein eigenes Urteil bilden kann.

Dem eigenen Schwerpunkt entsprechend präsentiert die Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn unter anderem zahlreiche Kunstwerke, die sich auf ihre spezielle Art mit den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und ethischen Aspekten der Gentechnik auseinandersetzen (Bilder 1 und 2 rechts). "Prometheus im Labor?" ist hier der Untertitel der Präsentation. Damit wird provozierend gefragt, ob der Mensch sich heute nicht selbst zum Schöpfer neuen Lebens erheben kann. Ausgangsmaterial wäre freilich nicht Lehm, aus dem der griechischen Mythologie zufolge Prometheus den Menschen formte, sondern eine Substanz namens Desoxyribonukleinsäure – kurz DNA –, die sich im Innern der Zellen aller Organismen befindet, Bau und Funktion bestimmt und die Erbinformation an die Nachkommen weitergibt (Bild 2 links).

Dieser molekulare Träger des Erbguts ist gewissermaßen das Leitmotiv der Bonner Ausstellung. Der inhaltliche Bogen spannt sich dabei von der Entstehung und Evolution des Lebens über die molekularbiologischen Grundlagen und labortechnischen Verfahren der Genetik bis zu deren Einsatz für die Diagnose von Krankheiten und die Züchtung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen und -tiere.

Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden zeigt mit "Werkstatt Mensch?" die wichtigsten Etappen in der Geschichte der Genetik und erläutert die Vererbung und die Wirkung von Genen; ferner werden das Potential der Gentechnik für das Bekämpfen von Krankheiten sowie Verfahren und Geräte vorgestellt. Besonderen Raum nimmt das Human-Genomprojekt ein, das sich die Entschlüsselung des gesamten menschlichen Erbguts zum Ziel gesetzt hat. Vorgehensweise, Motive und Schwierigkeiten der modernen Humangenetik werden beispielhaft erläutert und zu den negativ besetzten Begriffen Rassenhygiene und Eugenik abgegrenzt.

In Mannheim widmet sich das Landesmuseum für Technik und Arbeit der Frage "Leben aus dem Labor?" Leitidee ist hier der von der Antike bis in die Gegenwart reichende Versuch, in die Baupläne von Mensch und Natur einzugreifen; damit wird die Diskussion um die Gentechnik in einen kultur- und wissenschaftshistorischen Kontext gestellt. Die Ausstellung demonstriert des weiteren das Verfahren der Polymerase-Kettenreaktion, das unter anderem bei forensischen Gutachten – ob bei Kriminalfällen oder bei Vaterschaftsnachweisen – eingesetzt wird, um anhand geringster DNA-Mengen Personen zu identifizieren.

Das Museum Mensch und Natur in München führt mit "Vom Griff nach dem ABC des Lebens" ebenfalls in die Geschichte der Genforschung ein. Klassisch zu nennende Versuchsorganismen der Genetik wie das Bakterium Escherichia coli und die Taufliege Drosophila melanogaster werden vorgestellt. Originalgeräte und andere Exponate zeigen die Methoden und Möglichkeiten der Gentechnik auf.

Das Alimentarium in Vevey, ein allen Aspekten der Ernährung gewidmetes Museum, veranschaulicht die jahrtausendelangen Bemühungen des Menschen, Pflanzen und Tiere durch Züchten zu kultivieren beziehungsweise zu domestizieren, um so die Nahrungsgrundlagen zu verbessern. Der Besucher erfährt, wie auf diese Weise allmählich ertragreichere und widerstandsfähigere Pflanzen und ein wertvollerer Tierbestand erzeugt wurden.

Die Ausstellungen, zeitgleich Ende März eröffnet, sind bis zum 10. Januar 1999 zu sehen (München: bis 11. April 1999). Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn mit der Schau "Gen-Welten. Prometheus im Labor?" ist dienstags und mittwochs von 10 bis 21 Uhr, donnerstags bis sonntags 10 bis 19 Uhr geöffnet. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden zeigt die Präsentation "Gen-Welten. Werkstatt Mensch?" dienstags, donnerstags und freitags von 9 bis 17 Uhr, mittwochs von 9 bis 20.30 Uhr sowie samstags, sonn- und feiertags von 10 bis 17 Uhr. Im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim ist die Ausstellung "Gen-Welten. Leben aus dem Labor?" dienstags, donnerstags und freitags von 9 bis 17 Uhr, mittwochs von 9 bis 20 Uhr, samstags von 10 bis 17 Uhr und sonntags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Das Museum Mensch und Natur in München mit der Präsentation "Gen-Welten. Vom Griff nach dem ABC des Lebens" ist dienstags bis sonntags von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Die Ausstellung "Gen-Welten. L'alimentation au fil du gène" im Alimentarium in Vevey (Schweiz) ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen (während der Winterzeit von 12 bis 14 Uhr geschlossen).

Das gemeinsam herausgegebene Begleitbuch "Gen-Welten" umfaßt 200 Seiten und ist über die Ausstellungshäuser und den Buchhandel zu beziehen; Kataloge oder Kurzführer zu den einzelnen Ausstellungen sind ebenfalls erhältlich.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1998, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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