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Biochemie: Moleküle im Spiegel

Fast alle Aminosäuren existieren in zwei zueinander spiegelbildlichen Versionen, D- und L-Form genannt. Höhere Lebewesen nutzen gewöhnlich nur die L-Variante. Das ist an sich schon erstaunlich genug, doch die wachsende Zahl der Ausnahmen gibt noch mehr Rätsel auf.
Hand im Spiegel, Enantiomere

Wer einem männlichen Schnabeltier in der Paarungszeit zu nahe kommt, erlebt unter Umständen eine unliebsame Überraschung: Das Tier packt ihn mit seinen kurzen, kräftigen Hinterbeinen und lässt ihn die daran sitzenden spitzen Giftsporne spüren. Das schmerzhafte Sekret lähmt männliche Konkurrenten und hilft, lästige Menschen und Hunde fernzuhalten. Zudem ist es chemisch eine Kuriosität – was wenig verwundert bei einem Säugetier mit Entenschnabel, das Eier legt. Das Gift enthält nämlich eine Klasse von Molekülen, die nach herkömmlichem Verständnis in der Natur gar nicht vorkommen dürften.

Dabei handelt es sich um spiegelbildliche Versionen jener 20 Aminosäuren, aus denen die Proteine zusammengesetzt sind, die für das reibungslose Funktionieren des tierischen wie pflanzlichen Organismus sorgen. Spiegelbildlich heißt: Die Moleküle bestehen aus den gleichen Atomen in exakt derselben Abfolge; nur haben zwei der am so genannten Alpha-Kohlenstoffatom sitzenden Gruppen die Seiten getauscht. Dadurch verhalten sich die betreffenden Aminosäuren zu ihren klassischen Gegenstücken wie die rechte zur linken Hand. Chemiker sprechen deshalb auch von Händigkeit oder Chiralität (nach griechisch: cheir = Hand) und bezeichnen die zwei Formen nach den lateinischen Worten für links (laevus) und rechts (dexter) als L- und D-Aminosäuren. Physikalisch sind beide ununterscheidbar. Bei biologischen Reaktionen verhalten sie sich jedoch völlig anders.

Insbesondere passen rechtshändige Aminosäuren wegen ihrer gespiegelten räumlichen Struktur nicht in die molekulare Maschinerie höherer Lebewesen – so wie ein rechter Handschuh nicht auf die linke Hand passt. Darum kann die Zelle sie nicht gebrauchen und stellt sie nicht her. Das war jedenfalls bis vor Kurzem die Lehrmeinung. In den letzten Jahren sind jedoch an allen möglichen unerwarteten Stellen rechtshändige Aminosäuren aufgetaucht, die sehr wohl biologische Aktivität zeigen – angefangen von Substanzen, die Hummer bei der Begattung einsetzen, bis hin zu halluzinogenen Drogen, mit denen sich indianische Ureinwohner Perus zu rituellen Zwecken in einen Rausch versetzen. ...

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  • Quellen

Brückner, H., Noriko Fujii, N. (Hg.): D-Amino Acids in Chemistry, Life Sciences, and Biotechnology. Wiley-VCH, Weinheim 2011

Cava, F. et al.: Emerging Knowledge of Regulatory Roles of D-Amino Acids in Bacteria. In: Cellular and Molecular Life Sciences 68, S. 817 - 831, 2011

Gardner, M.: The New Ambidextrous Universe: Symmetry and Asymmetry from Mirror Reflections to Superstrings. 3. überarbeitete Ausgabe. Dover, Mineola (New York) 2005

Kantrowitz, J. et al.: High Dose D-Serine in the Treatment of Schizophrenia. In: Schizophrenia Research 121, S. 125 - 130, 2010

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