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Unsterblichkeitsenzym?


Tumorzellen und Einzeller haben eines gemein – sie sind unbegrenzt teilungsfähig, unsterblich gewissermaßen. Gewöhnliche Zellen des menschlichen Organismus hören im allgemeinen früher oder später auf, sich zu teilen; sie altern und gehen zugrunde. Ihnen fehlt nämlich die Fähigkeit, die schützenden Endstücke ihrer Chromosomen – die Telomere – zu stabilisieren: Mit jeder Verdopplungsrunde der Erbsubstanz werden die neuen DNA-Stränge etwas kürzer, weil die Vervielfältigungsmaschinerie, um überhaupt starten zu können, so etwas wie ein Stück Dummy-Text als Anfang braucht, der am Schluß verworfen wird. Einer Hypothese zur Zellalterung liegt denn auch die Annahme zugrunde, daß Zellen ihre Teilungsfähigkeit einbüßen, wenn die Telomere eine kritische Länge unterschreiten (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1991, Seite 52).

Einzeller verfügen über ein als Telomerase bezeichnetes Enzym, das die schützenden Enden wieder auf die alte Länge bringt. Menschliche Zellen enthalten zwar ebenfalls das Gen dafür, aber es scheint nach der Geburt bei den meisten abgeschaltet zu werden. Die Idee, entartete Zellen könnten deshalb unsterblich werden, weil sich ihr Telomerase-Gen unprogrammgemäß eingeschaltet hat, liegt somit nahe.

Vor zwei Jahren fanden Wissenschaftler dafür ein Indiz. In Kultur gehaltene menschliche Zellen, die durch Tumorviren in entartete verwandelt wurden, begannen das charakteristisch abnorme Wachstumsverhalten zu zeigen; unsterblich – immortalisiert – wurden aber nur die wenigen, die das Telomerase-Gen angeschaltet hatten.

Einer der beteiligten Forscher, Calvin B. Harley vom Unternehmen Geron in Menlo Park (Kalifornien), und Silvia Bacchetti von der McMaster-Universität in Hamilton (Ontario) haben nun bei zumindest einer Krebsform, dem Eierstockkarzinom, etwas Ähnliches belegt: Entartete Zellen der Patientinnen produzierten das Enzym, normale hingegen nicht. Die Telomere der Krebszellen waren zwar kürzer als die der anderen, blieben aber stabil ("Proceedings of the National Academy of Sciences", Band 91, Heft 8, 1994, Seiten 2900 bis 2904).

Dies paßt gut zu der Vorstellung, daß die Mutation, die das Telomerase-Gen aktiviert, erst etwas später auftritt als jene, welche die Zellen auf den Weg in die Entartung schicken. Untersuchungen an weiteren Krebsformen laufen.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1994, Seite 36
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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