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Geomorphologie: Warum das Meer bei Helgoland voller Krater ist

In der Nähe von Helgoland finden sich hunderttausende Krater auf dem Meeresboden. Entstanden sind sie wohl im Herbst 2015. Was war die Ursache?
Helgoland mit Langer Anna in rauer See

Am 18. April 1947 fand Helgolands große Sprengung statt: die Zerstörung von Bunkeranlagen durch die britische Armee, mit der die militärische Nutzung der Insel für alle Zeiten unmöglich gemacht werden sollte. Auch wenn die bis dahin größte nichtatomare Explosion durch Menschenhand glücklicherweise nicht (wie von den umgesiedelten Bewohnern befürchtet) das Eiland pulverisierte, so blieben dennoch viele Krater übrig, die noch heute teilweise erhalten sind. Knapp 70 Jahre später entstanden im Umfeld der Insel erneut zahllose Krater – doch spielten dieses Mal Naturgewalten eine wichtige Rolle. Knut Krämer von der Universität Bremen und seine Kollegen stießen bei einer Untersuchung des Meeresbodens im Gebiet "Helgoland-Riff" 45 Kilometer nordwestlich der Insel auf ausgedehnte Pockmarkfelder, wo sie eigentlich lediglich flachen Sandboden erwartet hatten. Rund 300 000 Krater verteilen sich hier auf eine Fläche von 915 Quadratkilometern, wie sie in "Science Advances" schreiben. Manche davon sind so groß wie Tennisplätze.

Bis Juli 2015 zeigten Kartierungen hier nur einen flachen Untergrund. Das änderte sich aber bis zum folgenden November. "Wir waren überrascht, als wir plötzlich eine Kraterlandschaft gesehen haben, wo sonst nur ebene Sandfläche war", so Krämer. Jeder Krater besteht aus einer leichten Vertiefung, neben der ein Hügel aus ausgeworfenem Sediment aufragt. Pro Quadratkilometer Meeresgrund zählten die Wissenschaftler bis zu 1200 solcher Oberflächenformen. Durch das Ereignis wurden rund sieben Millionen Kubikmeter Material bewegt, was in dieser Größenordnung für die Deutsche Bucht in dieser kurzen Zeit ein bislang ungekanntes Phänomen ist.

Schwere Herbststürme als Auslöser?

Wahrscheinlich verursachten zahlreiche Methangasausbrüche aus dem Untergrund die Krater. Entsprechende Nachmessungen zeigten später noch deutlich erhöhte Methangaskonzentrationen in der Nordsee rund um das Helgoländer Riff an. Zudem belege die typische Form der Krater und Hügelchen den dynamischen Austritt von Gasblasen, wie sie an anderen Stellen der Nordsee schon beobachtet wurden. "Die Menge des frei gewordenen Methans können wir nur schwer abschätzen. Wie sich das Gas vor dem Austreten im Untergrund verteilt hat, wissen wir nicht genau. Selbst vorsichtig gerechnet kommen wir aber auf eine Menge von rund 5000 Tonnen. Das entspricht etwa zwei Dritteln des bisher angenommenen jährlichen Ausstoßes der gesamten Nordsee", sagt Krämer.

Das Methan entstand aus der Zersetzung von Pflanzenmaterial, das zumindest zum Teil von Flüssen wie der Elbe in die Nordsee geschwemmt worden war. Anschließend bedeckten Sedimente die Überreste, so dass Bakterien sie nur unter Sauerstoffmangel abbauen konnten. Die darüberliegenden Sande und Tone hielten das Methan dann gefangen, bis überdurchschnittlich hohe Temperaturen 2014 und 2015 den Aufstieg des Gases im Untergrund einleiteten. Den finalen Auslöser für den Ausbruch bildeten schließlich schwere Stürme, die im Herbst 2015 durch die Region zogen. Sie erzeugten Wellen mit einer Höhe von bis zu sieben Metern, die wiederum am Meeresboden starke Druckschwankungen verursachten. Wie eine Pumpe aktivierten sie die Gasblasen, die schließlich explosiv durch den Sedimentdeckel schossen.

Obwohl Methan ein starkes Treibhausgas ist, beschwichtigen die Forscher, was die Folgen dieses Ausbruchs angeht: Die freigesetzte Gasmenge entspreche nur 0,5 Prozent des gesamten Jahresausstoßes der Bundesrepublik. Allerdings dürfte weltweit der Meeresboden in Küstennähe mit Methangasblasen versetzt sein. Steigende Wassertemperaturen und häufigere Extremereignisse könnten sie mobilisieren und öffnen, so dass negative Folgen für das Klima durchaus möglich sind.

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