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Neurologie: Fehlerhaft synchronisiert

Bewegungen werden durch ein fein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel der Nervenaktivität gesteuert. Bei der Schüttellähmung bricht diese Abstimmung offenbar zusammen, und alle Nerven feuern auf einmal wild drauf los.
Mäuseschwanz
Die Parkinson-Krankheit macht die einfachsten Bewegungen zu einem verzweifelten Kampf: Die Hände zittern unkontrolliert, es fällt schwer, überhaupt in Gang zu kommen oder das Gleichgewicht zu halten, und manchmal werden die Muskeln schlagartig steif, sodass der Patient mitten in der Bewegung erstarrt. Selbst die Kommunikation ist beeinträchtigt, da sich die Worte nur noch schleppend aus dem Mund herausquälen.

Die Ursache der ins Stocken geratenen Bewegungen liegt im Gehirn: In den Basalganglien des Mittelhirns – insbesondere in der Substantia nigra – sterben Nervenzellen ab, die Dopamin produzieren. Fehlt der Botenstoff, gerät die Bewegungssteuerung aus dem Lot. Denn Dopamin reguliert die Aktivität des im Mittelhirn liegenden Striatums, das seinerseits die Information an den motorischen Kortex im Großhirn weiterleitet, der schließlich die Bewegung steuert.

Die starken Bewegungsstörungen der Parkinson-Patienten resultieren vermutlich aus einer verminderten Funktion der Nervenzellen im motorischen Kortex – so zumindest die gängige Lehrmeinung. Doch offenbar ist die Aktivität der Nervenzellen in der Summe überhaupt nicht verringert, sondern einfach nur vollkommen aus dem Tritt geraten, wie Rui Costa von den National Institutes of Health und der Duke-Universität zusammen mit seinem Team nun herausfand.

Die Wissenschaftler arbeiteten mit gentechnisch veränderten Mäusen, denen sie durch die Gabe zweier Substanzen die Dopaminmenge im Gehirn regulieren konnten: Gaben die Forscher den Mutanten eine Substanz mit dem Kürzel AMPT, welche die Synthese von Dopamin unterbindet, verfielen die Mäuse innerhalb weniger Minuten in Starre, aus der sie erst die Gabe von Dopamin wieder befreien konnte.

Costa und seine Kollegen nahmen nun die Arbeit einzelner Neurone im Striatum und im motorischen Kortex ins Visier. Mit feinsten Elektroden zapften sie die Nervenzellen an und leiteten deren Erregung ab, während sie ihren Testtieren abwechselnd AMPT und Dopamin injizierten.

Erstarrte Maus. | Dieses Versuchstier ist durch die Injektion von AMPT zur Bewegunslosigkeit erstarrt. Die Maus ist so bewegungsunfähig, dass sie sich nicht von der Blume befreien kann, die ihr die Wissenschaftler um den Schwanz gewunden haben.
Sank nun der Dopaminspiegel im Hirn der Nager durch die Gabe von AMPT drastisch ab, verfielen die Tiere – wie erwartet – in Starre. Die nervöse Steuerung im Gehirn geriet dabei vollkommen aus der Bahn: Rund siebzig Prozent der Nerven sowohl im Striatum als auch im motorischen Kortex veränderten ihre Aktivität.

Im Striatum stellte der Großteil der Nerven die Arbeit einfach ein, und nur ein geringer Teil feuerte verstärkt. Im motorischen Kortex hingegen wurde etwa die Hälfte der Neurone aktiver, während die andere Hälfte nichts mehr tat. In der Summe blieb damit in diesem Hirnbereich die Nervenaktivität in etwa gleich.

Bekamen die Mäuse dann Dopamin gespritzt, kehrte in beiden Hirnbereichen die Aktivität praktisch aller Nervenzellen wieder auf ihr jeweiliges Ausgangsniveau zurück, und die Tiere konnten sich auch wieder normal bewegen. Auffällig war, dass sämtliche Neurone unter Dopaminmangel synchron feuerten, bei ausreichend Dopamin hingegen arbeiteten sie asynchron.

Costa und seine Kollegen vermuten auf Grund ihrer Beobachtungen, dass nicht wie bisher angenommen eine generell verringerte Aktivität der Nervenzellen im motorischen Kortex die Bewegungsstörungen bei der Parkinson-Krankheit verursacht, sondern dass vielmehr eine fehlerhafte Synchronisierung der normalerweise asynchron arbeitenden Nerven dafür verantwortlich ist. Therapeutische Maßnahmen, die diese Synchronisierung verhindern und die normale Zusammenarbeit der Neurone bewahren, könnten Parkinson-Patienten möglicherweise zu fließenden Bewegungen verhelfen.

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