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Feuersäule vor Aserbaidschan: Warum es wohl ein Schlammvulkan war

Die Ölindustrie war es vermutlich nicht. Mehrere Indizien sprechen für einen Schlammvulkan als Ursprung der Explosion. Denn auch Schlammvulkane können mit großer Gewalt ausbrechen.
Feuersäule über dem Kaspischen Meer am 4. Juli 2021

Eine gigantische Explosion erzeugte am Sonntag eine noch dutzende Kilometer weit entfernt deutlich sichtbare Feuersäure über dem Kaspischen Meer. Das Gebiet vor der Küste von Aserbaidschan ist ein großes Öl- und Gasfeld mit vielen Förderplattformen, so dass ein Unfall als Ursache möglich schien – zumal kurz zuvor im Golf von Mexiko der Fördergesellschaft Pemex ein spektakuläres Missgeschick mit einer Pipeline unterlaufen war. Tatsächlich scheint der gewaltige Feuerball vor der Stadt Baku allerdings eine natürliche Ursache zu haben. Einer der Schlammvulkane in der Region sei ausgebrochen, erklärten die Behörden.

Was nach einer Schutzbehauptung klingt, ist tatsächlich die wahrscheinlichste Erklärung. In der Region liegen hunderte Schlammvulkane, darunter einige der größten und energiereichsten der Welt. Zumal der Schlammvulkan-Spezialist Mark Tingay nach der Explosion auf Twitter mutmaßte, dass der Ort der Explosion wohl nahe dem Schlammvulkan Makarov liegt, der bereits 1958 einen weithin sichtbaren Feuerball erzeugte. Spätere Satellitenbilder deuteten auf die Insel Ignatij, ebenfalls ein großer Schlammvulkan und einer von mehreren dort, die Explosionen und Feuerbälle verursachen.

Ursache des Phänomens ist, dass Schlammvulkane entstehen, wenn gas- und wasserreiche Sedimentschichten in der Tiefe unter Druck stehen und durch Spalten aufsteigen. Schlammvulkane sind zwar oft weniger spektakulär als »echte« magmatische Vulkane, aber auch sie können große Energien freisetzen und gewaltige Mengen Schlamm ausstoßen. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Sidoarjo-Schlammvulkan in Indonesien, genannt Lusi, der 2006 ausbrach und seither aktiv ist. Je nachdem, wie flüssig der enthaltene Schlamm ist, können sie eher pfannkuchenartige Formen bilden oder steile, hunderte Meter hohe Kegel.

Auch ein Schlammvulkan kann explodieren

Bei manchen Schlammvulkanen, besonders in der Nähe von Öl- und Gasfeldern wie in Aserbaidschan, enthält das Gas auch brennbares Methan, das entsteht, wenn biologisches Material abgebaut wird. Mit den unterschiedlichen Zusammensetzungen von Wasser, Gas und Sediment ändert sich auch das Ausbruchsverhalten. Das ist ganz ähnlich wie bei Vulkanen, die Gestein speien und ruhig ausfließen oder gewaltsam explodieren können. Ist das Material eines Schlammvulkans wasserreich, fließt es ruhig und gleichmäßig aus und gibt das Gas nach und nach in die Atmosphäre ab.

Schlammvulkane wie Makarov oder Ignatij scheinen leicht zu verstopfen und unregelmäßig auszubrechen. Das tun sie dann mit enormer Gewalt, die durchaus mit klassischen Vulkanen vergleichbar ist. Der Ausbruch des Makarov im Jahr 1958 setzte vermutlich hunderte Millionen Kubikmeter brennbares Gas frei und erzeugte eine Energie von etwa 70 Milliarden Megajoule, kalkulierten Fachleute 1972 in »Nature«. Das ist immerhin ein Zehntel der 1883 bei der Explosion des Krakatau freigesetzten Energie. Andere große Schlammvulkane spucken bei einzelnen Ausbrüchen bis zu einige Kubikkilometer Material.

Wie sich das Gas bei so einem Ausbruch entzündet, ist im Detail noch nicht geklärt. Die Ausbrüche sind jedoch so energiereich, dass mehrere Mechanismen in Frage kommen. Gesteinstrümmer könnten aneinanderschlagen und Funken erzeugen oder schlicht durch Reibung heiß genug werden, um Feuer zu erzeugen. Sogar der rapide Druckverlust beim Ausbruch könne unter Umständen ausreichen, das Gas zu entzünden, schreibt Tingay. Dass das Gas aus den Schlammvulkanen von Aserbaidschan brennt, ist jedenfalls der Normalfall; einige der Quellen brennen seit mehreren tausend Jahren.

Deswegen spricht vieles dafür, dass die enorme Explosion vor Aserbaidschan ein natürliches Phänomen war, auch wenn sich ein Unfall, zum Beispiel auf einer alten Förderplattform, nicht komplett ausschließen lässt. Allerdings deuten inzwischen Satellitendaten darauf hin, dass der Ort der Explosion tatsächlich die Insel Ignatij war. Zusätzlich berichteten Fachleute 1972 von einer weiteren Auffälligkeit großer Schlammvulkan-Explosionen: Demnach scheinen sie besonders oft um den Zeitraum herum aufzutreten, wenn Erde, Mond und Sonne in einer Linie stehen – und die letzte dieser so genannten Syzygien war am 24. Juni 2021.

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