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News: Haushaltsfragen

Es ist nicht nur die wachsende Weltbevölkerung, die Tiere, Pflanzen und ihre natürlichen Lebensräume bedroht. Viel stärker wirkt sich ein Faktor aus, der oft vernachlässigt wird: die zunehmende Zahl an einzelnen Haushalten.
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Es wird eng auf unserem Planeten. Die Weltbevölkerung wächst und wächst, sie braucht Wasser, Nahrung und Wohnraum. Um den Bedarf zu decken, werden immer mehr naturnahe Gebiete erschlossen, Wälder gerodet, landwirtschaftliche Nutzflächen an der Ertragsgrenze eingerichtet. Und auch in den bereits besiedelten Regionen geht die Versiegelung von Flächen in einem Rekordtempo vonstatten, ländliche Räume werden zunehmend zersiedelt, und die Städte wuchern wie Geschwüre. Die Folgen für die Natur sind verheerend: Zusammengedrängt auf immer kleinerem Raum und abgeschnitten von ihren Verwandten im nächsten Fragment müssen viele Tier- und Pflanzenarten ums Überleben kämpfen.

Und doch ist es nicht allein die steigende Zahl an Menschen auf der Erde, welche die Natur bedrängt. Denn auch in Regionen, in denen die Bevölkerungszahl sinkt, stehen Tiere und Pflanzen immer größeren Einschränkungen gegenüber. Denn ein weiterer Faktor sorgt dafür, dass der Mensch sich immer weiter ausdehnt, selbst wenn er zahlenmäßig zurückgeht: die wachsende Menge an einzelnen Haushalten.

Jianguo Liu von der Michigan State University und seine Kollegen werteten demographische Daten von 141 Staaten aus, wobei 76 davon als Gebiete mit besonders artenreichen und gleichzeitig bedrohten Naturräumen gelten, so genannten Hotspots. Gerade in diesen Ländern wuchs die Zahl der Haushalte im Zeitraum von 1985 bis 2000 mit 3,1 Prozent deutlich stärker als die Bevölkerung selbst, die gerade einmal um 1,8 Prozent zunahm. In Staaten ohne solche Biodiversitäts-Hotspots lag die Zuwachsrate in beiden Punkten mit etwa 1,7 Prozent etwa gleich.

Die Wissenschaftler warnen, dass sich der Konflikt in den nächsten Jahren noch weiter zuspitzen wird. 1985 lebten in einem Haushalt in jenen 76 Staaten noch 4,7 Menschen, im Jahr 2015 werden es nur noch 3,4 sein. In der anderen Staatengruppe wird die durchschnittliche Bewohnerzahl pro Haushalt weniger ausgeprägt von 3,7 auf 3,6 zurückgehen. Weniger Bewohner pro Wohnung lässt die Zahl an Haushalten insgesamt allerdings steigen – und bedroht damit die Natur viel stärker als das eigentliche Bevölkerungswachstum.

Hätte sich der Durchschnitt an Bewohnern eines Haushaltes auf dem Niveau von 1985 gehalten, hätte es im Jahr 2000 in den Staaten mit Hotspots 155 Millionen weniger Haushalte gegeben. So aber werden sie wohl allein durch die sinkende Zahl der Bewohner im Jahr 2015 mit 233 Millionen Haushalten mehr zurecht kommen müssen – und dabei ist das gegebenfalls hinzukommende Bevölkerungswachstum noch nicht eingerechnet.

In Italien beispielsweise lag das Bevölkerungswachstum in den Jahren von 1951 bis 1991 bei einem halben Prozent. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Bewohner pro Haushalt um 0,7 Prozent zurück – mit dem Ergebnis, dass sich in den vierzig Jahren die Zahl der Haushalte um 1,7 Prozent erhöhte. Ein weiteres Beispiel: Das Wolong Nature Reserve in China, wo der Bevölkerungsdruck zunehmend den Lebensraum der Großen Pandas (Ailuropoda melanoleuca) einengt, wuchs die Einwohnerzahl nur um drei Prozent. Zusammen mit der sinkenden Zahl zusammenlebender Bewohner stieg die Zahl der Haushalte aber um über fünf Prozent. Die Folge sind zunehmende Abholzung der Wälder für den Brennholzbedarf und sich immer weiter in den Wald ausdehnende Siedlungen.

Die wachsende Zahl an Einzelhaushalten liegt in einer tiefgreifenden Änderung vieler Gesellschaften begründet. Es wird immer seltener, dass mehrere Generationen unter einem Dach leben: Kinder verlassen ihre Eltern, weil sie in anderen Städten arbeiten oder einfach ihr eigenes Leben führen möchten. Gleichzeitig sorgen unter anderem Scheidungen und Trennungen dafür, dass aus einem Haushalt mindestens zwei werden. Bedrohlich für die Natur ist dabei nicht nur der zunehmende Flächen- und Materialbedarf der Menschen für ihre Behausungen, sondern auch die Tatsache, dass der Ressourcenverbrauch pro Kopf in Haushalten mit weniger Bewohnern höher ist als in Einheiten mit vielen Verbrauchern. Denn diese teilen sich bestimmte Einrichtungen und Verbrauchsgüter nun mal – vom Holzbalken für den Dachstuhl bis zum Kühlschrank oder der Waschmaschine.

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