Direkt zum Inhalt

Klimamodelle: Heißes Ergebnis

Über 90 000 Menschen haben Klimaforschern freie Zeit auf ihrem PC spendiert, um die bislang größte Klimasimulation rechnen zu lassen. Die Ergebnisse sind beunruhigend.
Klimamodell
Klima ist komplex – kein Wunder also, dass die computergestützte Simulation desselben viel Zeit und leistungsfähige Rechner benötigt. Die gängigen Modelle auf Herz und Nieren zu prüfen und die Bandbreite der möglichen Szenarien zu testen, können daher selbst die Großrechner der wissenschaftlichen Institute nicht allein bewältigen.

Andererseits sind private Computer häufig nicht ausgelastet und bieten, während der Benutzer einen Brief schreibt oder im Internet surft, immer wieder mehr oder weniger lange Momente, in denen sie sich im Hintergrund mit anderen Dingen beschäftigen könnten. Diese brachliegende Unterstützung nutzte erstmals das Projekt Seti@home, um die Suche nach Kontaktsignalen Außerirdischer auf viele Beteiligte in privaten Stübchen zu verteilen. Seit September 2003 gibt es nun einen weiteren Nachahmer: das Climateprediction.net, das gelangweilte CPUs von Heim-PCs mit Klimasimulationen beschäftigt.

Über 90 000 Menschen in über 140 Ländern haben sich inzwischen registriert, 26 000 Rechner haben anhand der ihnen aufgespielten Datenpakete einen modellhaften Blick in die Zukunft gewagt und so insgesamt über vier Millionen Simulationsjahre geschaffen. Jetzt stellen die Forscher um David Stainforth von der Universität Oxford erste Ergebnisse aus 2017 fertigen Szenarien vor.

Temperaturentwicklung | Die Temperaturentwicklung in drei Szenarien bei einer Verdoppelung der Kohlendioxidkonzentrationen: Oben betrachtet für eine globale Erwärmung um 3,4 Kelvin, in der Mitte um 2,5 Kelvin – selbst sie führt am Amazonas schon zu einer Temperaturerhöhung um drei Kelvin und in weiten Teilen Nordamerikas um vier Kelvin. Im Extremfall von 10,5 Kelvin zeigt sich die Fieberkurve unter anderem im nördlichen Südamerika besonders deutlich.
Die Wissenschaftler wollten vor allem sehen, welche Bandbreite an Temperaturerhöhung bei einer Verdoppelung des Kohlendioxidgehaltes zu erwarten ist, und drehten daher in den einzelnen Simulationen verschiedene klimatische Stellschrauben bis zum Anschlag. Erst im August 2004 hatten Kollegen bei solchen Modellrechnungen mit 29 einzelnen Faktoren beobachtet, dass auch bei grenzwertig realistischen Annahmen die Erwärmung im Bereich von über zwei bis gut fünf Kelvin liegen dürfte – Werte, die denen des International Panel on Climate Change (IPCC) fast genau entsprechen. Das Team um Stainforth kommt aber nun zu einem weitaus beunruhigenderen Resultat: In über vier Prozent der analysierten Simulationen stiegen die Werte um über acht Kelvin, in einigen sogar um über elf Kelvin [1].

Niederschläge | Auf die Niederschlagsverhältnisse wirken sich die unterschiedlichen Temperaturszenarien differenzierter aus: So zeigt sich bei einer Erwärmung um 2,5 Kelvin (Mitte) beispielsweise östlich des Mittelmeerraums ein deutlicher Niederschlagsrückgang, der in den beiden anderen Modellen (oben 3,4 Kelvin, unten 10,5 Kelvin) nicht auftaucht.
Droht also eine noch größere Klimakatastrophe als sowieso schon befürchtet? Nicht unbedingt – zum einen haben die Forscher bislang nur den Einfluss von sechs Stellschrauben aus dem Bereich Wolken und Niederschlag untersucht und dabei zum Beispiel die Rückkopplung seitens der Ozeane außer Kraft gesetzt. Und zum anderen kamen die meisten Simulationen zu dem Ergebnis, dass sich die Erde bei einer Verdoppelung der CO2-Gehalte um 3,4 Kelvin erwärmen wird – schlimm genug. Nun müssen aber erst weitere Simulationen mit anderen Voraussetzungen und verdrehten Stellschrauben mehr Eindrücke liefern. Trotzdem zeigen die Resultate, dass bisherige Annahmen und Prophezeiungen die mögliche Bandbreite vielleicht bei weitem unterschätzen, zumal viele Faktoren und ihre Einflüsse im komplexen Klimageschehen noch unbekannt sind und ungeahnte Auswirkungen haben könnten.

Zum genau richtigen Zeitpunkt erscheint damit wohl auch eine Studie der International Climate Change Taskforce. Erwärmt sich die globale Temperatur um mehr als zwei Kelvin, so warnen Klimaforscher darin, verschlimmern sich die Folgen dramatisch. Darum sollten internationale Anstrengungen unbedingt verhindern, dass die Kohlendioxidkonzentrationen 400 ppm (parts per million, Teilchen pro Million Teilchen) überschreiten – ein Wert, der bei gegenwärtigen Verhältnissen bereits im Jahr 2015 erreicht werden könnte.

Die Forscher fordern daher die Bildung eines Klimaausschusses der G8-Staaten und weiterer bedeutender Volkswirtschaften auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern wie Indien und China. Außerdem sollten die G8-Nationen spätestens ab 2025 ein Viertel ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen decken. Überhaupt müssten insgesamt Investitionen in alternative Energien und energiesparende Technologien gefördert und staatliche Unterstützungen für fossile Energieträger zurückgeschraubt werden [2].

Der Klimawandel ist am Donnerstag auch Thema des Weltwirtschaftsforums in Davos. Gleichzeitig treffen sich in London interessanterweise die Skeptiker – Wissenschaftler, die wie Fred Singer, früherer Direktor des US-amerikanischen Wettersatellitenservices, der Ansicht sind, die globale Erwärmung gebe bislang keinen Anlass zu Besorgnis: "Der Treibhauseffekt durch einen erhöhten Ausstoß klimarelevanter Gase ist, so weit wir das bisher sagen können, unbedeutend. Er wird wahrscheinlich selbst in einem Jahrhundert kaum spürbar sein, und wir können uns problemlos daran anpassen. Die Vorhersagen des IPCC beruhen allein auf Modellen, nicht Beobachtungen. Man muss entweder die Modelle verbessern oder beweisen, dass die Beobachtungen falsch sind."

Ein gewichtiges Gegenargument allerdings hat Matthew Saltzmann von der Ohio-State-Universität gerade widerlegt. So hatten Kritiker gern darauf hingewiesen, dass im Ordovizium vor über 400 Millionen Jahren trotz deutlich höherer Kohlendioxidwerte als heute eine Eiszeit herrschte. Dies zeige doch, dass der Einfluss des Treibhausgases auf das Klima weit überschätzt würde.

Eben nicht, stellte Saltzmann bei der Analyse von Sandsedimenten in Nevada, Norwegen und Estland fest. Denn die Eiszeit begann offenbar zehn Millionen Jahre früher als bislang vermutet – und damit zu Zeiten niedriger CO2-Gehalte. Die weltweite Verbreitung dieser Sedimente zeige, dass wohl niedrige Meeresspiegel auf Grund von Vereisungen die Gesteine der Verwitterung preisgegeben hatte. Als die Konzentrationen dann kletterten, schmolzen auch die Gletscher [3].

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.