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Erderwärmung: Hitzestress macht Alpensteinböcke zu nachtaktiven Tieren

Sind die Tage besonders warm, gehen Alpensteinböcke neuerdings nachts auf Futtersuche. Sie zeigen dieses Verhalten, auch wenn bei Dunkelheit der Wolf auf sie wartet.
Drei Alpensteinböcke als Silhouette vor Wolken verhangenen Bergen.
Drei Alpensteinböcke an einem Hang in den französischen Alpen.

Weil es den Tieren tagsüber zu warm ist, sind Alpensteinböcke immer häufiger nachts aktiv – entgegen ihrem üblichen Verhalten. Und selbst wenn für Capra ibex dadurch das Risiko steigt, von Raubtieren wie dem Wolf gerissen zu werden, bevorzugen es die Tiere, bei kühleren Temperaturen auf Futtersuche zu gehen.

Zu diesem Ergebnis kommen Fachleute um Stefano Grignolio von der Università di Ferrara und Francesca Brivio von der Università degli Studi di Sassari im Fachmagazin »Proceedings of the Royal Society B«. Die Arbeitsgruppe hat dazu 47 Alpensteinböcke im Nationalpark Gran Paradiso in den italienischen Alpen beobachtet, wo auch Wölfe leben – sowie im Schweizerischen Nationalpark, wo sich die Raubtiere bislang nicht angesiedelt haben. Ihre Studie führten Grignolio und sein Team im Zeitraum von 2006 bis 2019 durch, jeweils von Frühling bis Herbst, wenn die Alpensteinböcke viel fressen müssen, um wohlgenährt den Winter zu überstehen. Die beobachteten Tiere waren mit Sendern ausgestattet, die Informationen über ihre Positionen übermittelten.

Wie das Wissenschaftlerteam herausfand, waren die Steinböcke vor allem dann nachtaktiv, wenn tagsüber die Temperaturen besonders hoch waren – »vermutlich, um die verringerte Nahrungsaufnahme am Tag auszugleichen«, schreiben die Studienautorinnen und -autoren, und vor allem, um ihre Körpertemperatur zu senken. Das Risiko, nachtaktiven Raubtieren zum Opfer zu fallen, versuchten die Alpensteinböcke aber offenbar zu mindern, indem sie bevorzugt während mondheller Nächte ausrückten. Dann, so vermuten die Forschenden, fällt es den Hornträgern leichter, Beutegreifer auszumachen und vor ihnen zu fliehen.

Bereits bekannt ist, dass viele Spezies, die in alpinen Lagen heimisch sind, auf Grund der globalen Erwärmung höher gelegene Habitate aufsuchen. Wenn jedoch Menschen diese Gebiete bereits nutzen, halten sich die Tiere fern und weichen wie im Fall der Alpensteinböcke auf andere Tageszeiten aus. Womöglich werden sich auch weitere Spezies dem Klimawandel auf ähnliche Weise anpassen. Das dürfte allerdings mit Nachteilen einhergehen: »Wenn an den Tag angepasste Säugetiere nachts aktiv sind, könnte ihre Futtersuche weniger effizient verlaufen, sie könnten ein geschwächtes Abwehrverhalten gegen Raubtiere zeigen, die Bewegungskapazität könnte eingeschränkt werden – und all dies könnte letztlich ihre Fortpflanzungs- und Überlebensrate verringern«, heißt es in der Fachstudie.

Die Forschergruppe schlägt zudem vor, das bisherige Wildtiermanagement an die neu entdeckten Verhaltensweisen anzupassen, etwa die Zählung der Tiere auch in die Nachtstunden zu verlegen. Des Weiteren sollten Alpensteinböcke vor allem tagsüber möglichst wenig Stress ausgesetzt werden. Touristenbesuche oder Überflüge von Helikoptern beispielsweise sollten verringert werden.

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