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Verhalten: Ich drück' dich!

Wenn Cliquen aufeinander treffen, geht das nicht immer friedlich ab. Doch Stänkern, Schmollen und Imponiergehabe sind keine Lösung. Meist helfen klare Worte - oder sich still in den Arm zu nehmen.
Geoffroys Klammeraffe
Was zu viel ist, ist zu viel: Der Lebensraum ist eng, das Essen knapp – statt da als wilde Affenhorde durch den Wald zu ziehen, macht es mehr Sinn, sich in kleinen Grüppchen eine passende Nische zu suchen. So findet jeder etwas zu futtern, hat seinen Frieden und beschränkt den Kontakt zur großen Sippe auf gelegentliche Treffen, bei denen man dann gern einmal die Clique wechselt. Ein beliebter Lebensentwurf unter Primaten.

Das allerdings birgt bekanntermaßen Konfliktpotenzial – siehe so manches Familienfest. Plötzlich stoßen Affen – zu denen nun einmal auch der Mensch zählt – wieder aufeinander, die sich zwar grundlegend grün sein sollten, aber eben doch nicht bis ins Kleinste sind. Erst fallen spitze Bemerkungen, der erste schmollt, die nächste ergeht sich in Schadenfreude, bis womöglich alles in unverhohlenen Attacken eskaliert. Und plötzlich ist er dahin, der allseits beschworene Familiensinn und -frieden, man geht unzufrieden seiner Wege und reist doch wieder an zum nächsten Event.

Geoffroys Klammeraffe | Geoffroys Klammeraffen leben in kleineren Gruppen, deren Angehörige bei Treffen mit anderen die Cliquen manchmal tauschen. Um Aggressionen und Konflikte zu vermeiden, nehmen sich manche Tiere kurz in den Arm.
Auch die stark gefährdeten Geoffroys Klammeraffen (Ateles geoffroyi) kennen dieses Dilemma. In kleineren Untergruppen fristen die Angehörigen einer Population ihren Alltag mit Früchtesuchen im zunehmend engeren Lebensraum, und begegnen sie Artgenossen, wechseln sie durchaus die Gefährten. Ohne erfolgreiches Konfliktmanagement aber ginge es hier dabei keineswegs so friedlich zu, wie es klingt, berichten Filippo Aureli von der John-Moores-Universität in Liverpool und Colleen Schaffner von der Universität Chester.

Die Wissenschaftler hatten einige Tiere in deren mexikanischer Heimat über längere Zeit beobachtet und dabei insbesondere das Aufeinandertreffen von Angehörigen verschiedener Untergruppen verfolgt. Hoch erfreut schienen die Tiere über den Anblick der Artgenossen selten zu sein: In den ersten fünf Minuten nach dem Kontakt zeigten manche deutlich häufiger aggressives Verhalten, und zwar insbesondere dem "Fremden" gegenüber.

Und trotzdem endeten die Treffen nicht in wildem Angekreische oder gar Prügelei. Denn andere Gruppenmitglieder bevorzugten eine deutlich versöhnlicher Variante: Sie fielen sich in die Arme. Ein kurzes Umschlingen, Wange an Wange, freundliches Beschnüffeln – von Aggression keine Spur.

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Auch wir nutzen die wortlose, aber inhaltsreiche Umarmung, um Wiedersehensfreude auszudrücken, Zuneigung zu zeigen oder Trost zu spenden. Keine Floskel kann derart intensiv Glück oder Mitgefühl vermitteln – und eine Situation entspannen. Vielleicht, so spekulieren die beiden Forscher, entstand Begrüßung mit Körperkontakt daher in solchen Gesellschaften, die wie bei Geoffroys Klammeraffe oder Mensch geprägt sind von ständiger Trennung und Wiedervereinigung: aus der Notwendigkeit heraus, prophylaktisch und schnell Frieden zu stiften.

Bleibt die Frage, ob der Erfolg der Taktik davon abhängt, dass die Umarmung von Herzen kommt. Bei den Affen zumindest könnte ein Test dahinter stecken, wie eng die Bande zwischen den beiden Beteiligten denn geknüpft sind – Täuschungsmanöver würde man dann kaum erwarten. Mensch jedoch kann sich vordergründig freundlich in den Arm nehmen und trotzdem böses Blut stiften. Weil wir, wie manche so gern betonen, eine ganz besondere Art von Affe sind?

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