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Tierkommunikation: Japanmeisen gestikulieren »Nach dir, bitte schön!«

Ein kleiner Singvogel benutzt Flügelgesten, um sich bei der Versorgung des Nachwuchses mit dem Partner abzusprechen. Eine solche symbolhafte Kommunikation ist ungewöhnlich im Tierreich.
Japanmeise sitzt auf einem blühenden Kirschblütenzweig
Die zierliche Japanmeise (Parus minor) zeigt großes Kommunikationstalent.

Kehren zwei Japanmeisen (Parus minor) gleichzeitig von der Futtersuche zu ihren Jungen zurück, könnte es vor dem Einflugloch zur Bruthöhle ungewollt zur Rempelei kommen. Das passiert aber nicht, denn das Elternpaar spricht sich vorher ab. Forscher an der Universität Tokio beobachteten wiederholt, wie zunächst beide Tiere in der Nähe ihres Nistkastens landeten. Kurz darauf signalisierte die eine Meise mit einem schnellen Flügelflattern, dass sie dem Partner den Vortritt lässt: »Bitte schön, nach dir!«

So jedenfalls interpretieren Toshitaka Suzuki und Norimasa Sugita in der Fachzeitschrift »Current Biology« das Verhalten von acht Japanmeisen-Pärchen, nachdem sie 321 Nistkasten-Besuche ausgewertet hatten. Zumeist waren es die Weibchen, die das charakteristische Flügelschlagen präsentierten, und zwar ausschließlich, wenn das Männchen zusah. Das flog dann als Erstes ein, um sein Insekt abzuliefern, auch, wenn es etwas später von der Nahrungssuche zurückgekommen war. Nach Ansicht der Forscher erfüllt das Anflattern des Partners damit alle Kriterien einer »symbolischen Geste«.

Früher traute man neben Homo sapiens allenfalls anderen Menschenaffen die Fähigkeit zu, auf symbolhafte Weise zu kommunizieren – beispielsweise mit Gesten, deren Bedeutung lediglich durch eine Art Konvention festgelegt ist. Inzwischen haben Fachleute den Kreis um Hunde, Wale und Papageien erweitert. Dass sich selbst kleine Singvögel mit winzigen Gehirnen untereinander derart austauschen können, überrascht aber.

© Suzuki and Sugita, 2024/ Current Biology
Gestikulierende Japanmeisen
Das Flügelflattern der Japanmeise erfüllt die Kriterien einer Geste: Die beobachteten Vögel führten die Bewegung ausschließlich an den Partner gewandt aus und beendeten sie kurze Zeit, nachdem dieser reagierte und im Nistkasten verschwunden war.

Die Eloquenz der Japanmeise machte bereits früher Schlagzeilen. Sie verwendet nicht nur besondere Rufe, um Artgenossen spezifische Botschaften zu senden, etwa: »Vorsicht, Japanische Kletternatter naht!« Vielmehr kombiniert sie auch verschiedene Rufe nach syntaktischen Regeln zu Sätzen, wie ein Team um Suzuki bereits 2016 in der Fachzeitschrift »Nature« berichtete. Japanmeisen können übrigens auch mit vollem Schnabel »sprechen«. Aber warum tauschen sich die Meiseneltern vor der Brusthöhle dann per Flügelschlag aus? »Ich denke, der Grund für diese Art von Gesten ist, dass Rufe in der Nähe des Nestes mehr Nesträuber anlocken können«, sagt Suzuki. Echte Schlaumeisen!

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  • Quellen
Suzuki, T.N., Sugita, N.: The ‘after you’ gesture in a bird. Current Biology, 2024 DOI: 10.1016/j.cub.2024.01.030

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