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News: Kopf oder Zahl

Es ist gar nicht leicht, mit einem Computer eine lange Folge zufällig verteilter Zahlen zu erzeugen. Zwei Physiker haben untersucht, warum das so ist.
Kopf oder Zahl
"Rien ne va plus!" – nichts geht mehr, mahnt der Croupier und wirft die Kugel in den Kessel. Wenig später bleibt sie bei einer der 37 Zahlen des Rouletterads hängen, vielleicht sehr zur Freude eines Spielers, der einen satten Gewinn einstreichen darf. Im Mittel gewinnt jedoch die Bank, denn die Siegchancen bei dem klassischen Glückspiel sind nicht ganz fair verteilt – die unscheinbare Null spielt das Zünglein an der Waage und gibt dem Haus den Vorteil.

Nicht nur bei Glückspielen, sondern auch in der ganz reellen Forschung sind Zufallszahlen gefragt. So dienen sie beispielsweise im Rahmen der Monte-Carlo-Methode dazu, bestimmte Probleme zu lösen, die sich anderweitig nicht vollständig durchrechnen lassen. Die Kreiszahl Pi kann man etwa auf diese Weise bestimmen. Dazu wird der Kreis einer leicht zu berechnende Begrenzungsfläche, etwa einem Quadrat, einbeschrieben. Dann werden zufällig Punkte in diese Fläche gestreut, wobei anhand einer Formel zu prüfen ist, ob der jeweilige Punkt innerhalb oder außerhalb des Kreises liegt. Anschließend lässt sich aus dem Verhältnis der Punktzahl von Würfel zu Kreis die Zahl Pi ermitteln.

Das Verfahren funktioniert jedoch nur wirklich gut, wenn die hineingesteckten Zufallszahlen wirklich planlos gestreut sind. Ein Spielcasino im namensgebenden Monte Carlo war dabei offenbar tatsächlich erster Zahlenlieferant. Im Zeitalter von Computern ist das natürlich wenig praktikabel, und so sollen die Rechner gleich selbst ihre Zufallszahlen produzieren. Doch darin sind Computer nicht sonderlich gut, denn sie müssen ihre Zufallszahlen "berechnen", was an und für sich schon ein Widerspruch zu sein scheint, schließlich sollen die Zahlen ganz regellos gestreut sein.

Die Qualität computergenerierter Zufallszahlen – häufig auch Pseudo-Zufallszahlen genannt – ist entsprechend mäßig, insbesondere bei sehr langen Zahlenfolgen. "Nach 40 Jahren der Entwicklung, könnte man denken, dass die Erzeugung von Zufallszahlen eine ausgereifte und problemlose Technik ist, doch es sieht so aus, als sei die Unberechenbarkeit stets unberechenbar", äußerte sich Brian Hayes vor gut einem Jahrzehnt in Anspielung auf die Entdeckung, dass eine ganze Reihe von Algorithmen zur Erzeugung von Zufallszahlen alles andere als zufällige Ergebnisse lieferten.

Offenbar hat sich seitdem nicht viel getan, denn Heiko Bauke und Stephan Mertens von der Universität Magdeburg griffen dieses Zitat in ihrer Arbeit auf, in der sie nun auf die Gründe des maschinellen Versagens eingehen. Die theoretischen Physiker stürzten sich dabei auf die denkbar einfachste Reihe von Zufallszahlen, die nur aus Nullen und Einsen besteht – im Prinzip eine virtuelle Abbildung des Münzwurfs Kopf-oder-Zahl.

Wie sich zeigte, liefern gängige Zufallszahlgeneratoren tatsächlich mehr Köpfe als Zahlen, obwohl das Ergebnis eigentlich unentschieden ausgehen sollte. Das Problem: Eigentlich alle Generatoren berechnen eine Zufallszahl mit Hilfe einiger bereits erzeugter Zahlen. Für kleine Mengen ist dieses Prinzip noch brauchbar. Doch wenn sehr, sehr viele Werte gebraucht werden, wie es bei aufwändigen Simulationen heute häufig der Fall ist, dann wiederholt sich irgendwann die Folge der Zahlen.

Der mathematische Grund für diese Ordnung liegt offenbar darin, dass typische Algorithmen dazu tendieren, Nullen anzuhäufen. Die Null spielt also eine besondere Rolle wie beim Roulette. Doch Bauke und Mertens haben bereits eine pragmatische Idee, wie sich das Problem umgehen lässt: die Null einfach weglassen. Braucht man beispielsweise unbedingt eine Folge zweier unterschiedlicher Zufallszahlen, dann lässt man den Rechner Nullen, Einsen und Zweien ausspucken und streicht im Nachhinein alle Nullen. Überhaupt sei es von Vorteil, eine Zufallsfolge aus einer Zahlenmenge zu bestimmen, deren Mitgliederzahl eine möglichst große Primzahl ist.

Doch ein Wehrmutstropfen bleibt: Denn leider lässt sich mit einer entsprechend großen Grundmenge nicht so schnell rechnen wie allein mit Nullen und Einsen. So ist also von Fall zu Fall zu entscheiden, welchem Zufallszahlengenerator man vertrauen kann. Beim Roulette hingegen wird man weiterhin auf das eigene Glück vertrauen müssen, denn hier wird uns die Null sicherlich erhalten bleiben.

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