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News: Leben in Diät

Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft ist es gelungen, einen kleinen erhellenden Blick in dunkle Tiefen zu werfen. Im Labor gelang es ihnen nachzuvollziehen, welche Prozesse in sauerstofflosen Sedimenten aus größeren Tiefen ablaufen. Ihr Augenmerk richtete sich dabei auf methanproduzierende aquatische Mikroorganismen. In Kultur konnten sie völlig ohne Sauerstoff in Ihrer Umgebung und durch den alleinigen Verbrauch von Hexadecan, einem gesättigten Kohlenwasserstoff, überleben. Eine solche Diät würde anderen Mikroben schlecht bekommen.
Das Gas Methan ist ein wichtiges Endprodukt natürlicher Abbauprozesse, die unter Ausschluß von Luft stattfinden. Solche Prozesse laufen zum Beispiel in Sümpfen, Seen und Bachsedimenten oder auch in den Faultürmen der Kläranlagen ab. Häufig entstehen dabei an die Oberfläche steigende Bläschen – es wird auch von Biogas und Sumpfgas gesprochen. Diese Vorgänge werden durch Mikroorganismen hervorgerufen, die zu den zwei Hauptformen mikrobiologischen Lebens zählen: den Bacteria und den Archaea. Sie leben von der schrittweisen Umsetzung von abgelagerter toter Biomasse, wie Zellulose, Stärke oder Proteinen, in einfache Kohlenstoffverbindungen, Methan und Kohlendioxid.

Auf der Erde sind Wassergebiete, in denen Methanproduktion stattfindet, weitverbreitet. Wie das Kohlendioxid, so beeinflußt auch Methan den Wärmehaushalt und die Chemie unserer Atmosphäre. Bisher war noch wenig darüber bekannt, welche Verbindungen zur Methanproduktion in alten, tiefen Schichten von aquatischen Sedimenten genutzt werden – dort, wo Zellulose oder andere leicht abbaubare Biomoleküle schon vor langer Zeit verbraucht wurden. An solchen Orten sollte mikrobielles Leben durch relativ langlebige und reaktionsträge Substanzen genährt werden. Eine weitverbreitete Klasse solcher Verbindungen in tiefgelegenen sauerstofffreien Sedimenten stellen die gesättigten Kohlenwasserstoffe (Alkane) dar. Sie stammen aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, aus Erdölverbindungen, und auch aus langfristigen chemischen Umformungsreaktionen der vorhandenen Biomasse.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie in Bremen und Kollegen aus Hamburg gelang die selektive Kultivierung von Bakterien und Archaen aus tiefgelegenen Schlammsedimenten. Diese Mikroorganismen waren fähig, mit Hexadecan, einem gesättigten Kohlenwasserstoff aus 16 Kohlenstoff- und 34 Wasserstoffatomen, als alleinigem Nährstoff unter absolutem Ausschluß von Sauerstoff zu überleben. Hexadecan wurde dabei unter Beteiligung von Wasser in Methan und Kohlendioxid umgewandelt.

Methan ist der einfachste Kohlenwasserstoff – es besteht aus einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen. Die Umwandlung von Hexadecan in Methan konnte bestätigt werden mit Hilfe analytischer Untersuchungen, bei denen auch nicht-radioaktive Isotope eingesetzt wurden. Natürlich läuft ein solcher Prozeß unter optimierten Laborbedingungen schneller ab als in der natürlichen Umgebung. Aber verglichen mit den Wachstum vieler anderer Mikroorganismen konnte der Vorgang immer noch als sehr langsam bezeichnet werden: Die Kultur mußte über ein ganzes Jahr wachsen, damit ein substantieller Verbrauch von Hexadecan nachgewiesen werden konnte. Die beteiligten Bakterien und Archaea wurden mikroskopisch gefunden und durch charakteristische DNA-Sequenzen identifiziert. Bisher ist noch nicht geklärt, welche speziellen Enzyme den Mikroben die Nutzung der gesättigten Kohlenwasserstoffe ermöglichen. In der Abwesenheit von Sauerstoff stellen Kohlenwasserstoffe üblicherweise eine "Niedrigenergie-Diät" für Mikroorganismen dar.

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