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Nobelpreise 2006: Leicht verrauscht

Mit dem Satelliten Cobe enträtselten die beiden amerikanischen Astrophysiker John Mather und George Smoot im wahrsten Sinne universelle Eigenschaften des Alls.
Cobe-Satellit
Früher, als die Fernsehsender nachts ihren Betrieb noch einstellten und nicht wie heute rund um die Uhr die x-te Wiederholung der allseits beliebtesten Sendungen ausstrahlen, konnte man sich durch das gleichförmige Rauschen der Bildröhre sanft in den Schlaf wiegen lassen. Was viele Menschen nicht wissen: Im Schneegrieseln auf der Mattscheibe versteckt sich quasi der Geburtsschrei des Universums: Ein Teil des Rauschens stammt aus den Tiefen des Alls und prasselt recht gleichförmig aus allen Richtungen auf uns nieder. Entdeckt haben dieses Phänomen die beiden US-amerikanischen Physiker Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson, als sie im Jahre 1964 eine perfekte Antenne bauen wollten. Das letzte vermaledeite Säuseln bekamen sie aber einfach nicht weg, egal was sie auch anstellten.

Die Erklärung, warum dies so ist, erfuhren sie einige Zeit später, als sie auf einer Konferenz von der so genannten Urknall-Theorie hörten. Derzufolge soll unser Universum vor gut 14 Milliarden Jahren aus einer gewaltigen Explosion entstanden sein. Namhafter Vertreter dieser Idee war der russischstämmige Physiker George Gamow. Nach seinen Vorstellungen expandiert seitdem das Universum und kühlt sich dabei ab.

In der damals noch extrem heißen Ursuppe bildeten sich nach Ansicht der Astrophysiker nach und nach erste Teilchen, Elektronen beispielsweise, sowie auch Protonen. Wegen der hohen Temperaturen konnten sie sich aber nicht zu stabilen Wasserstoffatomen zusammenschließen. Erst gut 400 000 Jahre nach dem Urknall war das Universum mit einer Temperatur von etwa 3000 Kelvin "kalt" genug, um den Neigungen der gegensätzlich geladenen Teilchen nachzugeben. Sie vereinten sich zu neutralen Atomen. Gleichzeitig wurde das Universum durchsichtig. Das ist ähnlich wie mit der Sonne. Mit ihrer Temperatur von durchschnittlich 6000 Kelvin verhindert sie ebenfalls die Bildung von Wasserstoffatomen. Licht, das auf unser Zentralgestirn trifft, wird zum Spielball der in diesem Glutball frei herumsausenden Protonen und Elektronen und daher gnadenlos geschluckt. Deshalb kann man nicht durch die Sonne hindurchsehen.

Gut 400 Jahrtausende nach Zündung des Urknalls konnten die Photonen – die Teilchen des Lichtes also und anderer elektromagnetischer Strahlung – die Fesseln der Materie endlich abschütteln und seitdem frei herumfliegen. Nach Berechnungen von Gamow macht sich der Nachhall dieses Befreiungsaktes noch heute bemerkbar – und zwar als eine überall herrschende, durchschnittliche Temperatur. Sie musste mittlerweile auf etwa minus 270 Grad Celsius gesunken sein und ruft dieses gleichförmige Rauschen hervor, das Penzias und Wilson fast zur Verzweiflung trieb. Der Enttäuschung wich spätestens im Jahre 1978 aber Euphorie, als die beiden Antennenbauer für ihre Arbeiten mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurden.

Nun sind erneut zwei Amerikaner mit der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung geehrt worden. Die beiden US-Astrophysiker John C. Mather vom Nasa Goddard Space Flight Center und George F. Smoot von der Kalifornischen Universität in Berkeley konnten nachweisen, dass dieser in Fachkreisen mittlerweile kosmische Hintergrundstrahlung genannte Urschrei des Weltalls zum einen nahezu perfekt einem so genannten schwarzen Strahler gleicht und – was vielleicht noch viel bedeutender ist – dass er kleinste Unregelmäßigkeiten aufweist. Ihre Daten haben sie aus der Cobe-Mission, zu deren Erfolg sie maßgeblich beigetragen haben. Cobe ist die Abkürzung für den Satelliten Cosmic Background Explorer, der am 18. November 1989 in eine Umlaufbahn um die Erde geschossen wurde. Er maß die Eigenschaften der Hintergrundstrahlung mit einer bis dahin unbekannten Präzision.

Schwarze Strahler und ...

John C. Mather vom Nasa Goddard Space Flight Center | John C. Mather vom Nasa Goddard Space Flight Center – zusammen mit George F. Smoot von der Kalifornischen Universität in Berkeley Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2006.
Der Nasa-Experte Mather koordinierte das gesamte Projekt. Zugleich war er für ein Experiment verantwortlich, das zeigen sollte, ob die Reststrahlung im Universum der eines Schwarzen Strahlers gleicht. Darunter verstehen Physiker einen Körper, der sich durch eine charakteristische Abstrahlung von Energie ausgezeichnet, dessen elektromagnetisches Spektrum unabhängig vom Material ist und lediglich von seiner Temperatur abhängt. Diese Erkenntnis geht auf den deutschen Physiker Max Planck zurück und datiert den Beginn der modernen Quantenphysik. Der Name ist allerdings etwas unglücklich gewählt: Er betont die weitere Eigenschaft der auch "Schwarze Körper" genannten physikalischen Objekte, mit der sie jegliche auftreffende Strahlung vollständig schluckt. Eine glühende Herdplatte oder unsere Sonne sind Beispiele dafür – und eben das Universum, was Cobe bereits neun Minuten nach Beginn seiner Beobachtung feststellen konnte.

... universale Ungleichheiten

George F. Smoot von der Kalifornischen Universität in Berkeley | George F. Smoot von der Kalifornischen Universität in Berkeley – zusammen mit John C. Mather vom Nasa Goddard Space Flight Center Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2006.
Smoot wurde vom Nobelpreis-Komitee dagegen für die aus den Daten der Nachweisgeräten am Cobe-Satelliten gewonnenen Erkenntnisse gewürdigt. Sie zeigten, dass die Temperatur im Universum nicht überall gleich hoch ist, sondern sich lokal unterscheidet – wenn zum Teil auch nur um einige Hunderttausendstel Grad. Nach Ansicht der Astrophysiker gehen die etwas kälteren Stellen auf so genannte (Quanten)fluktuationen in der Ursuppe zurück und bildeten die Keimzellen beispielsweise für die heutigen Galaxien. Zudem können die Wissenschaftler aus der Verteilung der Temperaturunterschiede auf den Anteil der dunklen Materie im Universum schließen. Nach derzeit gängiger Theorie ist ein Großteil der Materie für unsere Augen unsichtbar – daher auch der Name. Nur etwa vier Prozent der im Weltall herrschenden Schwerkraft lässt sich auf die Existenz von Galaxien und den darin befindlichen Sternen und Staubansammlungen zurückführen. Woraus der Rest besteht, ist eines der ganz großen Rätsel der Menschheit, auf die noch niemand eine Antwort gefunden hat.

Darüber hinaus lässt sich aus den mit Cobe gewonnenen Daten ablesen, ob unser Universum flach ist wie ein Blatt Papier, oder ob die vorhandene Masse ausreicht, um das Weltall – entsprechend den Vorstellungen der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein – soweit zu verbiegen, dass es in sich geschlossen ist. Noch ist diese Frage von den Experimentatoren nicht mit absoluter Sicherheit zu entscheiden. Die Ergebnisse, die mit Cobe und seinem Nachfolger – der Wilkinson Microwave Anisotropy Probe WMAP – gewonnen wurden, deuten jedoch auf einen flachen, euklidischen Raum hin. In einem solchen kreuzen sich zwei parallele Lichtstrahlen auch in weitester Ferne niemals und verschwinden nebeneinander auf nimmer Wiedersehen in den unendlichen Weiten.

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