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News: Marcus und der Wasserstoff

Eine der häufigsten chemischen Reaktionen ist der Transfer von Wasserstoffatomen - ein in der Regel sehr schneller Prozess, der gleichermaßen für biochemische und industrielle Prozesse von entscheidender Bedeutung ist. Jetzt haben Chemiker eine Analogie zu Elektronentransfers gefunden: Die Geschwindigkeit von Wasserstoffübertragungen gehorcht der Marcus-Gleichung.
Viele Vitamine übertragen Wasserstoff, um unsere Organe vor Oxidation zu schützen. Aber auch die chemische Industrie lebt zu einem guten Teil von der Mobilität des Wasserstoffs, ohne die kein Polyester und kein Polyamid entstehen könnte. Auch das Heizen mit Kohle oder Öl wäre ohne diesen Übertragungsvorgang nicht möglich.

Wasserstoff ist das kleinste aller Elemente und unterscheidet sich vom Elektron nur durch ein zusätzliches Proton. Diese Ähnlichkeit zum Elektron ist möglicherweise auch die Ursache für eine weitere Analogie. Wie Experimente von Justine Roth und ihren Mitarbeitern an der University of Washington zeigen, lassen sich Wasserstofftransfer-Reaktionen ebenso wie Elektronentransfers mit der Marcus-Gleichung beschreiben.

Die Marcus-Gleichung stellt einen Zusammenhang her zwischen der Geschwindigkeit eines Transfers und den inneren Barrieren der beiden Reaktionspartner sowie der thermodynamischen Triebkraft des Prozesses. Die Theorie entwickelte Marcus ursprünglich nur für Elektronen; mittlerweile wenden sie Wissenschaftler aber auch auf den Transfer von Protonen, Hydrid-Ionen (negativ geladenem Wasserstoff) und Methyl-Gruppen an.

Die Washingtoner Chemiker stellten aus einem Repertoire an Wasserstoffüberträgern und Reaktionspartnern eine Vielzahl von Reaktionen zusammen, deren Parameter sie bestimmten. Es zeigte sich, dass damit eine breite Skala von Reaktionsgeschwindigkeiten abgedeckt war. Die Forscher stellten zwischen den experimentell ermittelten und den nach Marcus theoretisch bestimmten Gleichgewichtskonstanten eine gute Übereinstimmung fest. Stoffe, die einem langsamem Elektronen- oder Protonenaustausch unterliegen, sind auch beim Wasserstoff-Transfer langsam; hohe Hindernisse für den Elektronentransfer bedeuten auch hohe Hindernisse für den Wasserstofftransfer.

Obwohl die Zwischenprodukte der Reaktionen samt ihrer Effekte nicht in der Marcus-Gleichung berücksichtigt sind, können die Gleichgewichtskonstanten mit einer Genauigkeit von einer Größenordnung vorausgesagt werden. Diese scheinbar hohe Unsicherheit relativiert sich angesichts des Bereichs von neun Größenordnungen, den die Wissenschaftler mit ihren Untersuchungen abdeckten. Die Ähnlichkeit zu Elektronentransfers trägt zum Verständnis von Wasserstoff-Transfers bei und könnte sowohl der akademischen Forschung als der industriellen Verfahrenstechnik neue Impulse geben.

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